Fußballstatistik

Die Daten sind rund

Welche Mannschaft gewann den ersten Mitropa-Cup? Mindestens 90 Prozent jener Fußballfans, die sich für historisch gebildet halten, dürften an dieser Frage scheitern und werden sich verzweifelt fragen, was, verdammt, der Mitropa-Cup eigentlich ist oder war: Vielleicht die Betriebsfußballmeisterschaft der deutschen Speisewagenmitarbeiter?

Um gelassen auf derart existenzielle Fragen reagieren zu können, muss man regelmäßig lesen, was ein exklusiver Zirkel namens International Federation of Football History & Statistics (IFFHS) veröffentlicht. Die 200 Mitglieder der 1984 in Leipzig gegründeten Organisation haben sich der »chronologischen Dokumentation des internationalen Fußballs auf wissenschaftlicher Basis« verschrieben.

In einer Ausgabe des Vierteljahresmagazins Libero, das wie sämtliche Publikationen der IFFHS nur per Mailorder erhältlich ist, erläutern die Fußballforscher nun, was es mit dem Mitropa-Cup auf sich hat. Zwischen 1927 und 1940 nahmen daran die stärksten Mannschaften Österreichs, Ungarns, Italiens und der Tschechoslowakei teil. Der praktisch vergessene Wettbewerb ist ein Vorläufer der in den fünfziger Jahren eingeführten Europacup-Wettbewerbe.

Geleitet wird die deutsche Filiale in Wiesbaden vom Mediziner Alfredo W. Pöge. Seit der Gründung der IFFHS steht der 61jährige, der Abteilungsleiter an der Uniklinik Leipzig war, bis er 1984 »von Erich Honecker zur Persona non grata erklärt wurde«, dem 20köpfigen Exekutivkomitee vor. »Wir leisten Arbeit, die kein Sportjournalist leisten kann«, sagt Pöge, wobei die Art, wie er »Sportjournalist« ausspricht, darauf schließen lässt, dass er viele Angehörige dieser Berufsgruppe für Hallodris hält, die es mit Daten und Fakten nicht so genau nehmen.

Der oberste Fußballhistoriker hantiert gern mit Formulierungen wie »methodisch recherchiert«, wohl um den Eindruck zu zerstreuen, man widme sich einem allzu obskuren Forschungsgebiet.

Dabei erfordert die Verdatenbankung der Fußball-Historie einen gewissen Langmut. Zwei Jahre dauerte die Aufarbeitung der olympischen Fußballturniere von 1908 bis 1936. Die beiden daraus entstandenen Bücher - jeweils 200 Seiten stark, mit kurzen Texten zu den Partien sowie Informationen über alle Spieler - verkauft die IFFHS nun für 45 Mark pro Stück.

Am ambitioniertesten mutet die Buchreihe zur Geschichte der A-Länderspiele an. »Daran arbeiten wir seit zehn Jahren«, sagt Pöge. »Wir haben jetzt 90 Prozent aller A-Länderspiele analysiert, die bis 1940 stattgefunden haben, die restlichen zehn Prozent werden uns noch zwei Jahre beschäftigen.« Bei solchen »Analysen« stellt sich dann auch mal heraus, »dass wir zahlreichen Begegnungen den A-Länderspielstatus aberkennen mussten«. Zum Beispiel wenn in der Mannschaft der Philippinen Spanier standen, Angehörige jenes Staates, der das Land jahrhundertelang kolonisiert hatte.

Vergleichsweise einfach ist es dagegen, die Spielerranglisten zu erstellen, die die Historikervereinigung auch unter www.iffhs.de veröffentlicht. Es sind meistens umständlich betitelte Charts, etwa die »der Erst-Liga-Torhüter der Welt aller Zeiten, die am längsten ohne Gegentor blieben«. Auf Platz eins steht derzeit der Belgier Dany Verlinden (1 390 Minuten).

Den ersten Mitropa-Cup gewann übrigens Sparta Prag, das sich in zwei Endspielen gegen Rapid Wien durchsetzte, den heutigen Club von Lothar Matthäus.