Eröffnung des Potsdamer Zentrums für Militärpolitik

Institut ohne Raum

Im Potsdamer Zentrum für Militärpolitik soll die deutsche Kriegspolitik neu bestimmt werden. Ein eigenes Gebäude fehlt dem Think Tank noch.

Fast wäre die feierliche Eröffnung des Potsdam Center for Transatlantic Security and Military Affairs ausgerechnet im allgemeinen Afghanistan-Rummel untergegangen. Aber immerhin tauchten neben Verteidigungsminister Rudolf Scharping, Nato-Generalsekretär George Robertson und anderen geladenen Gästen Anfang März auch ein paar versprengte Antimilitaristen in Potsdam auf, um den Feierlichkeiten beizuwohnen. Mehr Öffentlichkeit schien hier gar nicht weiter erwünscht.

Eine Bescheidenheit, die seltsam anmutet. Denn eigentlich macht das neue Potsdamer Zentrum für Fragen der transatlantischen Sicherheits- und Militärpolitik durchaus was her: Während im benachbarten »Wissenschaftsstandort Berlin« die Fachbereiche der öffentlichen Unis zusammengespart werden, soll hier immerhin ein Jahresetat von drei Millionen Euro für militärpolitische Fragen verbraten werden. Zwei feste Professuren sind eingerichtet worden, es wird Studiengänge für Postgraduierte geben, und »namhafte Mitglieder der strategic community«, vor allem aus den USA, sollen den Potsdamer Militaristen bei ihren Strategiespielen auf die Sprünge helfen.

Das Zentrum will einen Beitrag leisten, »die strategischen Interessen der Atlantischen Gemeinschaft im 21. Jahrhundert zu umreißen und die Prioritäten der deutschen, europäischen und amerikanischen Sicherheitspolitik neu zu definieren. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der gewachsenen sicherheitspolitischen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland zwölf Jahre nach der Wiedervereinigung.«

Dass es dabei in erster Linie darum geht, deutsche Interessen im internationalen Staatensystem auszuloten und diese vor allem gegenüber dem dominanten Bündnispartner USA und den misstrauischen europäischen Nachbarn selbstbewusst durchzusetzen, daran lässt die geschäftsführende Direktorin und Gründerin des Potsdamer Zentrums, Margarita Mathiopoulos, kaum einen Zweifel. Die Sicherheitsexpertin und frühere Managerin beim britischen Rüstungskonzern British Aerospace wird künftig auf einem der beiden Lehrstühle des Zentrums sitzen.

Bereits zu Beginn des Afghanistan-Krieges witterte sie die historische Chance. In diesem Krieg gehe es »nicht nur um gemeinsame Terrorbekämpfung. Jetzt ist die Stunde gekommen, grundlegende Elemente deutscher Außen- und Sicherheitspolitik neu zu bestimmen«, schrieb sie im November vergangenen Jahres in einem Gastkommentar für Die Welt. In ihrer Potsdamer Eröffnungsrede erklärte sie: »Deutschland ist eine europäische Zentralmacht - nicht nur geographisch, sondern im breitesten Wortsinn. Als bevölkerungsreichstes und ökonomisch stärkstes Land kommt der Bundesrepublik eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Vollendung Europas zu. Wir sind ein zentraler Faktor innerhalb der Europäischen Union und der Nato.«

Das klingt schon etwas handfester. In Potsdam wird es in Zukunft um die Konzeption und Legitimation deutscher Kriegspolitik gehen. Neue Antiterrorstrategien sollen dabei genauso erarbeitet werden wie Vorschläge für »die Kooperation von Rüstungsindustrie und Regierungen.« Das neue Institut soll ein »Zeichen der Normalisierung in den Beziehungen Deutschlands zur Welt« setzen.

Denn »Deutschland ist wieder militärisch aktiv«, stellte der zweite Gründungsdirektor Manfred Görtemaker scharfsinnig fest. Der Potsdamer Geschichtsprofessor setzt öfter die »roten und braunen Diktaturen« gleich; gemeinsam mit dem 68er-Renegaten Bernd Rabehl sitzt der Totalitarismustheoretiker im Forschungsverbund SED-Staat an der FU Berlin. Oder er postuliert, wie im Interview mit der rechtsextremen Wochenzeitung Junge Freiheit, dass »die Bundesrepublik Deutschland (...) von Anfang an kein Nachtwächterstaat sein« wollte, »sondern eine wehrhafte Demokratie«. Görtemaker scheint im neuen Potsdamer Zentrum die Rolle des Normalisierers oder Relativierers zu spielen, der eine militärfreundliche Vergangenheitspolitik mit akademischem Anstrich betreibt.

Mit Mathiopoulos und Görtemaker liegt das Potsdamer Zentrum jedenfalls voll auf der Linie der rot-grünen Geopolitiker. Bereits Anfang des vergangenen Jahres schrieb Achim Schmillen, Leiter des Planungsstabes im Auswärtigen Amt, in der FAZ, was deutsche Außenpolitik künftig bestimmen wird: Rohstoffe, Handelsinteressen, Eindämmung von Flüchtlingsströmen, politische Stabilität in den weltweiten Krisenregionen.

Hinter der rot-grünen Sorge um politische Stabilität steht das kapitalistische Interesse an günstigen Rahmenbedingungen für den eigenen Zugriff auf die Ressourcen und Märkte in der Welt. Über Afghanistan und die benachbarten Länder heißt es in Schmillens mit »New Great Game in Zentralasien« betiteltem Strategiepapier: »Grundsätzlich sind alle für die Großregion wesentlichen staatlichen Akteure in und außerhalb der Region an diesem Raum interessiert.« Für das Engagement in Zentralasien rät Schmillen der Bundesregierung zu »Kooperation, Multinationalität und Vernetzung mit den wichtigsten ökonomischen Interessen«.

Da ist es kein Wunder, dass militärökonomische Interessen der Institutsleiterin Mathiopoulos besonders am Herzen liegen. »Wenn Deutschland seine sicherheitspolitischen Aufgaben im europäischen und transatlantischen Bündnis künftig glaubhaft wahrnehmen will, braucht es nicht nur ein realistisches und unverkrampftes Verhältnis zu seinen Streitkräften. Dann müssen Politik und Bevölkerung auch ein neues Verhältnis zur materiell-technologischen Basis dieser modernisierten Streitkräfte entwickeln, zur Rüstungsindustrie. Innere Freiheit und äußere Sicherheit haben ihren Preis.«

Jörg Schönbohm, Ex-Bundeswehrgeneral und brandenburgischer Innenminister, kann sich über so viel Militarismus in Potsdam nur freuen. Aber bevor es so richtig losgehen kann, muss er sich erst einmal um eigene Räume für das Zentrum kümmern. Im Herbst soll es so weit sein, erst dann wird die Arbeit tatsächlich auch aufgenommen.

Ob das gewählte Verfahren - eine Eröffnungsfeier ohne das zu eröffnende Zentrum - vielleicht militärstrategische Gründe hatte, konnte leider niemand beantworten. Für alle Interessierten, die zu spät über die Feierlichkeiten Anfang März informiert worden waren, hat die unöffentliche Eröffnung allerdings auch eine gute Seite: Sie haben nun Gelegenheit, sich auf die Teilnahme an der »echten Eröffnung« im Herbst gebührend vorzubereiten.