Debatte über den Krieg in den USA

Grüße aus Vietnam

Endlich mal eine aufschlussreiche Pressekonferenz im Pentagon. Der Oberbefehlshaber der US-Truppen in Afghanistan, Tommy Franks, wollte über die militärische Lage vor Ort berichten. Und er sagte: »Vietnam«.

Franks hat selbst im Vietnam-Krieg gedient, deswegen ist ein solcher Versprecher nicht weiter verwunderlich. Aber er ist auch symptomatisch für die kriegsplanende Klasse in den USA. Der Schock der Niederlage gegen die Barfuß-Kämpfer des Vietcong sitzt auch nach drei Jahrzehnten noch tief. Die Hilflosigkeit war dabei nicht nur militärisch, sondern auch politisch: Es gab keine exit strategy.

Die Frage: »Wie kommen wir da jemals wieder heraus?« ist in Washington derzeit wieder öfter zu hören. Seitdem der US-Präsident George W. Bush im Januar aus Irak, Iran und Nordkorea eine »Achse« konstruierte und seitdem sich der »Krieg gegen den Terror« von Afghanistan auf Georgien und andere Länder ausweitet, wachsen die Zweifel in der US-Öffentlichkeit. Der Geheimdienst CIA lanciert immer wieder Informationen, die Bushs Rede von der »Achse des Bösen« konterkarieren. Parlamentarier der oppositionellen Demokraten und die Leitartikler der großen Blätter melden ihre Bedenken an. Zaghaft, aber nicht mehr zu überhören.

Ende Februar warnte Robert Byrd, einer der mächtigsten Männer im US-Senat, der Kongress werde keine »Blankoschecks« für eine Ausweitung des Krieges ausstellen, solange die Administration ihre Ziele nicht klarer definiere. »Es ist kein Ende abzusehen«, klagte Byrd. Ähnlich äußerte sich Oppositionsführer Tom Daschle: »Bevor wir weiteres Geld ausgeben, brauchen wir eine klarere Vorstellung davon, in welche Richtung es gehen soll.« Das Pentagon hatte eine Budget-Erhöhung um 14 Prozent auf 379 Milliarden Dollar beantragt - ein Betrag, der nach Schätzung der New York Times höher ist als die Rüstungsausgaben aller anderen Länder der Welt zusammengenommen. Auch Dennis Kucinich, Sprecher des linken Flügels der Demokraten im Repräsentantenhaus, relativierte seine Zustimmung zur Kriegserklärung des US-Kongresses vom September (damals gab es nur eine einzige Gegenstimme): »Wir haben keinen Krieg ohne Ende autorisiert. Wir haben keine permanente Kriegsökonomie autorisiert.«

Die wachsende Kritik mag ein Grund dafür gewesen sein, weshalb das Pentagon seine neueste Offensive im Osten Afghanistans startete. Schnelle Siege an der Front waren noch immer das beste Mittel gegen mangelnden Patriotismus. So zerbröselte die linke Antikriegsbewegung, die im vergangenen September immerhin noch einige Zehntausend Leute auf die Straße bringen konnte, unter den Erfolgen der US-Luftwaffe gegen die Taliban. Anders als beim Vietnam-Krieg taugt »Bring our boys home« als Parole nichts mehr, wenn nach fünf Monaten Krieg gerade mal neun tote US-Soldaten zu beklagen sind - weniger vermutlich, als normalerweise im selben Zeitraum bei der Wochenendheimfahrt von der Kaserne zu Tode gekommen wären.

Dass jetzt im Establishment öffentlich Zweifel auftauchen, liegt sicher nicht an moralischen Skrupeln wegen der zivilen Toten in Afghanistan oder eigener Verluste. Bezweifelt wird eher, ob der Unilateralismus und die Ausweitung des Krieges auf eine Vielzahl von Staaten wirklich im »nationalen Interesse« sind.

Die New York Times mahnte in der vergangenen Woche: »Washington sollte sich nicht in neue militärische Operationen stürzen, bevor al-Qaida zerschlagen ist«. Insbesondere ein Kampfeinsatz in Georgien sei »unklug«. Und Oppositionsführer Daschle formulierte ein klares Kriterium: »Wir müssen Muhammad Omar finden, Ussama bin Laden und andere Führer des al-Qaida-Netzwerks. Anderenfalls wären wir gescheitert.« Die Republikaner waren empört: »Abscheulich.« Dabei hat Daschle mit seiner Definition der Kriegsziele nur die Pressekonferenzen im Pentagon allzu wörtlich genommen.