Friedensinitiativen für den Nahen Osten

Mit aller Gewalt

Die Auseinandersetzung mit dem Nahost-Konflikt verlangt ein enormes Maß an kontrafaktischem Optimismus, will man nicht von vorn herein die Aussichtslosigkeit der Bemühungen um eine Lösung akzeptieren. Auf israelischer wie auf palästinensischer Seite scheint das Interesse, den Konflikt in Gang zu halten, stärker zu sein als der Wunsch nach seiner friedlichen Beilegung. Sowohl Sharon wie auch Arafat stabilisieren ihre Macht auf dieser Grundlage. Für die radikalen Gruppen auf beiden Seiten gilt dies erst recht. Noch nie hatten Islamisten und Siedler einen so großen Einfluss auf die Politik ihrer jeweiligen Regierung.

Auch die Geschichte des Konflikts im Allgemeinen und die der al-Aqsa-Intifada im Besonderen unterstützt diese Sicht. Immer dann, wenn eine Entspannung oder gar ein Friedensschluss möglich schien, wurden diese Hoffnungen durch konzertierte Aktionen beider Konfliktparteien systematisch zerstört. Auch die Initiative Saudi-Arabiens wurde mit israelischen Militäraktionen, die Vermittlung der Vereinigten Staaten mit einer Serie von palästinensischen Attentaten beantwortet.

Die Konsequenz aus dieser Situation scheint eindeutig, und George Friedman formuliert sie mit aller Schärfe: Der Konflikt ist nicht zu lösen, sondern er wird auf unabsehbare Zeit bestehen bleiben, sich vermutlich sogar noch zuspitzen. Akzeptiert man diese Schlussfolgerung, so müsste sich eine aufgeklärte Linke tatsächlich mit dem konservativen US-amerikanischen Politikwissenschaftler einig sein: Es darf keine Einmischung von außen geben, Israel muss sich mit allen Mitteln verteidigen, einen palästinensischen Staat darf es nicht geben.

Eine solche Ansicht beruht allerdings auf einer Reihe gar nicht so aufgeklärter Prämissen. Sie setzt erstens voraus, dass das zur Verfügung stehende Stückchen Erde zu klein sei, um zwei Nationalstaaten zu beherbergen, sodass Israelis und Palästinenser gezwungen seien, einen Kampf auf Leben und Tod zu führen. Das aber ist geopolitische Ideologie der reaktionärsten Sorte, die von der Funktionsweise kapitalistischer Vergesellschaftung nichts wissen will, um diese nur umso endgültiger festzuschreiben. Zweitens setzt sie voraus, dass der radikal antiaufklärerische Nationalismus, der die palästinensische Gesellschaft weitgehend und auch die israelische bis zu einem gewissen Grad ergriffen hat, ein nicht zu verändernder Zustand sei.

Es mag dem nun entgegengehalten werden, dass der Kapitalismus objektiv einer immer weniger aufgeklärten Form entgegentreibe und die beschriebenen Ideologien deshalb zwar nicht schön, unter kapitalistischen Bedingungen jedoch unvermeidbar seien. Jeder Versuch, sie zu bekämpfen, ohne den Kapitalismus aufzuheben, sei demnach zum Scheitern verurteilt. Die besondere Situation Israels zwingt an dieser Stelle aber zum Reformismus. Denn wenn eines in den letzten Monaten klar geworden ist, dann dies: Je mehr Israel auf eine militärische Lösung setzt, desto deutlicher wird, dass es diese Auseinandersetzung militärisch nicht gewinnen kann.

Gerade wenn man vom Kapitalismus in Zukunft nur das Schlimmste erwartet, bedeutet die »bedingungslose Solidarität« mit Israel in erster Linie die Unterstützung jener Kräfte in den beiden Gesellschaften, die einen palästinensischen Staat in den israelisch besetzten Gebieten und die allgemeine Akzeptanz des Existenzrechtes beider Staaten fordern. Dies würde bedeuten, dem Kapitalismus auf seinem Weg in die Unaufgeklärtheit ein Bein zu stellen. Vielleicht brächte es für Israel und seine Bevölkerung die entscheidende Verschnaufpause, solange der Kapitalismus und mit ihm der Antisemitismus noch nicht abgeschafft sind.