Palästinensischer Funktionär diskutiert mit Rechtsextremen

Heimatlose unter sich

In Wien diskutierte ein Vertreter der palästinensischen Gemeinde mit Rechtsextremen über Vertreibung.

Wenn es ihrem Anliegen dient, schrecken palästinensische Repräsentanten nicht davor zurück, mit österreichischen Rechtsextremen über den gemeinsamen Status als Opfer aggressiver Vertreibung zu diskutieren. Vier Tage nachdem Neonazis bei einer von Burschenschaften organisierten Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung »Sieg Heil« grölend durch die Wiener Innenstadt marschiert waren, trafen sich am 17. April Rechtsextreme mit einem palästinensischen »Leidensgenossen«, um gemeinsam über das Recht auf bewaffneten Widerstand und das Unrecht der Benes-Dekrete zu diskutieren.

Die Plattform SOS Heimat hatte zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion mit dem Titel »Von Benes zu Sharon. Sudetendeutsche und Palästinenser - entrechtet und vertrieben« in das Revanchistenzentrum »Haus der Heimat« geladen. Auf dem Podium saß neben der so genannten Völkerrechtsexpertin Maria Barki-Bekö und dem Obmann der Sudentendeutschen Landsmannschaft Österreichs, Gerhard Zeihsel, auch Georg Nikola, ein Vertreter der Palästinensischen Ärtzevereinigung und der Vizepräsident der Palästinensischen Gemeinde in Wien.

Beworben worden war die Veranstaltung zuvor in der Monatszeitschrift der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft, dem Eckartboten. In der Zeitschrift wurde besonders die Ähnlichkeit der Leiden der Palästinenser und der Sudetendeutschen betont: »Beide Volksgruppen wurden vertrieben, beiden wird das Recht auf die Heimat vorenthalten.« Auch der Vergleich der israelischen mit der nationalsozialistischen Armee durfte nicht fehlen: »Manche meinen, Israels Militärs gingen in Palästina ähnlich vor wie SS-Hilfstruppen im Osten.«

Während der Veranstaltung im vollen Saal des Heimathauses war die Rechtsanwältin Barki-Bekö für die richtige Interpretation der internationalen Richtlinien zuständig. Sie führte mehrere UN-Resolutionen an, die angeblich beweisen würden, dass »die Selbstmordattentate, die man ja den Palästinensern immer wieder vorwirft, gültiges Völkerrecht« seien. So etwa das Zusatzabkommen zur Genfer Konvention von 1977, »in dem das Recht zum bewaffneten Widerstand gegen ein rassistisches Regime verankert« sei.

Zum besseren Verständnis für die anwesenden rechtsextremen Österreicher fügte sie hinzu, dass das ethnic cleaning der Israelis mit den Vertreibungen der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergleichen sei. Ihr Fazit: »Tatbestand: Völkermord!« Es gelte daher, den Widerstand zu mobilisieren.

Georg Nikola, der Obmann der Palästinensischen Gemeinde Österreichs, präsentierte im Anschluss seine Interpretation der Geschichte Palästinas und Israels. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei es zu einer massiven jüdischen Einwanderung nach Palästina gekommen. »Damals hatte die Welt Mitleid mit den Juden, weil sie in Europa etwas erlebt haben.« Mit dieser saloppen Bemerkung traf er offensichtlich den Nerv des Publikums, es gab Gelächter und Applaus.

Nicht nur Historisches, auch Aktuelles hatte Nikola zu berichten. Fünf palästinensische Kinder wurden angeblich von Israelis aus Jenin entführt, um sie umzuerziehen und dann gegen die eigenen Leute einzusetzen. Außerdem würden Israelis, die die Wasservorräte der Region kontrollierten, den Palästinensern Salzwasser verkaufen, um die gesamte Landwirtschaft zu zerstören. Nikolas Schlussfolgerung fiel so deutlich wie simpel aus: »Wir sind nicht zu denen gekommen, die sind zu uns gekommen. Sie können weggehen, und dann gibt es keine terroristischen Angriffe mehr.«

Nicht alle Anwesenden waren mit diesen Äußerungen einverstanden. Ein älterer Mann widersprach: »Soll es den Staat Israel weiter geben? Ich habe einen Hintergedanken dabei, nämlich, wenn die Herrschaften nicht in Tel Aviv wohnen, wohnen sie in Wien-Leopoldstadt.« Der zweite Wiener Gemeindebezirk war vor der Shoah ein Zentrum des jüdischen Lebens.

Ein anderer Mann aus dem Publikum stellte daraufhin fest, dass es auch nützliche Juden geben kann: »Ich bin auch Sozialist, aber nationaler. Ich bin ein alter Nazi, bitte, ich bin ein Illegaler durch und durch und war bei der Waffen-SS. Und wer hat uns geholfen? Der Jude Kreisky!« Das Publikum amüsierte sich köstlich über diese Bemerkung.

Danach meldete sich der früher im österreichischen Bundeskanzleramt tätige Ministerialrat und Dozent an der Universität Wien, Günther Rehak, der heute für die rechtsextremen Zeitungen Junge Freiheit und Aula schreibt, zu Wort. Er brachte auf den Punkt, was es bedeutet, wenn in Deutschland und Österreich ein Schlussstrich unter die NS-Geschichte gezogen wird. »Israel hat in den vergangen Jahrzehnten davon gelebt, dass bei vielen Leuten eine gewissen Scheu bestand, intensive Kritik zu üben. Nebenbei bemerkt, die einzigen, die sich das getraut haben, waren die pseudo-linken Randalierer, und da hat es auch nur einen begrenzten Effekt gehabt.« Doch diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. »Es gibt keinen pragmatisierten Opferstatus«, so seine Folgerung.

Der Obmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Zeihsel, zeigte sich zum Schluss noch zufrieden mit der blau-schwarzen Regierung, denn jetzt sei die »Sudetendeutsche Frage« allen Österreichern bekannt: »Man weiß zwar nicht, was die Benes-Dekrete sind, aber jeder weiß, dass sie pfui sind!«

Stolz erzählte er von einem Film, der im Auftrag des Unterrichtsministeriums gedreht worden sei und der in Österreichs Schulen gezeigt werde. In dem Film werde für eine Entschädigung der Sudetendeutschen plädiert und mit dem Veto Österreichs gegen den EU-Beitritt Tschechiens gedroht.

Nach der Podiumsdiskussion ließen es sich junge Burschenschaftler nicht nehmen, um »eine Spende für bedrohte Völker« zu bitten. Dafür hätte wohl auch der Kärntner FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider tief ins Portemonnaie gegriffen. Eine Woche nach der völkerübergreifenden Veranstaltung versicherte er dem arabischen Fernsehsender Al Jazeera, dass die Palästinenser ein »Recht auf Widerstand mit allen Mitteln« hätten.