Wahlkampfthema Zuwanderung

Red Hot Schily Papers

Die rot-grüne Regierung hat es nicht geschafft, ein Zuwanderungsgesetz zu verabschieden. Jetzt wird es zum Wahlkampfthema.

Ob man es wahrhaben will oder nicht, die rot-grüne Bundesregierung hat etwas bewegt in den vergangenen dreieinhalb Jahren. Heute geht es um die Nützlichkeit der ImmigrantInnen für den Wirtschaftsstandort Deutschland ohne viel volkstümliches Tamtam. Die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft verhindert das Aussterben der Deutschen, die GastarbeiterInnen mit der Greencard bewahren das Land davor, ins technologische Aus zu geraten und sind sowohl günstiger zu haben als auch einfacher loszuwerden als einheimische IT-Kräfte. Und der in Anbetracht sich häufender Anschläge auf Synagogen notwendig gewordene staatliche »Antifaschismus« rettete das Ansehen Deutschlands in der Welt. Der Paradigmenwechsel unter Rot-Grün hat zwar zu keiner Verbesserung der Situation hier lebender MigrantInnen geführt, aber er hat zweifellos stattgefunden. Nur zu einem Zuwanderungsgesetz hat es bisher nicht gereicht.

Vor der Entscheidung der so genannten K-Frage innerhalb der CDU/CSU schienen die Differenzen zwischen der Union und der Bundesregierung in dieser Frage gering zu sein. Mit der Bestimmung des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) zum Kanzlerkandidaten wird es jedoch komplizierter. Bei allem Interesse für den flauen Arbeitsmarkt und die Wirtschaftspolitik dürfte auch die Einwanderung zum Wahlkampfthema werden. Denn der rot-grüne Gesetzesentwurf findet nun bei der Union keine Zustimmung mehr. Stoiber erklärte, dass er nur einen Entwurf der Union für akzeptabel hält.

Am 24. Januar lud Bundesinnenminister Otto Schily zu einem ersten Spitzengespräch aller Fraktionen außer der PDS. Dort präsentierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Wolfgang Bosbach, die Änderungsforderungen der CDU in einem 16-Punkte-Katalog. Bosbach zeigte sich nicht verhandlungsbereit. Auch ein weiteres Gespräch am 29. Januar brachte keinerlei Annäherung, obwohl die SPD und die Grünen an einer Einigung mit der Union interessiert sind, weil sie im Bundesrat über keine eigene Mehrheit verfügen und auf die Zustimmung zumindest einiger CDU-regierter Länder angewiesen sind.

Aber die Geduld scheint auch ihre Grenzen zu haben. »Wer uns die Richtung des Gesetzesentwurfs aufdrücken will, wird unsere Stimmen verlieren«, sagte der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, der Jungle World. Doch wer glaubt es ihm? Denn gegenwärtig sind Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Bremens Innensenator Kuno Böse (CDU) Schilys große Hoffnung. In beiden Ländern regiert eine Koalition aus der SPD und der CDU. Sollten die dortigen Fraktionen der CDU dem Gesetzesentwurf zustimmen, verschafften sie der Regierung im Bundesrat eine Mehrheit.

Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die von SPD/PDS-Koalitionen regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ebenfalls zustimmen und sich nicht der Stimme enthalten. Denn eine Stimmenthaltung im Bundesrat wirkt sich wie ein Nein aus. Die Grünen fordern deshalb eine Einbeziehung der PDS in die Gespräche.

Am vergangenen Freitag fand schon ein Gespräch zwischen PDS- und SPD-PolitikerInnen statt. »Die wollen uns moralisch unter Druck setzten«, sagte die innenpolitische Sprecherin der PDS, Ulla Jelpke, der Jungle World. »Schily hat bereits gesagt, dass er auf die Forderungen der PDS nicht eingehen kann, um die Stimmen der CDU nicht zu verlieren. Alles sieht danach aus, dass das Gesetz scheitern wird.«

Tatsächlich sind Forderungen der PDS, wie etwa die Heraufsetzung des Nachzugsalters auf 18 Jahre oder die Lockerung der Residenzpflicht, von den Vorstellungen der SPD weiter entfernt als die Forderungen der CDU. Deshalb sei der Blockadeversuch der PDS aussichtslos, meint Jelpke.

In der Union fürchtet man sich dagegen vor der Unberechenbarkeit der eigenen Leute. Nichts könnte blamabler sein, als - ähnlich wie bei der Abstimmung über die Steuerreform - im Bundesrat wegen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen ein Projekt der Bundespartei scheitern sehen zu müssen. Allzu wahrscheinlich ist ein solcher Alleingang allerdings nicht. Die Brandenburger CDU wird da wohl kaum etwas anbrennen lassen, schließlich ist Jörg Schönbohm ein innenpolitischer Berater Edmund Stoibers. Um die Spannung zu steigern, hat Schönbohm der SPD trotzdem ein Vierpunkteprogramm vorgelegt, an dessen Erfüllung er seine Zustimmung knüpft.

Aller Voraussicht nach wird das Gesetz jedoch scheitern und die CDU im Wahlkampf die Zuwanderung thematisieren. Fraglich ist, ob sie sich damit einen Gefallen tut. Die 16 Forderungen der Union scheinen alles andere als wahlkampftauglich. Es findet sich kein Punkt, der nicht mit Schily verhandelbar wäre. Sicher lässt er mit sich darüber reden, das Nachzugsalter von 14 auf zehn Jahre herabzusetzen oder die Kosten für Integrationsmaßnahmen umzuverteilen. Selbst die Forderung, die Zuwanderungsbegrenzung als Ziel des Gesetzes festzuschreiben, sodass die Behörden in allen Zweifelsfällen in diesem Sinne entscheiden müssten, könnte mit einem Kompromiss auf die Formel der »Steuerung und Begrenzung« von Zuwanderung gebracht werden.

Und die Anerkennung der Gründe geschlechtsspezifischer und nicht staatlicher Verfolgung? Auch hier dürfte die SPD nachgeben. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) verkündete am Freitag vergangener Woche bereits, er könne es nicht akzeptieren, dass nicht staatliche Verfolgung als Asylgrund anerkannt werde.

Schilys Gesetzesentwurf und die rot-grüne Migrationspolitik lassen der CDU kaum eine Möglichkeit, ihr eigenes Profil zu schärfen. Da bliebe allenfalls noch eine Rückbesinnung auf völkische Argumentationsmuster. Aber nicht einmal der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) erwägt sie. Seine berühmt gewordene Unterscheidung zwischen Ausländern, die uns nützen, und Ausländern, die uns ausnutzen, bezeugte die Ankunft der CDU/CSU im modernisierten rassistischen Diskurs.

Das Thema »nützliche Ausländer« aber hat die Koalition schon besetzt. Sie hat deshalb bei ihrem Gesetzesvorhaben die volle Zustimmung der Gewerkschaften und der Wirtschaftsverbände. Will die CDU die Wahl gewinnen, muss sie auf die Wechselwähler setzen, jene Menschen, die sich alle vier Jahre neu zwischen SPD und CDU entscheiden, auf die gesellschaftliche Mitte also. Ob diese Leute eine Partei wählen, die außer der Zuwanderung kein Thema hat, ist fraglich. Schon der CDU-Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, ist bei der Landtagswahl 2000 mit seiner Kampagne »Kinder statt Inder« gescheitert. Er musste sich später sogar entschuldigen.

Ein Wahlkampf, der sich nur »gegen Einwanderung« richtet, ist keine Garantie für einen Sieg. Ein bisschen Wirtschaftskompetenz muss schon demonstriert, ein paar Versprechen müssen gemacht werden. Daneben ist dann auch wieder Platz für eine Prise Rassismus.