Spanien macht Druck

In der Klemme

Auch die letzten Warnsignale konnten Eduardo Duhalde nicht beirren. Noch in der Nacht zum Freitag hatten sich in einer TV-Blitzumfrage 83 Prozent der Zuschauer gegen eine Abwertung ihrer Währung ausgesprochen. Doch der argentinische Staatschef blieb dabei. Die Eins-zu Eins-Bindung des Peso an den Dollar wird aufgehoben. Aber nicht nur in der Bevölkerung, auch im Parlament und bei spanischen Investoren stieß diese Entscheidung auf Unmut.

Pest oder Cholera: Argentinien ist pleite, und welchen Weg die Regierung auch einschlägt, der Ärger ist programmiert. Zwar kann eine Abwertung des Peso den Export beleben, Importe aber werden unbezahlbar, und die innenpolitische Situation dürfte sich verschlimmern. Schon vorab stiegen die Preise um bis zu 60 Prozent, Medikamente verschwanden gleich ganz vom Ladentisch, um später teuer verkauft zu werden. Eine Inflation, wie sie das Land Ende der achtziger Jahre in den Ruin getrieben hat, ist nicht auszuschließen.

Auch Duhaldes Versuche, in der Mittelklasse wieder für Ruhe zu sorgen, sind zum Scheitern verurteilt. Schließlich sieht sein Notstandsprogramm nicht vor, die Sperrung von Sparkonten aufzuheben. Argentiniens Kontoinhaber dürfen also weiterhin höchstens 250 Dollar wöchentlich abheben - eine Maßnahme, die verhindern soll, dass noch die letzten Devisen außer Landes geschafft werden.

Die entscheidenden Umsätze bleiben ohnehin nicht in Argentinien. Im großen Stil verscherbelte der peronistische Ex-Staatschef Carlos Menem in den neunziger Jahren quasi alles, was der Staat zu bieten hatte: die Ölindustrie, Eisenbahn- und Fluggesellschaften sowie die Banken. Die Wasser-, Gas-, Strom- und Telefonversorgung wurden privatisiert. Vor allem spanische Unternehmer investierten in die abgehalfterten Betriebe. Diese Privatisierung, angereichert durch die landesübliche Korruption und eine Dollarbindung, die den Staat international konkurrenzunfähig machte, führten in die Auslandsverschuldung von heute 141 Milliarden Dollar.

Der Spielraum für Duhaldes Protektionismus ist jedoch gering. So will die Regierung die Preise für Wasser, Strom und Telefon auf Pesobasis einfrieren und kleinere Kredite in die einheimische Währung umwandeln. Damit sollen diejenigen geschützt werden, die ihre Autos, Farbfernseher oder Maschinen auf Dollaranleihe gekauft haben.

Doch solche Versuche, die heftigsten Folgen des anstehenden sozialen Massakers abzumildern, riefen das spanische Kapital auf den Plan. Noch vor der Debatte im Parlament intervenierte Spaniens Staatschef José Maria Aznar bei Duhalde. Zehn bis zwölf Milliarden würden allein den Banken flöten gehen, hieß es aus Madrid. Und der Ölkonzern Repsol monierte vorsorglich 8,5 Prozent Verluste für den Fall, dass Duhalde seine Sozialmaßnahmen mit einer Steuer für Erdölexporte unterstützen will.

Dass man in Buenos Aires dennoch an diesen Maßnahmen festhielt, die die Revolte eindämmen sollen, ging nicht ohne eingehende Konzessionen vonstatten. Für den Fall, dass es Probleme gebe, machte Aznar deutlich, müssten »wichtige europäische Investoren« - und dazu zählt inbesondere Deutschland - eben einen anderen Weg suchen. Vorab ließ er sich garantieren, dass Argentinien notfalls neue Schulden aufnehmen werde, um die Erdöl-Exportsteuern zu kompensieren.

Ob da der IWF mitmacht, steht auf einem anderen Blatt. Zwar finanzierte der Fonds in den Neunzigern munter Menems Liberalisierungs- und Verschuldungspolitik, im vergangenen Jahr aber verlangte er eine rigide Haushaltsführung, die letztlich zu den Eskalationen der letzten Monate führte. Auch hier wird sich Duhalde spätestens seit den Zurechtweisungen aus Madrid keine Hoffnungen machen. Hatte er noch Ende Dezember angekündigt, die Zahlungen an internationale Gläubiger vorerst einzustellen, so mochte er jetzt nur noch von der »Möglichkeit« reden, die Auslandsschulden »neu zu verhandeln«.