Handelsstreit zwischen Europa und den USA

Stand Up for Steel

»Der Welthandel ist nicht der wilde Westen«, kommentierte Pascal Lamy, Kommissar der Europäischen Union für Handelsfragen, die Entscheidung von George Bush jr., künftig horrende Schutzzölle zugunsten der US-amerikanischen Stahlindustrie zu verlangen. Im Prinzip stimmt das zwar, doch da der aktuelle US-Präsident nun mal aus Texas kommt, hat er nicht nur in diesem Punkt seine eigenen Vorstellungen, sondern auch davon, was moralisch ist. Stahl sei es auf jeden Fall, verkündete er. Außerdem werden aus Stahl ja Kriegsgeräte geschmiedet, also handele es sich bei der Verteidigung des Produkts auch um eine Frage der nationalen Sicherheit. Und die Vorstellung, dass amerikanische Soldaten umhüllt von japanischem Blech Bomben in alle Welt fliegen müssten, wäre sicher nicht geeignet, den US-Präsidenten von einem protektionistischen Programm abzuhalten.

Mit der Parole »Stand Up for Steel« fordern US-amerikanische Stahlarbeiter seit Jahren, dass die US-Administration ihnen die billigere Konkurrenz aus Asien, Europa und Russland vom Hals schafft. Und neben Soldaten und Feuerwehrleuten lassen sie sich hervorragend als unschuldig leidende Opfer der globalen Bedrohung Amerikas päsentieren. Wahrscheinlich haben sie sogar die letzte Präsidentschaftswahl entschieden. Denn mit der Beteiligung der Stahlarbeiter bekam die Antiglobalisierungsbewegung in den USA den Schwung, der letztlich den Globalisierungsgegner Ralph Nader als Präsidentschaftskandidaten und Hauptkonkurrenten von Al Gore möglich machte.

Es ist völlig klar, dass Zölle von bis zu 30 Prozent den auch von den USA unterschriebenen Freihandelsabkommen widersprechen. Wahrscheinlich wird dies auch nach monate- oder jahrelangen Verfahren von den Schiedsgerichten der Welthandelsorganisation WTO festgestellt werden. Die Europäische Union hat deshalb postwendend eine Klage gegen die USA eingereicht. Russland und Japan wollen sich anschließen.

Ebenfalls klar ist, dass zahlreiche US-Amerikaner unter der neuesten Idee ihres Präsidenten leiden werden. Kurzfristig geschützt werden die Arbeitsplätze von etwa 200 000 Stahlkochern - ein Bruchteil der zehn Millionen Menschen in der stahlverarbeitenden Industrie. Die ersten Massenentlassungen bei Autobauern, in den Häfen und im Maschinenbau wegen der gestiegenen Stahlpreise sind wohl nur eine Frage der Zeit. Bushs Chefunterhändler für Handelsfragen, Robert Zoellick, hatte vor ein paar Wochen noch klargestellt, dass Zölle nichts anderes seien als »Steuern, die Niedrig- und Mittelverdienern schaden«. Jetzt murmelt er von temporären Maßnahmen, die die US-amerikanische Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen sollen.

In den anderen europäischen Hauptstädten gab man sich empört. Die Frage ist nun, ob die »uneingeschränkte Solidarität« mit der Bush-Administration tatsächlich einbricht, wenn es ums Geschäft geht. Zunächst einmal wird es der EU-Kommission überlassen, die neu errichteten Handelsbarrieren im Interesse europäischer Geschäftsinteressen niederzureißen.

Aber es geht um mehr als ein paar Stahlfirmen, mittlerweile wird Bush zum Sicherheitsrisiko für die Weltwirtschaft. Als im Gefolge der Krise in Südostasien Stahl plötzlich konkurrenzlos billig angeboten wurde, unterließen es die Regierungen der Industriestaaten, die eigenen Märkte weiter abzuschotten - was stärkere Einbrüche in den Ex-Tigerstaaten verhinderte.

Vergleichbares ist mit einem US-Präsidenten Bush schwer vorstellbar. Schlimmer noch: Sollte es tatsächlich in absehbarer Zukunft zu einem Angriff auf den Irak kommen, wird nicht nur der Ölpreis steigen, sondern damit könnte auch die Aussicht auf eine Konjunkturbelebung in Europa zunichte gemacht werden.