Fußballbuch

Bullenvorlage

Einfach vorbildlich, diese schottischen Fußballer. Absolut ehrenhaft. Jedenfalls verhielten sie sich 1950 so, vor der Weltmeisterschaft in Brasilien. Aus ihrer Qualifikationsgruppe durften, so seinerzeit die Festlegung des Weltverbands Fifa, die ersten beiden Teams zur WM fahren. Die Schotten hatten jedoch sofort generös abgewinkt und signalisiert: Wir treten nur in Brasilien an, wenn wir in unserer Gruppe Erster werden. Und daran hielten sie sich dann auch, nachdem sie bloß den zweiten Platz belegt hatten.

Hätte sich vor Beginn der jetzt zu Ende gehenden Qualifikation für die WM 2002 doch der DFB diese Haltung zum Vorbild genommen! Die zur nationalen Schicksalsangelegenheit stilisierte Frage, ob Rudi Völler und seine Schützlinge die Relegation gegen die Ukraine überstehen, wäre uns erspart geblieben.

Das letzte Mal, als Deutschland nicht bei einer WM dabei war, ging es im Vorfeld ohnehin ziemlich turbulent zu - das zeigen Hubert Dahlkamp und Dietrich Schulze-Marmeling in ihrer nun vorgelegten »Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften«. Neben den Schotten sagten damals noch weitere 18 Verbände ab: die Österreicher zum Beispiel, weil sie ihre Mannschaft für zu jung hielten, die Franzosen, weil sie sich zu schlecht fanden, und die Inder, weil sie nicht genügend Geld hatten, um sich die erforderlichen Fußballschuhe zu kaufen.

Der Abschnitt über die erste Nachkriegs-WM gehört zu den reizvollsten Passagen in dem vorliegenden Buch. Kein Wunder, ist doch dieses Turnier - ebenso wie das von 1962 - eines derjenigen, über die man traditionell wenig weiß, weil sie hierzuLande nicht Teil der nationalen Mythenbildung geworden sind.

Nicht nur anhand der kuriosen Episoden rund um die WM von 1950 belegen Dahlkamp und Schulze-Marmeling, dass die Geschichte des Fußballs als globalisiertes Unterhaltungsgeschäft, bei dem jeder mitmischen und absahnen will, noch sehr jung ist. Bemerkenswert etwa, dass 1930, als in Uruguay die erste WM stattfand, der Fifa lediglich 41 Länder angehörten, heute sind es mehr als 200. Und das Eröffnungsspiel jenes Turniers - zwischen Frankreich und Mexiko - wollten gerade einmal 1 000 Zuschauer sehen, Rumäniens 3:1-Sieg über Peru sogar nur 300. Beim Halbfinalspiel der Gastgeber schließlich gab - Höhepunkt der aus heutiger Sicht seltsamen Begebenheiten - ein Polizist die Vorlage zum entscheidenden Tor: Er schoss den Ball aus dem Toraus direkt vor den Kasten.

Darüber hinaus punkten die Verfasser, wenn sie in kurzen Exkursen die Geschichte des Fußballs in manchen Austragungsländern rekapitulieren, etwa die verspätete Entwicklung in Frankreich, die aus der starken Position des Rugby resultierte.

Unerfreulich ist indes, dass die Autoren das Buch in einem variations- und emotionsarmen Sachbearbeiter-Stil - ja, so muss man es nennen - abgewickelt haben. Dahlkamp und Schulze-Marmeling liefern, wofür ihnen gewiss Respekt zu zollen ist, zwar jede Information, die ein angehender WM-Historiker braucht, und es gelingt ihnen phasenweise auch, die Turniere in ihrem zeitgeschichtlichen Zusammenhang zu sehen, aber sie schaffen es in keiner Phase, den Zauber dieser Großereignisse zu vermitteln.

Hubert Dahlkamp/Dietrich Schulze-Marmeling: Die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaften. Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2001, 480 S., DM 48,70