Rechte Tendenzen im HipHop

In Baggypants fürs Vaterland

Rechtsextreme interessieren sich neuerdings auch für HipHop.

Neonazis und Skinheads haben im vergangenen Jahr bundesweit Anhänger hinzugewonnen«, warnt der niedersächsische Verfassungsschutz in seinem jüngsten Bericht. Vor allem über die »enorme Ausweitung der rechtsextremen Musikszene« zeigte sich der niedersächsische Innenminister Heiner Bartling (SPD) besorgt, als er im März den Bericht in Hannover vorstellte.

Musik, so der Innenminister, sei für Jugendliche eine Art Einstiegsdroge in die rechte Szene. Niedersachsens oberster Verfassungsschützer Volker Homuth hatte auch gleich eine Lösung für das Problem parat. Er plädierte dafür, die Altersgrenze für die Überwachung Jugendlicher von 16 auf 14 Jahre zu senken - gerade so, als ob man dem Rechtsextremismus allein mit nachrichtendienstlichen Mitteln beikommen könnte.

Statt demnächst auch Kinder zu überwachen, sollte der Verfassungsschutz vielleicht lieber einmal seine Kategorien einer Überprüfung unterziehen. Denn die Mitgliedschaft in einer neonazistischen Organisation, das äußere Erscheinungsbild oder die Affinität zu rechter Skinhead-Musik reichen schon lange nicht mehr aus, um einen »rechtsradikalen Jugendlichen« zu beschreiben. In den vergangenen Jahren haben sich reaktionäre Ästhetik und rechtsextremer Lifestyle in Jugendsubkulturen breit gemacht, in denen man vergeblich nach kahl geschorenen Skinheads mit Mörderblick, Bomberjacke und Springerstiefeln sucht.

Selbst Musikszenen, die auch heute noch als links gelten, sind ins Visier rechtsextremer Kulturkämpfer geraten. Zum Beispiel die HipHop-Szene. Dort mehren sich seit einigen Monaten die Anzeichen für rechte Unterwanderungsversuche.

»HipHop wird schneller weiß als man denkt«, lautete der euphorische Titel eines Artikels, der im November des vergangenen Jahres auf den Internetseiten des Neonazi-Magazins Rocknord erschien. Dort waren einige rassistische Punchlines und Nazimetaphern von Rappern wie Ronald Mac Donald von M.O.R. aus Berlin oder MC Denana aus Hannover zusammengetragen worden. Offenbar haben die Neonazis Geschmack an den Bildern gefunden, die sich die Battle-MCs einfallen ließen, angeblich um Tabus zu brechen oder ihre Härte und Unerbittlichkeit im verbalen Kampf zu demonstrieren.

Der Artikel wurde bald von anderen Neonazi-Seiten im Internet übernommen. Auf der Website Propatria wurde drei Monate lang über »nationalistischen HipHop« ausführlich diskutiert.

Die Debattenbeiträge zeigen, dass sich die meisten Neonazis am allgemeinen kulturellen Schick orientieren und auch Genres nicht ablehnen, die lange Zeit als links galten. »Lieber einen vernünftigen nationalen HipHopper als einen Pitbull-Germany-Schlager-Skin«, schrieb ein »Kamerad«. Ein anderer Besucher des Propatria-Forums berichtete: »Heil euch! Ich war letzten Monat auf einem Konzert, und da war eine Newcomer-Band, die hatten einen Klamottenstil wie HipHopper! Ich habe auch erst gedacht, was sind das denn für welche? Aber Respekt, die Musik war geil.«

Auch um theoretische Antworten ist man auf Propatria nicht verlegen: »Also ich meine, HipHop ist nicht wesentlich weniger undeutsch als Rock. Selbst wenn der hundertmal von Störkraft etc. ist. Klassik und germanische Folklore ist doch die einzige Musik, die wirklich so etwas wie deutsch, germanisch oder arisch sein kann. Die gesamte Rock-, Pop-, und was-weiß-ich-Musik basiert doch auf schwarzem Rhythm& Blues. Und selbst Weiterentwicklungen wie Heavy-Metal oder Oi-Rock haben im Endeffekt schwarze Wurzeln, sind also nur dadurch rechts-kompatibel geworden, weil man sie okkupiert hat.«

Christian Dornbusch, ein Mitarbeiter der Arbeitsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf, beschäftigt sich beruflich mit solchen Tendenzen. Seit 1990 befasst er sich mit rechter Musik und konnte dabei beobachten, wie die Rechtsrock-Szene wuchs und zugleich ihr Profil deutlich veränderte: »Verschwunden war das markante Bild des Nazi-Skinhead«. Es sei inzwischen von Leuten ersetzt worden, »die ganz normal aussehen und trotzdem extrem rassistische bis neonazistische Musik hören«.

Auf einer ästhetischen Ebene habe die rechte Szene eine Annäherung an die HipHop-Mode ohnehin schon vollzogen, meint Dornbusch. Er erzählt von Jugendlichen, die aussehen, als hätten sie sich »gerade in einem HipHop-Szeneladen eingekleidet«. Doch »auf dem Rucksack prangt dann ein Aufnäher der neonazistischen Band Landser«. Dornbusch glaubt, dass die Vordenker der so genannten Neuen Rechten die Bedeutung sub- und popkultureller Strömungen für ihre ideologische Arbeit längst erkannt haben: »Es ist deutlich zu beobachten, wie extrem rechte Ideologiefragmente Stück für Stück in all den anderen Musikstilen und Szenen auftauchen. Das nächste, womit wir sicherlich rechnen können, ist rechter HipHop.«

In der HipHop-Szene selbst sträubt man sich indes vor einer ernsthaften Auseinandersetzung mit solchen Tendenzen. HipHop sei eine »schwarze Kultur«, die HipHop-Lebenseinstellung oder die Ästhetik der Klamotten seien nicht kompatibel mit dem Geschmack rechtsextremer Jugendlicher. So oder ähnlich lauten die Argumente der HipHop-Fans, die auf den Internetforen der einschlägigen Rap-Seiten über dieses Thema diskutieren. Noch immer steht hinter solchen Argumenten das antiquierte Bild vom gewalttätigen Nazi-Hooligan. Dabei sind die Grenzen längst verschwommen.

Die HipHop-Szene scheint dem rechten Interesse an ihrer Musik bislang nicht allzu viel Bedeutung beizumessen. Doch die inhaltliche Beliebigkeit und der Verlust eindeutiger politischer Standpunkte könnten es den Rechtsextremen ermöglichen, in der Szene Fuß zu fassen. Die Naivität und unreflektierte Arglosigkeit der meisten HipHopper könnte zu dieser Entwicklung beitragen.