Justiz verharmlost rechte Hetze

Das Schweigen der Anständigen

So kennt man die deutsche Justiz: Der NPD-Kreisvorsitzende Peter Klose aus Zwickau ist am vergangenen Mittwoch vom dortigen Amtsgericht vom Vorwurf der Volksverhetzung freigesprochen worden. Er hatte in einem Artikel auf den Internetseiten des NPD-Kreisverbandes Zwickau im April 2000 Roma und Sinti diffamiert, die auf einem Parkplatz am Rand der Stadt campierten. Klose hatte geschrieben, dass »diese Sorte Menschen« kein Pflicht- und Heimatgefühl habe, da sie wie Nomaden lebe, Parks verwüste, Autos aufbreche und Läden bestehle.

Auch im Gerichtssaal machte Klose aus seiner Einstellung keinen Hehl. Er nannte die Roma und Sinti »Gesindel«, das den Parkplatz wie »Sodom und Gomorrha hinterlassen« habe. Amtsrichter Jürgen Dietel bescheinigte dem NPD-Kreisvorsitzenden, dass sein Artikel von dem verbrieften Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei; er habe nur auf die finanziellen Belastungen für die Stadt und die Bürger aufmerksam machen wollen.

Solche Urteile und die mangelnde Kritik daran sind es, die Rassismus und Antisemitismus gesellschaftsfähig machen. Es war wieder einmal Paul Spiegel, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, vorbehalten, in seiner Rede zur Einweihung der neuen Dresdner Synagoge am 9. November die Versäumnisse der Justiz bei der Verfolgung antisemitischer und fremdenfeindlicher Umtriebe zu kritisieren. Er griff sich zwei Beispiele heraus: Den Freispruch von Anfang September für den ehemaligen Vorsitzenden der Republikaner im Oberallgäu, Hermann Josef Reichartz, der Michel Friedman als »Zigeunerjuden« bezeichnet hatte, und die Anordnung des sächsischen Generalstaatsanwalts Jörg Schwalm von vergangener Woche, die Verbreitung und Skandierung der Parole »Ruhm und Ehre der Waffen-SS« nicht mehr unter Strafe zu stellen. Auf Veranlassung des sächsischen Justizministeriums musste Schwalm zwei Tage später die Anordnung immerhin wieder zurücknehmen.

Mit Blick auf den von Bundeskanzler Gerhard Schröder propagierten »Aufstand der Anständigen«, der am 9. November vor einem Jahr noch 200 000 Menschen zu einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit an das Brandenburger Tor geführt hatte, bemerkte Spiegel, dass dieser Aufstand einige wohl noch nicht erfasst habe. Ob man Spiegels Hoffnung auf den Aufstand der Anständigen teilt oder nicht: Zwei haarsträubende Entscheidungen der Justiz in einer Woche sprechen eine deutliche Sprache.

Und die Neonazis wissen es zu schätzen, wenn auf die vielen schönen Worte bei offiziellen Veranstaltungen keine Taten folgen - wie auf die von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit, der auf der Gedenkveranstaltung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin für die Opfer der Pogromnacht am 9. November 1938 mahnte, dass es keinen Anlass zur Entwarnung gebe, solange immer noch Neonazis durch Berlin marschierten. Und prompt marschierten etwa fünfzig Rechtsextreme am gleichen Tag durch die Stadt. Unter dem Motto »Kein deutsches Blut für fremde Interessen« liefen sie vom Alexanderplatz zum S-Bahnhof Jannowitzbrücke, wo sie eine Kundgebung abhielten.

Zwar waren es nur wenige, aber es ist bezeichnend für die Inhaltslosigkeit der öffentlichen Aufrufe zur Zivilcourage, dass es Rechtsextremen auch an diesem Tag wieder möglich war, in Berlin zu demonstrieren. Genauso wie es eine Gruppe von Neonazis wagen konnte, bereits am Abend des 9. November nach der Einweihung der neuen Dresdner Synagoge sich genau vor dieser zu versammeln.