Antikriegsbewegung in Spanien

Schwarze Liste

Während die spanische Antikriegsbewegung wenig Zulauf erhält, mobilisiert die Regierung gegen Eta und Globalisierungsgegner.

Am 11. September rief der spanische Regierungschef José Aznar nicht nur zum Krieg gegen den »internationalen Terrorismus« auf, sondern ließ vor Botschaftsgebäuden, Militärflughäfen, Erdölraffinerien und Atomkraftwerken auch demonstrativ Panzer auffahren. Und im Gegensatz zu den letzten Jahren säumten am 12. Oktober Tausende von Menschen die Armeeparade zum spanischen Nationalfeiertag.

Seit den Anschlägen in den USA versucht die vom rechten Partido Popular gestellte Regierung, der Bevölkerung die Notwendigkeit einer Neuorientierung in der nationalen Verteidigungspolitik zu vermitteln. Schon vorher hatte das spanische »Weißbuch der Verteidigung 2000« zufrieden konstatiert: »Die Gesellschaft sieht die Armee nicht mehr als Bedrohung, sondern als Mittel zur Verteidigung«.

Doch nicht nur die Armee, auch die polizeilichen Sicherheitskräfte sind seit dem 11. September in Alarmbereitschaft versetzt und heizen dabei das rassistische Klima weiter an. Nach offiziellen Angaben observiert die spanische Polizei derzeit rund 200 angeblich Verdächtige, die dem »islamischen Terrorismus angehören« sollen. Das eigentliche Problem bei der Terrorismusbekämpfung sei aber die Zuwanderung, meint Polizeipräsident Juan Cotino, denn in den letzten Jahren habe sich »die arabische Bevölkerung in Spanien verdreifacht«.

So sucht die spanische Regierung auch nicht den Dialog mit den etwa 600 000 Muslimen, die in Spanien leben. Stattdessen stoppte der Verteidigungsminister Federico Trillo nach den Anschlägen in den USA seine Initiative, Migranten in das Heer einzubeziehen, da es unter ihnen »zu viele Marokkaner« gebe. Man habe wegen der »kulturellen Nähe« doch eher an lateinamerikanische Rekruten gedacht, erklärte Trillo.

Im Rahmen der »internationalen Koalition gegen den Terrorismus« sieht sich die Aznar-Regierung vor allem in ihren Bemühungen zur »Vernichtung der Eta mit polizeilichen Mitteln« bestärkt. Und auf EU-Ebene ist es derzeit ein wichtiges Ziel von Aznar, die linksnationalistischen Parteien und Organisationen im Baskenland wie Herri Batasuna (HB) in die europaweite »Schwarze Liste« der terroristischen Organisationen aufnehmen zu lassen.

Die Eta ihrerseits hatte sich Ende Oktober zu mehreren Anschlägen der vergangenen Monate bekannt und sich bereit erklärt, die Waffen niederzulegen, wenn Aznar einem Referendum über die Unabhängigkeit des Baskenlandes zustimme. Der Premier hatte dies erwartungsgemäß abgelehnt mit dem Hinweis, man werde mit Terroristen nicht verhandeln, sondern sie bekämpfen. Schließlich genieße das Baskenland ohnehin mehr Autonomie als andere Regionen im spanischen Staat.

Wenige Tage später verhaftete die Polizei bei einem Großeinsatz in verschiedenen baskischen Städten die leitenden Mitglieder von zwei linken baskischen Gefangenenorganisationen mit dem Vorwurf, enge Verbindungen zur Eta zu unterhalten (Jungle World, 46/01).

Am Dienstag vergangener Woche detonierte dann eine Bombe in der Madrider Innenstadt. 100 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und zwei mutmaßliche Eta-Mitglieder kurz darauf als Tatverdächtige festgenommen. Anschließend erklärte der spanische Polizeichef Juan Cotino, nach Aussagen der Verhafteten habe die Eta vor zwei Jahren geplant, das höchste Gebäude Madrids in die Luft zu sprengen.

Einen Tag nach dem Madrider Anschlag erschossen Unbekannte den Juristen und Universitätsprofessor José Maria Lidon Corbi in der Kleinstadt Getxo bei Bilbao. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass Corbi von einem Eta-Kommando getötet wurde, wäre dies der erste Mord der Organisation seit vier Monaten.

Ähnlich wie in anderen EU-Staaten ist auch in Spanien eine Verschärfung der so genannten Antiterrorgesetze geplant. So sollen im Rahmen der Harmonisierung der EU-Sicherheits- und Justizpolitik die Befugnisse der spanischen Geheimdienste erweitert werden und Militär und Polizei enger zusammenarbeiten.

Angesichts der bereits jetzt verstärkten Repression gegen linke baskische Organisationen und der bevorstehenden spanischen EU-Ratspräsidentschaft, bis zu deren Beginn die Regierung erklärtermaßen »das Problem der GlobalisierungskritikerInnen gelöst« sehen will, bildete sich ein sehr heterogenes Antikriegsbündnis der außerparlamentarischen Linken. Die Attentate vom 11. September werden zwar von den meisten beteiligten Gruppen und Organisationen verurteilt, trotzdem sieht man deren Ursache im Imperialismus der USA und wendet sich scharf gegen den Krieg in Afghanistan.

Der kleinste gemeinsame Nenner der spanischen Antikriegsbewegung ist eine spezifisch spanische Form eines unreflektierten Antiamerikanismus, dessen historische Wurzeln in der US-Unterstützung für das Franco-Regime zu suchen sind. Nur wenige Gruppierungen kritisieren den islamischen Fundamentalismus. Zur Mobilisierung werden auch altbekannte Parolen neu belebt, wie »keine Nato-Stützpunkte in Spanien.« Doch während unter diesem Motto 1986 mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße zu bringen waren und damit fast der Nato-Beitritt Spaniens verhindert wurde, kommen heute nicht mehr als 20 000 Menschen zu den Antikriegsdemonstrationen.

Währenddessen übt sich die im spanischen Parlament vertretene Vereinte Linke (IU) im Spagat. Um die heterogene Wählerbasis zusammenzuhalten, verurteilt sie zwar den Krieg der USA und Großbritanniens in Afghanistan, gleichzeitig geht ein Teil der Parteimitglieder aber auch mit den PSOE-nahen Gewerkschaften CCOO und UGT gegen den Terrorismus auf die Straße. Dagegen versteht der kommunistische Flügel innerhalb der IU unter Terrorismus die »von Staat und Kapitalismus produzierte strukturelle Gewalt« und verweigert sich der Teilnahme an den Protesten der sozialdemokratisch orientierten Gewerkschaften.

So bahnt sich ähnlich wie beim Nato-Krieg gegen Jugoslawien eine Spaltung der Antikriegsbewegung an. Damals kam es zwischen den Kommunisten und den gemäßigten Linken innerhalb der IU zu einem Zerwürfnis, da erstere aus Treue zu Slobodan Milosevic den IU-Slogan »Weder Nato-Krieg, noch ethnische Säuberungen« strikt ablehnten.