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Angst ist das beherrschende Thema dieser Tage. Ein Wort mit A, wie Anthrax. Oder Arbeitsamt. Es gibt auch einen Termin für die Redakteurinnen und Redakteure dieser Zeitung, vor dem sie wirklich Angst haben. Freitag, 12 Uhr mittags. Blattkritik. Das Wort mit B.

Wie viel Freunde hat man an diesem Wochentag schon verloren! Und dabei hat man sowieso kaum welche, wenn man in diesem Metier arbeitet. Nicht nur, weil man keine Zeit mehr hat, in verrauchten Kneipen oder auf tollen Konzerten rumzulungern, um super hippe Leute kennen zu lernen. Soziale Kontakte beschränken sich auf ein »Guten Morgen!« im Treppenhaus und ein »Moin!« im Fahrstuhl. Und »Schönes Wochenende!« will man am Freitag nicht wirklich hören, wenn man bei einer Zeitung arbeitet, die mittwochs erscheint und somit erst am Montag Redaktionsschluss hat.

Aber zurück zur Blattkritik. Was hat man sich da nicht schon alles anhören müssen. Diese Überschrift ist zu ironisch, jene zu sachlich. Der Text ist zu lang, der zu kurz. Das Titelbild ist unverständlich und der Comic viel zu bunt. Alle hören sich das an und verteidigen sich kleinlaut, so gut es geht. Ja, der Autor hat so spät geschickt, eine Kollegin war krank, der Zeitdruck etc.

Und dann holt der Blattkritiker erst so richtig aus: Was hier über die Gewerkschaften steht, zeugt von totaler Unkenntnis wirtschaftlicher Prozesse. Dieser Text ist das reinste Loblied auf die Bewegung. Und diese Seite ist total überflüssig. Mehr Recherche! Das Wort mit R!

Nach zwei Stunden harter Kritik und anschließender Diskussion ist man zermürbt. Der Kaffee schlägt auf den Magen. Die Semmel schmeckt nicht mehr. Schweißausbruch. Diesen Typen will man nie wieder sehen. Und wenn er tausendmal Recht haben sollte. Bye, bye my friend, this is the end.

So reagiert man, obwohl man doch immer für konstruktive Kritik zu haben war. Hart, sachlich und ohne persönliche Diffamierung. Nur, ist Kritik nicht immer irgendwie eine Diffamierung? Das Wort mit D! Will man nicht auch einmal gelobt werden? Ein nett gemeintes »Kopf hoch!« hat noch niemandem geschadet.

Glücklicherweise ist die Jungle World eine Wochenzeitung. Bei schlechten Ausgaben kann man sich damit trösten, dass sie nur eine Woche am Kiosk hängen. Und an die guten kann man sich ein Leben lang erinnern.