Wie wird das neue Jahr?

Alles wird super!

Seit jeher predigt die Linke Pessimismus. Dafür gibt es in diesem Jahr noch weniger Gründe als im vergangenen.

Was wurde von der Linken nicht schon alles prognostiziert? Der Überwachungsstaat, der Atomstaat, der Weltuntergang, das Vierte Reich, das Platzen der Blase und der finale Umschlag in die Barbarei. Kurz: Alles wird immer schlimmer. In einem fort schwatzen die linken Groß- und Kleindenker davon, dass hier wieder alles zusammenbricht, da wieder die Schweine dies und jenes anstellen und überhaupt wieder an allen Fronten schwerer Verrat begangen wird. Früher hatt'n wa 'nen Kaiser und heute is' Mittwoch.

Diese Art von Besserwisserei ermüdet. Klar werden wir unterbezahlt und wenn nicht, dann ist der Job nicht so toll oder er ist blöde und zusätzlich wird man unterbezahlt, außerdem ist es draußen kalt - aber stöhnen die gleichen Scheißefinder im Sommer nicht genauso, nur unter der Hitze? Es ist schwierig, einem paranoiden Wahnsystem mit Argumenten beizukommen. Reicht es, einfach zu behaupten, alles sei anders? Reicht es vorauszusagen, die Welt werde auch im Jahre 2002 nicht untergehen? Zu prognostizieren, sie werde 2002 noch schöner, noch vielfältiger, noch interessanter und noch großartiger werden als sie es ohnehin schon ist?

Es reicht nicht. Also von vorne: Wie konnte es so weit kommen? War die Linke nicht irgendwann einmal groß, mächtig und glücksfähig? Möglich. Doch wann das genau war, vermag niemand mehr zu sagen. Nur eins ist klar: Irgendwann ist ihr das Gefühl für das, was das Leben lebenswert macht, kurz: den Fortschritt, abhanden gekommen. Vielleicht fiel das zusammen mit einer der zahllosen Niederlagen, seitdem handelt Links-Sein vor allem von einem: Besserwissen und Scheißefinden. Und weil das eine nur sehr bedingt attraktive Haltung ist, wollen bei den Linken nicht besonders viele mitmachen, was diese wieder darin bestätigt, wie übel die Welt eingerichtet sei.

Für die Besserwisser und Scheißefinder besteht das Leben vor allem darin, das Leiden der Welt auf die schmalen Schultern zu nehmen. Nicht ohne Hintergedanken natürlich. Sie hängen der fehlgeleiteten kritischen Theorie an, zu glauben, ihre historische Mission bestehe darin, Material für ein ominöses Später zu sammeln. Für eine Zeit, nach dem Dritten Weltkrieg wahrscheinlich, wenn man denjenigen, die sich heute noch als Nachbarn und harmlose Bürger tarnen, wird vorhalten können, sie hätten kein Recht zu behaupten, damals - also heute - hätten sie von nichts gewusst.

Dafür wühlen sie sich dann Tag für Tag durch die bürgerliche Presse, hören sich schreckliche Musik an oder schauen sich mit Absicht das im Fernsehen an, was ihnen nicht gefällt. Was für ein schreckliches Leben! Was für eine deprimierende Aussicht! Kein Wunder, dass für sie täglich die Welt zusammenfällt. Da bleibt einem tatsächlich nur der Trost, dass man, wenn man wollte, ja jederzeit aus dem Leben scheiden könnte.

Doch die Welt da draußen ist weder gut noch schlecht eingerichtet. Es gibt sie einfach. Sie ist chaotisch, schön, grausam, bunt und lebendig. All das kann man als bedrohlich empfinden, sich hinter seinem zweckpessimistischen Schutzwall verstecken und Indizien dafür sammeln, dass alles immer noch schlimmer wird.

Der einzige Ausweg aus diesem Wahnsystem neben dem Selbstmord oder Heroinkonsum dürfte dann die transzendentale Meditation sein. Und das soll eine Option sein?

Es gilt, die Bequemlichkeit und die Langeweile des Besserwissens und Scheißefindens links liegen zu lassen. Hinein ins Leben, hinein in die Widersprüche, hinein in die Fehler. Her mit den kleinen Dingen, her mit all dem, was das Leben lebenswert macht. Hinein ins Gewimmel.

Wenn wir uns nicht ändern, wer sollte sich dann ändern? Her mit neuer Liebe, neuem Leid, neuem Schmerz, neuer Lust, neuer Musik, neuer Literatur, neuem Essen, neuen Drogen, neuer Erinnerung, kurz: her mit dem neuen Leben. Love the life you live and live the life you love.