Nach Merkels Verzicht auf die Kanzlerkandidatur

Stopft Stoiber!

»Wer Stammtische diffamiert, der diffamiert die Bevölkerung«, lautet das Motto des frisch gekürten Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber. Es lässt erahnen, wie sein jetzt beginnender Wahlkampf aussehen wird. Schon in den achtziger Jahren kämpfte Stoiber vor allem an einer Front: gegen das Grundrecht auf Asyl. Dass nach den unzähligen rassistischen Übergriffen nach der Wiedervereinigung das Asylrecht 1993 geändert wurde, konnte er als einen persönlichen Erfolg verbuchen.

Aber Stoibers Feinde waren nicht nur die Asylbewerber, er keifte auch immer wieder gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. »Das Zuwanderungsgesetz muss ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz sein«, wurde er nicht müde zu fordern. So sehr kann Bundesinnenminister Otto Schily die Zuwanderung gar nicht begrenzen, dass Stoiber einer Gesetzesnovelle zustimmen würde. Schon Stoibers Kanzlerkandidatur bewirkt einen weiteren Rechtsruck in der Republik. Noch rauere Zeiten für Asylbewerber und hier lebende Ausländer stehen bevor.

Stoiber wird auf die rassistischen Sprüche, die zu seinem Markenzeichen geworden sind, im Wahlkampf weitgehend verzichten. »Die durchrasste und durchmischte Gesellschaft ist eine Gefahr für Deutschland«, wird er in den kommenden Monaten nicht von den Bühnen brüllen. Er wird moderatere Töne anschlagen, sich staatsmännisch geben und seine angebliche Wirtschaftskompetenz herausstellen. Aber es genügt ein Augenzwinkern, und das Publikum weiß Bescheid.

Stoiber wird die Wähler im Süden Deutschlands, die Baden-Württemberger und die Bayern, für sich gewinnen, auch in den ausländerfeindlichen Regionen im Osten wird er punkten. Zwischen Pirna und Koblenz, Garmisch und Stuttgart dürfte er abräumen. Da er glatter und preußischer wirkt als sein Ziehvater Franz Josef Strauß, besteht die Gefahr, dass es ihm gelingt, auch im Norden und Westen der Republik Wähler zu überzeugen und in die politische Mitte vorzudringen.

Andererseits könnte es durch die Polarisierung, die seine Person bewirkt, der SPD und den Grünen leichter fallen, ihre Stammwählerschaft zu mobilisieren, so katastrophal die Bilanz der Bundesregierung auch ausfällt. Zwei Kriege in vier Jahren geführt, gegen die Arbeitslosigkeit nichts erreicht, den Sozialabbau vorangetrieben und die Rente demontiert.

Würde Angela Merkel kandidieren, bliebe der eine oder andere Wähler der SPD oder der Grünen am 22. September zu Hause. Einen Kanzler Stoiber aber will diese Klientel auf keinen Fall sehen. Seinen Wolfratshausener Zungenschlag will man in der Berliner Republik nicht hören. Lieber einen Kriegskanzler mit Havanna im Maul als einen Kriegskanzler mit Kamillentee im Maßkrug. Viele werden wieder einmal das kleinere Übel wählen.

Und zwar zu Recht. Stoiber als Bundeskanzler wäre der politische Gau. Wer ernsthaft glaubt, es sei letztlich egal, wer regiere, oder eine Kanzlerschaft Stoibers stärke die Linke und den Widerstand, wird ein böses Erwachen erleben. Stoiber würde etwa die von Rot-Grün erlassenen Sicherheitsgesetze in einem Maße für sich ausnutzen, das man sich nicht mal im Traum vorstellen mag. Denn Stoiber ist Schill und Koch in einer Person.

Und nicht nur die innenpolitische Lage würde sich verschlechtern. Die Wahl Stoibers hätte einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Europäischen Union. Das Trio der Europafeinde, Stoiber in Deutschland, Haider in Österreich und Berlusconi in Italien, könnte der Gemeinschaft einen deutlichen Kurswechsel verpassen. Das Europa der Regionen und der Vaterländer wäre kaum noch aufzuhalten. »Europa muss Heimat sein«, meint Edmund Stoiber. Und Stoibers Heimat muss Bayern bleiben.