Angriffe von Neonazis auf eine antifaschistische Wanderausstellung

Feinde willkommen

Seit über einem Jahr tourt die Wanderausstellung »Neofaschimus in der Bundesrepublik« durch Deutschland, begleitet von Protesten Rechtsextremer.

Die Rechten hatten sich in Ludwigslust groß angekündigt. Denn seit dem 4. Januar 2002 gastiert die Ausstellung »Neofaschismus in der Bundesrepublik« in der mecklenburgischen Stadt. Für alte und junge Nazis ist die Schau die Provaktion schlechthin.

So warnt das Aktionsbüro Norddeutschland der Freien Kameradschaften schon seit Wochen im Internet: »Vorsicht Menschenjagd« und ruft die Kameraden auf, »nicht tatenlos zuzusehen«. Doch entgegen den vollmundigen Ankündigungen marschierten am vergangenen Samstag nur wenige militante Kameraden gegen die von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) organisierte Ausstellung auf. Ganze acht Glatzköpfe folgten dem Kreisvorsitzenden der NPD, Stefan Köster, und dem Anführer der Kameradschaft Ludwigslust 88, Klaus Bärthel, um über die »Hetzausstellung gegen nationale Menschen« »aufzuklären«.

Schon zur offiziellen Eröffnung der Wanderausstellung, die über Strukturen, Personen und Ideologien des Neofaschismus in der Bundesrepublik informieren will, war die Kameradschaft Ludwigslust 88 angerückt. Aber nur Bärthel, dessen Wolf-Verlag das Neonazimagazin Zentralorgan vertreibt, und seine Frau Annemarie konnten der Veranstaltung im Ludwigsluster Zentrum für Bildung, Erholung und Freizeit (zebef) beiwohnen. Bärthels Kameraden, die eng mit den Norddeutschen Freien Nationalisten zwischen Hamburg und Rostock zusammenarbeiten, kamen zu spät und wurden vor der Tür abgefangen.

Dass den Rechten der Zutritt verwehrt wurde, war nicht ganz im Sinne des zebef-Vereinsvorsitzenden Reinhard Mach. »Die Ausstellung soll informieren und zum Nachdenken anregen«, erklärte er bei der Begrüßung und betonte, sie sei »für alle offen«. Auch für die »Feinde der Demokratie«.

Besucher der Ausstellung hatten sich hingegen schon vor Beginn der Eröffnungsveranstaltung über die Anwesenheit Bärthels beschwert und dessen Rauswurf gefordert. Schließlich sei er nicht nur ein »unbekehrbarer älterer Neonazi«, sondern publiziere überdies in dem bundesweit erscheinenden Zentralorgan Anti-Antifa-Hinweise. »Wir alle wissen, wer Herr Bärthel ist«, erwiderte Mach und erlaubte dem wegen Volksverhetzung Vorbestraften zu bleiben.

Die Vertreter der neu gegründeten Initiative »Schüler gegen Rechts« trauten sich dennoch nicht, ihre geplanten Aktionen unter dem Motto »Kreativ statt Rechts« vorzustellen; sie befürchteten, ihre Namen demnächst auf der Homepage des Aktionsbüros Norddeutschland zu finden. Nicht ohne Grund.

Immerhin hat der Webmaster des Aktionsbüros, Tobias Thiessen aus Hamburg, schon Ende Dezember des vergangenen Jahres eine Sonderseite eingerichtet, auf der nicht nur über die »Lügenpropaganda« und »Umerziehungsmethoden« der »ewiggestrigen Hetzer« gewettert wird, sondern auch die Namen von Organisatoren und Referenten des Begleitprogramms veröffentlicht sind. Diese sollten selbst »Gegenstand einer Ausstellung« werden, heißt es dort.

Zudem schlägt Thiessen seinen Gesinnungsbrüdern vor, die Begleitveranstaltungen zu besuchen, um das »'Antifa-Training' auf seine 'Standhaftigkeit' zu prüfen«. Tatsächlich meldeten sich dann auch Bärthel und Köster zu den Seminaren über »Argumentationen gegen rechts«, »regionale Strukturen« und »Strategien gegen Rechtsextremismus« per Fax an. Und via Fax wurden sie auch postwendend wieder ausgeladen.

»Wir wollten den Herren kein Forum für ihre Propaganda geben«, begründet die zebef-Projektleiterin Katrin Schulz die Entscheidung. Schließlich hätten Neonazikader bei einem »kritischen Dialog« noch nie ihre Positionen reflektiert, sondern sie immer nur propagiert. Die angekündigten Störaktionen hätten ohnehin keinen Zweifel über deren Absichten aufkommen lassen. Schulz betont, dass Neonazis, die beim Ausstellungsbesuch stören oder die Besucher belästigen, sofort das Haus verlassen müssten. »Toleranz heißt auch, Grenzen zu zeigen.«

Die Wanderausstellung, deren Konzeption mit Unterstützung der Gewerkschaft IG-Metall und dem Antifamagazin Der Rechte Rand erarbeitet wurde, tourt seit über einem Jahr durch ost- und westdeutsche Städte. »Vor allem Schulen und Jugendzentren haben die Ausstellung angefordert«, berichtet Klaus Harbart, der Bundessekretär der VVN-BdA, und »sie ist weit im Voraus ausgebucht«. Wegen der großen Nachfrage sind mittlerweile acht Ausgaben der 27 Tafeln umfassenden Dokumentation hergestellt worden.

»Einige 10 000 Besucher haben die Ausstellung mittlerweile gesehen«, erzählt Harbart, »die jenseits der Totalitarismustheorie über Neonazismus informiert und auch den Rassismus und Autoritarismus in der Mitte der Gesellschaft thematisiert.« Hin und wieder hätten Neonazis versucht, gegen die Ausstellung zu intervenieren. Im sachsen-anhaltinischen Wolfen forderte die Deutsche Volksunion (DVU), die dort 1998 bei den Landtagswahlen 17,4 Prozent bekam, ihre Schließung. Der DVU-Kreisvorsitzende Andreas Karl fühlte sich verleumdet, scheiterte aber mit seiner Forderung an der Schulaufsichtsbehörde.

Aber so propagandistisch wie in Ludwigslust, so sieht es Harbart, sei die Ausstellung noch nie von Neonazis angegriffen worden. Und nicht nur Neonazis missfällt die Schau. So weigerte sich der CDU-Bürgermeister von Eschweiler, die Ausstellung im Rathaus zu zeigen, was von den Neonazis im störtebecker-netz wohlwollend kommentiert wurde.

Stattdessen konnte sie dann aber in einer Kirchengemeinde in der nordrhein-westfälischen Stadt gezeigt werden. Mit großem Erfolg. Wie auch in Ludwigslust. Dort haben »viele Schulklassen die Ausstellung bereits gesehen«, erzählt Katrin Schulz, und auch die Veranstaltungen des Begleitprogrammes seien bislang »sehr gut besucht« worden. Sehr zum Ärger ihrer rechten Gegner.