US-Kultur in der DDR

Tabu und Begehren

Im Schaufenster des Brecht-Hauses an der Chausseestraße in Berlin leuchtet eine weiße Mickey-Mouse-Hand auf knallrotem Grund und drückt eine kräftige, gelbe Arbeiterhand. Das Logo wirbt für die Konferenz »Jeans, Rock und Vietnam«, und es geht um das äußerst ergiebige Thema »amerikanische Kultur in der DDR«. An vier Abenden versuchte man im Literaturforum zu klären, wie das sozialistische Land auf die US-amerikanische Kultur reagierte.

Die USA lösten nach 1945 den Faschismus als Feindbild ab. Zumindest die offizielle DDR verpönte die amerikanische Kultur, den Jazz, die Petticoats, Niethosen, Texashemden und Schuhe mit Kreppsohlen nach Kräften. Und weckte damit erst recht Begehrlichkeiten. An den Schulen fanden so genannte »Schund- und Schmutzkontrollen« statt, bei denen Mickey-Mouse-Hefte konfisziert wurden. Verbleib unklar.

Um einiges schwieriger war es, die Bürger zu korrekten Fernsehzuschauern zu machen. Amerikanische Serien wie »Bonanza« und in den achtziger Jahren »Dallas« waren echte Blockbuster. Rainer Schnoor erinnert sich an Dienstagabende, an denen um halb elf ganze Neubaugebiete gleichzeitig die Lichter löschten. »Dallas« war zu Ende.

Es musste nicht immer das Original sein. 1983 zum Beispiel kreierte die Rockband Pankow ihren Song »Rock'n'Roll im Stadtpark«. Dazu erklärte der Musikexperte Peter Wicke, dass der Stadtpark das ideale Terrain für das DDR-Jungvolk gewesen sei. Für Fahrzeuge unzugänglich, mussten die Mitarbeiter der Behörden und Kulturämter weite Wege auf sich nehmen, wollten sie etwas zur Bekehrung der Jugend unternehmen. Die DDR hatte auch ein eigenes, außerhalb ihrer Staatsgrenzen allerdings völlig unbekanntes Woodstock. 1971 lagerten auf einer Festwiese von Crimmitschau Tausende Jeansträger und sangen amerikanische Lieder.

Ein eigener Block der Konferenz war der Darstellung des Amerikanischen in Theater, Film und Fernsehen gewidmet. Benno Besson ließ 1964 am DT den Lanzelot seiner »Drachen«-Inszenierung als Westernhelden auftreten. Das war nicht nur ein unfreundliches Statement zur amerikanischen Kultur, vielmehr ging es gegen »DDR-Leute, die sich demütigen und erniedrigen ließen«, so der Theaterwissenschaftler Joachim Fiebach.

Dann die Jeans-Krise: Erich Honecker versuchte, sie zu bewältigen, indem er für eine Million D-Mark Originaljeans aus Westdeutschland einkaufte, die kontingentiert über Betriebe verteilt wurden. Mitte der siebziger Jahre begann dann die eigene Produktion von Jeans, und zwar mit westdeutschen Maschinen zum Nähen der Doppelkappnaht.

Für ihre Forschungen über »Jeans in Defa-Filmen« sah Karen Kramer sich so viele Filme an, dass sie fast blind wurde. Ihre Sichtung ergab, dass in »Berlin um die Ecke« erstmals eine Jeans deutlich gezeigt wurde. Das war 1965. Später formulierte Ulrich Plenzdorf in »Die neuen Leiden des jungen W.« das Credo einer Generation: »Jeans sind eine Einstellung und keine Hose.« Kramer meint, dass die DDR als das Jeans tragende Land an sich gesehen werden müsse.