Rüstungsprojekte und Armut in Deutschland

Airbus statt Schulbus

Es nimmt einem den Atem, wie rasant sich diese Bundesregierung von letzten sozialen Gewissensbissen verabschiedet. Zwei Vorkommnisse der vergangenen Woche machen das deutlich. Da präsentierte Familienministerin Christine Bergmann (SPD) am 30. Januar einen Kinder- und Jugendbericht, in dem festgestellt wird, dass von den 2,8 Millionen Sozialhilfeempfängern in diesem Land mehr als eine Millionen Kinder sind. Insgesamt lebt jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut.

Mehr Kindergeld soll es deswegen nicht geben, aber mehr Kindergärten, damit Eltern vor allem kinderreicher Familien die Möglichkeit haben, sich einen Job zu suchen. Bei über vier Millionen Arbeitslosen eine zynische Theorie. Die Kommunen, die die »flächendeckenden Betreuungsmöglichkeiten« schaffen sollen, winkten einen Tag später ab. Sie hätten kein Geld, das seien »familienpolitische Träumereien« der Regierung. Bleiben die Armen eben arm.

Gleichzeitig wurde um die Anschaffung von 73 Airbus Militärtransportern A 400 M gestritten. Allerdings mit mehr persönlichem Engagement. Bis vor das Bundesverfassungsgericht zerrten die Union und die FDP Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). Wobei das Wort »Streit« den Sachverhalt nicht trifft. Schließlich sind sich die Kontrahenten im Prinzip einig, die 73 Militärmaschinen sollen gekauft werden. Auch über den Preis von immerhin 8,6 Milliarden Euro wird nicht diskutiert. Es ging lediglich ums Prozedere im Parlament.

Mit den Stimmen der SPD und der Grünen war am 24. Januar die Entscheidung der Bundesregierung abgesegnet worden, 73 Maschinen anzuschaffen. Der Haushaltsausschuss wollte für 2002 allerdings nur 5,1 Milliarden Euro bewilligen. Die restlichen 3,5 Milliarden sollten im Jahr 2003 zur Verfügung gestellt werden, von einer Regierung, die es erst zu wählen gilt. Die Union verlangte deshalb einen Nachtragshaushalt, eine höhere Verschuldung und die Darlegung aller Fakten zur Finanzierung. In der eilig anberaumten Verhandlung in Karlsruhe meinte Gerichtspräsidentin Jutta Limbach konsterniert: »Meine Herren, ich frage mich, worüber Sie hier eigentlich ernsthaft streiten.«

Scharping hatte zuvor eingeräumt, dass die Entscheidung vom 24. Januar lediglich ein »politisches Signal« ohne rechtliche Bindung sei. Bei der nächsten Abstimmung kann er sich der Stimmen der rechten Opposition sicher sein. Allein die PDS lehnt das gesamte Beschaffungsprojekt ab. Nicht aus haushaltstechnischen Gründen, sondern weil sich mit diesem neben dem Eurofighter größten europäischen Rüstungsprojekt ein militärischer Größenwahn ausdrückt.

Oberflächlich betrachtet, werden 83 Transall-Maschinen ab 2008 durch 73 Airbus-Transporter ersetzt. Eine schlichte Modernisierung, könnte man meinen. Da der A 400 M allerdings 37 Tonnen Waffen und Material transportieren kann, wird die Lufttransportleistung vervierfacht. Auch die Reichweite der neuen Flugzeuge wird auf 4 500 Kilometer gesteigert. Mit der Möglichkeit, die Maschinen während des Fluges aufzutanken, kann die Bundeswehr bald viel unkomplizierter global agieren. Darum ist das Projekt für Scharping auch ein wesentlicher Bestandteil seiner so genannten Bundeswehrreform.

Schon aber munkeln Lobbyisten, dass wegen der Anschaffung des Militärtransporters Verzögerungen bei laufenden Rüstungsprojekten drohen. Schließlich müssten für den Eurofighter, die Kampfhubschrauber Tiger und NH 90 sowie den Airbus pro Jahr bis zu 3,2 Milliarden Euro an die Rüstungsindustrie fließen. Schon ist ein »Loch« von 400 Millionen Euro errechnet. Da kann es nur eine Lösung geben: die Verteidigungsausgaben aufzustocken. Für den rot-grünen Rüstungswahn könnte bald jedes vierte Kind in Armut leben.