Rechte Unterstützer Milosevics in Frankreich und Belgien

Querfront für Slobo

In Frankreich und Belgien sehen Nationalrevolutionäre im Milosevic-Prozess eine Chance, Unterstützung für eine antiwestliche Sammlungsbewegung zu gewinnen.

Wenn am kommenden Samstag in Berlin ein internationales Symposium zum Milosevic-Prozess stattfindet, dann sollten Linke sorgfältig darauf achten, mit wem sie sich auf ein Gespräch einlassen. Auf Einladung des PDS-Bezirksverbandes Tempelhof und Schöneberg soll über den »Fall Milosevic« debattiert werden, organisiert wird die Tagung von der deutschsprachigen Sektion des ICDSM (International Committee to Defend Slobodan Milosevic), einer Organisation, der auch Personen mit Beziehungen zur extremen Rechten angehören, die ein nationalrevolutionäres Bündnis von Sozialisten und Nationalisten propagieren.

In Frankreich hat der Journalist und Politologe Jean-Yves Camus, der mehrere Bücher über die extreme Rechte des Landes verfasste, Ende Januar in der jüdischen Wochenzeitung Actualité juive vor den Umtrieben der französischsprachigen Sektion des internationalen Komitees gewarnt. Camus war 1999 ein Gegner des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien, er schätzt auch nicht die einseitige und anmaßende Art, in der die westlichen Großmächte jetzt über manche der Akteure des jugoslawischen Bürgerkriegs zu Gericht sitzen. Doch er warnt vor den Umtrieben einer nationalrevolutionären Kleinpartei, die die Kontrolle über die französischsprachige Sektion des ICDSM an sich gerissen hat.

Das von jugoslawischen Emigranten in den USA gegründete Komitee hat mittlerweile Sektionen in zahlreichen Staaten aufgebaut. Sie sind nicht nach Ländern, sondern nach Sprachen gegliedert, so ist die frankophone Abteilung für Frankreich sowie einen Teil Belgiens und der Schweiz zuständig. Die Sektionen sind politisch heterogen, die israelische KP hat ihre Unterstützung des ICDSM erklärt, vertreten sind aber auch die russischen Nationalkommunisten unter Gennadi Sjuganow.

»Mit der englischsprachigen Sektion hätte ich kaum politische Probleme«, erklärte Jean-Yves Camus der Jungle World, »sie wird von dem US-amerikanischen Linguisten Noam Chomsky, dem früheren US-Justizminister unter Jimmy Carter, Ramsey Clark, und dem kanadischen jüdischen Anwalt Christopher Black angeführt und ist links-antiimperialistisch orientiert. Im deutschsprachigen Raum haben Leute von der PDS, die auch links angesiedelt sind, die Initiative. Aber im französischen Sprachraum haben wir es eindeutig mit Nationalrevolutionären und Geschichtsrevisionisten zu tun.«

So ist Ende 2001 der französische Anwalt Jacques Vergès - einer der Rechtsberater von Milosevic in Den Haag - der französischsprachigen Sektion des ICDSM beigetreten. Vergès ist in geschichtsrevisionistischen Kreisen äußerst beliebt, seitdem er in den Jahren 1987 und 1988 in Lyon den ehemaligen SS-Mann Klaus Barbie verteidigte. Der frühere Antikolonialist ging damals von einer Verteidigungsstrategie, die zu belegen versuchte, dass auch der französische Staat historische Verbrechen zu verantworten habe, zu politischem Zynismus und Relativismus über, die die NS-Barbarei verharmlosten. Heute lässt sich in seinen Aktivitäten als Anwalt zwar keine politische Linie mehr erkennen, sondern vor allem ein extremer Geltungsdrang, aber er ist nach wie vor eine Symbolfigur.

Den Vorsitz der frankophonen Sektion des Komitees hat Luc Michel inne, der Präsident der in Brüssel ansässigen PCN (Gemeinschaftliche National-Europäische Partei). Die PCN, die in den neunziger Jahren zeitweise mit einem Abgeordneten im belgischen Parlament vertreten war, bezeichnet sich selbst gerne als »nationalkommunistisch«. Die nationalrevolutionäre Strömung soll nach eigenen Angaben ein starkes Drittel der Mitgliedschaft ausmachen. Ihre Strategie besteht im Wesentlichen darin, die Unzufriedenen aus allen politischen Strömungen gegen die »Neue Weltordnung« und die »amerikanische Kolonisierung Europas« zusammenzuführen.

Die PCN enthält sich offener antisemitischer und rassistischer Hetze und kritisiert die traditionellen rechtsextremen Parteien als »reaktionär«. Um die Auflösung des »belgikanischen Gebildes« zu erreichen, strebt die Partei jedoch eine Zusammenarbeit mit den rechtsextremen flämischen Separatisten des Vlaams Blok an. Sich selbst bezeichnet die PCN als »transnationale Partei«, die in ihren Strukturen »die alten staatlichen Rahmen durchbrochen« habe und in Belgien, Frankreich, der Schweiz und - angeblich - Ungarn vertreten sei; in Italien gibt es seit dem Frühjahr 2000 einen Ableger. In Frankreich fusionierte die PCN mit einem Teil der nationalrevolutionären Gruppierung Nouvelle Résistance, die sich 1996 spaltete. Ein Teil schloss sich damals der neofaschistischen Rechten unter Jean-Marie Le Pen und nach der Spaltung des Front National (FN) dem Flügel von Bruno Mégret an. Der andere Teil ging in den PCN-Umfeldorganisationen FEL (Europäische Befreiungsfront) sowie Schwarz-Grün-Rote Front auf.

Die PCN-Führung glaubt, das in Osteuropa nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus entstandene Bündnis von ehemaligen Staatssozialisten mit radikalen Nationalisten sowie anderen Kräften, denen es vor allem um eine »antiwestliche« Politik geht, auch in Westeuropa nachbilden zu können. Die beiden wichtigsten Reisekader der Partei, Luc Michel und Fabrice Beaur, sind daher regelmäßig in Osteuropa unterwegs, aber auch in arabischen Ländern.

So nahmen Michel und Beaur 1999 an einem vom Regime ausgerichteten Jugendcamp in Libyen teil und wurden sogar in den Hauptnachrichten des Staatsfernsehens interviewt, wo sie sich zum »Ansteigen des antiamerikanischen Gefühls in Europa« äußern durften. Ihre Partei predigt eine von jeglicher Kritik ungetrübte Solidarität mit dem Regime von Saddam Hussein. Nach dem 11. September 2001 erklärte die PCN, durch die Verurteilung der Attentate hätten sich die Linken demaskiert und ihr wahres Gesicht als »Kollaborateure der Neuen Weltordnung« gezeigt: »Sie haben die Revolution verraten, sie haben die arabische Welt verraten, sie treten die irakischen und palästinensischen Leichen mit Füßen.«

Obwohl die Nationalrevolutionäre auch in der arabischen Welt Verbündete suchen, setzen sie weiterhin vor allem auf die Vermengung von nationalistischen und vorgeblich sozialistischen Elementen nach dem Vorbild der Bündnisse im südöstlichen Europa. Anlässlich einer Großveranstaltung der PCN in Mailand im März 2000 führte Luc Michel denn auch aus, dass diese politische Farbenmischung in Serbien existiere, da die Sozialisten Slobodan Milosevics, die Ex-Kommunisten der JUL (Jugoslawische Linke) und die neofaschistische SRS (Serbische Radikale Partei) unter Vojslav Seselj zwischen 1998 und 2000 koalierten. Darin liege die Bedeutung Serbiens für die »Nationalkommunisten«.

Luc Michel gehört auch einer politisch sehr heterogenen Solidaritätsgruppierung namens Forum von Belgrad an, in dem man westeuropäische Linke, aber auch die italienische Lega Nord von Umberto Bossi findet. Da die Nationalrevolutionäre in Milosevic eine Symbolfigur für das von ihnen gewünschte Bündnis sehen, hat die Mobilisierung rund um seinen Prozess in Den Haag für sie zentrale Bedeutung.