Rot-grüne Koalition plant Antidiskriminierungsgesetz

Recht so!

Sollte es wirklich dazu kommen, wäre es eine kleine Sensation: Ein Antidiskriminierungsgesetz soll eingeführt werden. In der rot-grünen Koalition ist es beschlossene Sache, der Gesetzesentwurf wurde bereits vom Bundesjustizministerium vorgelegt. Der erste Teil des Gesetzes zum Vertragsrecht soll noch in dieser Legislaturperiode, der zweite zum Arbeitsrecht in der kommenden verabschiedet werden.

Im Unterschied zum Gesetz über die doppelte Staatsbürgerschaft oder zum Zuwanderungsgesetz handelt es sich beim geplanten Antidiskriminierungsgesetz nicht nur um eine bloße nachholende Modernisierung. Vielmehr hat es der Gesetzesentwurf substanziell in sich. Diskriminierungen »aus Gründen des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität« stünden demnach künftig unter Strafe. Das allerdings hat eine weit reichende Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch zur Folge. So könnten Verträge künftig für ungültig erklärt werden, wenn sie etwa einen der Vertragspartner wegen seiner Behinderung diskriminieren.

Erstmals soll die Möglichkeit gesetzlich verankert werden, gegen Formen der Diskriminierung vorzugehen, die sonst im besten Fall einer willkürlich gehandhabten Rechtsprechung unterliegen und im schlechtesten gar keiner. Der Entwurf schließt darüber hinaus nicht nur unmittelbare, sondern auch »mittelbare Benachteiligungen« ein, wie etwa eine Schlechterstellung gegenüber anderen Vertragspartnern. Selbst »Belästigungen« sollen nach dem Entwurf als Straftatbestand durchgehen.

»Nun will die rot-grüne Koalition (...) die Menschen untereinander auf die 'Antidiskriminierung' einstimmen«, kritisierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung und bemerkte: »Die beabsichtigte Erziehung zum Gutmenschentum lässt sich (...) nicht durch Paragraphen und Gerichte bewerkstelligen«. Dem pflichtete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag in einer Erklärung bei, in der beklagt wird, dass der Gesetzesentwurf eine »weitreichende Einschränkung der Vertragsfreiheit« bedeute.

Es ist fürwahr immer wieder erstaunlich, in welchen Momenten konservative Gewissenshüter in Deutschland sich staatskritisch geben. Man konnte es erahnen, welche Gefahren die FAZ mit der Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes heraufziehen sieht. Es könne gar zu einer »Diskriminierung der Mehrheitsbevölkerung« kommen, mutmaßt das Blatt.

So lässt sich Deutschland in Deutschland mal wieder schneller erkennen, als man dachte. Das von Hannah Arendt benannte kapitalistische Spezifikum, das »Bündnis zwischen Kapital und Mob«, zeigt seine Wirkung. Hier wird er sichtbar, der Humanismus der Deutschen, der schon Karl Marx angesichts dieser »deutschen Form moderner Probleme« zu der Feststellung nötigte, dass »die Emanzipation des Deutschen (nur) die Emanzipation des Menschen« sein kann. Der deutsche Humanist tut zum einen nichts aus freien Stücken und das zum anderen nur als Selbstzweck.

Und so wundert es auch nicht, dass der Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes nur das Ergebnis einer EU-Richtlinie ist, die der rot-grünen Regierung Entsprechendes aufnötigt. Hierzulande kommt man auf so etwas nicht unbedingt von selbst. Im Unterschied zu Großbritannien oder den USA, die schon seit längerem über Antidiskriminierungsgesetze verfügen, orientiert sich Deutschland nicht an der Realität, sondern an der Ideologie. Das Gesetz aber wird, sollte es durchkommen, seine Wirkung im Verhältnis von deutschem Selbstverständnis und europäischer Harmonisierung wohl kaum verfehlen. Nicht nur deshalb ist es zu begrüßen.