Fußballerische Entwicklungshilfe Deutschlands im Jemen

Elf Leistungsträger sollt ihr sein

Nicht ganz uneigennützig leisten das Auswärtige Amt, der Deutsche Fußball-Bund und die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit fußballerische Entwicklungshilfe im Jemen.

Dass Torsten Spittler mal Arabisch würde lernen müssen, hätte er nicht für möglich gehalten. Der 39jährige gebürtige Augsburger ist Fußballtrainer, und bis vor zwei Jahren lag sein Arbeitsplatz in Niederbayern. Seit dem vergangenen Jahr arbeitet er im Jemen.

Und das kam so: Seit seiner Jugend war Spittler begeisterter Fußballer. Er schaffte in Augsburg den Sprung in die höchste Amateurliga Bayerns und konnte mit dem Gekicke sogar sein Sportstudium finanzieren. Gleichzeitig begann er seine Trainerkarriere. Zunächst A-Jugendtrainer der Münchener Löwen, wurde er 1993 vom Bayerischen Fußballverband engagiert. Nach zwei Kurzeinsätzen bei DFB-Auswahlmannschaften bekam er 1999 zunächst die Gelegenheit, für vier Monate die Nationalelf Nepals zu traineren. Das Fernweh wurde geweckt.

»Ein Freund hat mir die Stelle vermittelt, da bin ich eher durch Zufall drangeraten. Es war für mich total beeindruckend. Alles war so neu und anders«, so Spittler über seine erste Auslandsstelle. Ein Jahr später wurde er Klubtrainer in Malaysia. Fasziniert von dieser Erfahrung, bewarb er sich beim DFB als Auslandstrainer, und so verschlug es den Diplomsportlehrer im April 2001 in den Jemen, wo er einen Job als Fußball-Entwicklungshelfer annahm. Für vier Jahre.

Der Jemen ist das ärmste Land der arabischen Halbinsel. Das bis vor zehn Jahren in den islamischen Norden und den sozialistisch geprägten Süden geteilte Land verfügt nur über wenig Erdöl, die Einwohner leben hauptsächlich von der Landwirtschaft. Die größte Fläche des Jemen macht allerdings die Wüste aus, fruchtbaren Boden findet man nur in wenigen bergigen Gebieten oberhalb von 1 300 Metern im Westen, wo jeder Quadratzentimeter urbar gemacht wurde. Der Lebensstandard der 17 Millionen Einwohner war schon immer sehr niedrig.

Die Situation verschlechterte sich noch einmal, als in den letzten Jahren zahlreiche Gastarbeiter als Folge der pro-irakischen Haltung des Jemen im zweiten Golfkrieg aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten zurückkehren mussten und die Arbeitslosenquote auf geschätzte 30 Prozent trieben. Geschätzt, weil die Arbeitslosigkeit verpönt ist. Arbeitslosen- oder Sozialhilfe vom Staat gibt es sowieso nicht.

Als es 1994 zum Bürgerkrieg der noch immer verfeindeten beiden Landeshälften kam, siegte der islamische Norden. Ein weiterer harter Schlag für die Wirtschaft des Landes, denn plötzlich konnten die Wirtschaftswege zum südlich gelegenen wichtigen Freihandelshafen Aden nicht benutzt werden, mühsam aufgebaute Industriebetriebe brachen zusammen.

Jeder einigermaßen logisch denkende Mensch fragt sich da natürlich, was dieses Land ausgerechnet mit Fußball-Entwicklungshilfe anfangen soll. »Im Jemen gibt es unglaublich viele Kinder. Und die besitzen nichts, wissen den ganzen Tag nicht, was sie tun sollen. Ihnen im Sport ein neues Betätigungsfeld zu verschaffen, halte ich tatsächlich für sinnvoll«, meint Angelika Weyerhorst-Janaki, die bis vor zwei Jahren im Jemen als Lehrerin beschäftigt war.

Diese These vertritt auch Doris Popp von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): »Neben den wirtschaftlichen Hilfsprojekten wollen wir mit einem Sportprojekt vor allem den Kindern des Landes neue Perspektiven bieten. So etwas kann ein Land ungemein stärken.« Die GTZ ist neben dem deutschen Auswärtigen Amt, das sich an der Finanzierung beteiligt, und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), der Ausrüstung und Know-How stellt, ein Träger des Projekts.

Fußball ist auch im Jemen ein Volkssport. »Auf allen Straßen und Plätzen kicken die Jungs, aber niemand lenkt dieses Potenzial in geordnete, leistungsorientierte Strukturen«, berichtet Torsten Spittler. So existieren in den 21 jemenitischen Provinzen derzeit 176 Fußballteams. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund 27 000 Teams gemeldet. Von den 16 jemenitischen Erstligaklubs, in denen Semiprofis aktiv sind, verfügt lediglich eine Hand voll über eine kleine Jugendabteilung.

Die aber bestreiten nur hin und wieder Freundschaftsspiele, einen organisierten Spielbetrieb mit Toren, Punkten, Meisterschaft gibt es nicht. »Talente werden hier rein zufällig entdeckt und dann gleich in eine Profimannschaft übernommen. So kann eine Sportart nicht zum Volkssport werden«, meint Torsten Spittler.

Daran soll der deutsche Experte von der Hauptstadt Sanaa aus arbeiten. Doch die Bilanz seines ersten halben Jahres fällt, wenn auch für Entwicklungshelfer nicht untypisch, ernüchternd aus: »Die Leute sind ja freundlich und zuvorkommend. Aber es dauert alles so furchtbar lange. Einen Großteil meiner bisherigen Zeit habe ich allein damit verbracht, herauszubekommen, wie der Fußball im Land strukturiert ist. Selbst angepackt habe ich noch nichts. Das ist nicht gerade sehr befriedigend.«

Dennoch wird der Deutsche weitermachen. Obwohl das Auswärtige Amt seit dem letzten Herbst nachdrücklich vor Reisen in den Jemen warnt, hat Spittler bisher keine neuen Gefahren ausmachen können. »Nach dem 11. September sind hier die Sicherheitskontrollen verschärft worden. Aber an der freundlichen Stimmung im Land gegenüber Ausländern hat sich nichts geändert. Die Menschen sind weiterhin ausgesprochen herzlich zu mir und ich fühle mich absolut sicher.«

Ganz so optimistisch sieht die jemenitische Regierung die Sicherheitslage allerdings nicht. Nachdem im vergangenen November zunächst ein Mitarbeiter der deutschen Botschaft für zehn Tage und Anfang Dezember erneut ein Deutscher in der Hautstadt Sanaa gekidnappt wurden, verstärkte sie in der Hoffnung auf Abschreckung die Polizeipräsenz an markanten Punkten im Land. »Es sind eben eine Hand voll Verrückter unterwegs, und denen sollte man nicht in die Hände fallen, so sehe ich das«, meint Torsten Spittler pragmatisch.

Der deutsche Fußballlehrer wird also bleiben und der nötigen Unterstützung aus Deutschland sicher sein. Für den DFB haben solcherlei Hilfen schließlich immer ihren Wert, was sich zuletzt bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 gezeigt hat. Nur wegen der großzügigen Entwicklungshilfe konnte Franz Beckenbauer genügend Länderstimmen sammeln, um die WM nach Deutschland zu holen.

Spittlers Vorgänger, die seit fast 30 Jahren in die ganze Welt geschickt werden, sind internationale Größen: der Fußball-Globetrotter Rudi Gutendorf war in unzähligen Ländern, der Fernsehreporter Holger Obermann machte sich über 15 Jahre hinweg mit seiner Fußball-Basisarbeit

in ganz Asien berühmt. Ähnliche Projekte wie das im Jemen gibt es momentan in Südafrika, Botswana, Kenia, Uganda und auf den Philippinen.

Die GTZ arbeitet im Auftrag der Bundesregierung mit den klassischen »Entwicklungsländern« in Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen. Die Auswahl der Länder, die die Leistungen der GTZ in Anspruch nehmen können, trifft dabei das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Sie erfolgt vorwiegend unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit. Dabei werden Kriterien wie das Bruttoinlandsprodukt oder andere wirtschaftliche und soziale Merkmale zugrunde gelegt.

Vom Jemen werden diese Merkmale klassisch erfüllt. Mit einem Bruttosozialprodukt von 320 Dollar pro Kopf gehört die jemenitische Bevölkerung zu den ärmsten der Welt. Daher genießt das Land bereits seit rund 30 Jahren Entwicklungshilfe aus Deutschland. Bisher gab es Projekte in den Bereichen Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, Gesundheit/Familienplanung, Berufsbildung und Regierungsberatung. Jetzt ist der Fußball dazugekommen.

Spittler wird in den nächsten Wochen und Monaten zunächst versuchen, in den Schulen für einen regelmäßigen Fußballbetrieb zu sorgen, gleichzeitig will er gemeinsam mit den Vertretern der Profi- und Amateurteams versuchen, Jugendmannschaften und -ligen zu gründen. »Das größte Problem ist, dass die Klubs wegen der Armut kaum Spielgeräte haben«, so Spittler, der vom DFB zwar viele Bälle, Trikots, Schuhe und Tore bekommen hat.

Das reicht aber noch lange nicht, darum möchte Spittler bald eine Spendenaktion ins Leben rufen. »Vielleicht gibt es in Deutschland ja Klubs, die gebrauchte Trikots und Schuhe spenden.«