Mängel bei der Bundeswehr

Aufruf zum Sammeln!

Ein »Stimmungstief« belastet die Soldaten in den Kasernen. In »tief sitzendem Hader bis hin zu Resignation und Gleichgültigkeit« äußert es sich, warnte in der vergangenen Woche Willfried Penner, der Wehrbeauftragte der Bundesregierung. Sein Bericht zum Zustand der Bundeswehr zeigt: Der einfache Soldat fühlt sich nicht wohl in der komplizierten, weiten Welt.

Da darf der Deutsche endlich ordentlich mitkämpfen und schon beklagt er sich über das Fehlen ziviler Standards an der Front. Zu wenig Urlaub gebe es, keinen Sex, zu viel (!) Alkohol, und außerdem kämen die Orden viel zu spät. Jedem anderen Berufsstand hätten solche Klagen Forderungen nach mehr Eigeninitiative, Flexibilität und Opferbereitschaft eingebracht, vom deutschen Soldaten vorgetragen aber stoßen sie auf großes Verständnis.

Denn schlimm sind die Verhältnisse bei der Bundeswehr. Nicht mehr die Größten, Stärksten und Schneidigsten zieht es zur Armee, sondern oft nur noch den »Bodensatz der Gesellschaft«, zitiert die Welt den Bundeswehrbeauftragten für Erziehung und Ausbildung, Dieter Löchel. Man stelle sich die Nöte eines Offiziers vor, der »sprungunwillige« Fallschirmjäger zu tapferen Menschenrechtskriegern ausbilden soll, den »Bodensatz« zur Crème de la Crème.

Die Ausrüstung der Truppe scheint zudem völlig unzureichend zu sein. »Manche Geräte sind älter als die Soldaten«, teilte Penner mit. Auch die Uniformen sind zu nichts zu gebrauchen. Der Stoff sei viel zu dick, außerdem sei der deutsche Soldat in ihnen nicht als solcher zu erkennen. »Was das bedeutet, kann man sich vorstellen«, lamentierte Penner. Nicht auszudenken wäre die Schmach, wenn der erste, tatsächlich im Kampf gefallene Deutsche alleine deshalb sein Leben lassen müsste, weil er fälschlicherweise für einen Russen gehalten würde. An der Heimatfront müsste dann noch länger auf die ersten wirklichen Helden gewartet werden.

Doch mehr noch als all die materiellen Mängel sollte die geistig-moralische Verfassung der Soldaten alarmieren. Ein halbjähriger Einsatz im Ausland ist den deutschen Kriegern einfach zu lang. Wie sollen sie da gute Familienväter sein? Besonders junge Paare verkraften solch eine lange Trennung angeblich nur schlecht. Der Deutsche an der Front wünscht sich den Lehnsessel und die Pantoffeln herbei. Soll man für ihn den Krieg vielleicht neu erfinden?

Niemand kommt auf den Gedanken, dass es sich bei diesen Soldaten einfach nur um Memmen handeln könnte, die auf die Erfordernisse der neuen Zeit mit sozialdemokratischem Anspruchsdenken reagieren. Niemand fordert Sperrzeiten bei anhaltender Leistungsverweigerung, und auch der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog hat noch keinen »Ruck« angemahnt, der durch die Armee gehen müsse.

Breiten sich die bestehenden »Zweifel am Sinn des Dienstes« erst mal unter den Soldaten aus, könnten die ambitionierten Pläne Deutschlands in der Welt an der schwindenden Loyalität der Uniformierten scheitern. Bernhard Gertz, der Vorsitzende des deutschen Bundeswehr-Verbandes, kritisiert deswegen auch nicht die lasche Dienstauffassung in der Truppe, sondern wieder einmal Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD). Diese »lame duck« sei nicht der »starke Mann«, den die Bundeswehr in schwierigen Zeiten brauche, meint Gertz. Die Bundesregierung müsse Mut zeigen und an den richtigen Stellen Geld streichen, um es in die Truppe zu investieren.

Umverteilung zugunsten der kämpfenden Einheiten? Kein Problem. Es lassen sich bestimmt ein paar Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose oder Asylbewerber finden, die auf einen Teil ihrer Bezüge zugunsten der Bundeswehr verzichten. Denn gerade die sozial Schwachen müssten am besten wissen, wer das System verteidigt, auf dessen Kosten sie in den Hängematten liegen.