UN-Verhandlungen zu Zypern

Alt werden auf der Insel

Ring frei zur vierten Runde, hieß es Anfang Mai in Nikosia. In Gegenwart des Zypern-Beauftragten der Vereinten Nationen, Alvaro de Soto, verhandeln seit Januar der Präsident der griechischen Republik Zypern, Glavkos Kleridis, und der Repräsentant der türkischen Zyprioten, Rauf Denktasch, über die Zukunft der seit 1974 geteilten Insel. Die Zeit drängt, denn Ende des Jahres soll auf einem EU-Gipfeltreffen über die Aufnahme Zyperns in die Union entschieden werden.

Hatten zu Beginn der Verhandlungen beide Seiten noch bis Ende Juni ein Ergebnis versprochen, gilt inzwischen die von den UN angestrebte Fortsetzung der Gespräche bereits als Erfolg. Eine Note des UN-Sicherheitsrats von Ende April führt den bisherigen Misserfolg hauptsächlich auf die Blockadehaltung der türkischen Seite zurück.

Nicht ohne Grund. Um die Anerkennung des von der Türkei besetzten Nordteils durchzusetzen, hatte Denktasch im November 2000 auf Geheiß des Nationalen Sicherheitsrats der Türkei den Verhandlungstisch verlassen. Erst eineinhalb Jahre später kehrte er zurück. In Ankara hatte man erkannt, dass die EU es mit ihrem Beschluss ernst meinte, notfalls die Republik Zypern auch ohne vorhergehende Lösung des Problems aufzunehmen.

Angesichts des befürchteten Scheiterns der Gespräche hat nun UN-Generalsekretär Kofi Annan für diese Woche angekündigt, persönlich an den Verhandlungen teilzunehmen. Nach Angaben »informierter griechischer Kreise«, so die Tageszeitung Eleftherotypia, werde er auf eine Übereinkunft drängen. Sein Ziel sei die »Schaffung einer lockeren Föderation beider Gebiete mit größtmöglicher Autonomie«.

Doch das genau ist der entscheidende Punkt. Denktasch beharrt auf einer »Konföderation zweier unabhängiger Staaten«. In der vorigen Woche warnte er erneut vor einem vorzeitigen EU-Beitritt. In diesem Fall werde die Türkei »nicht zögern, ihr gesetzliches Recht auf Zypern durchzusetzen«.

Im Gegensatz dazu hat die sozialdemokratische Regierung in Athen Interesse an einer Einigung. Regierungschef Kostas Simitis will seine allgemein anerkannte Entspannungspolitik, die zu den wenigen Erfolge seiner zweiten Amtszeit zählt, gegenüber der Türkei fortsetzen. Zugleich gibt er sich entschlossen: Sollten »gewisse Kreise«, sagte er gegenüber Eleftherotypia, »wegen der Umstände im Nahen Osten« die Türkei unterstützen, werde seine Regierung darauf beharren, dass Zypern auch ohne vorherige Lösung in die EU aufgenommen werde. Ein Wink in Richtung EU, dass Athen andernfalls jede Erweiterung ohne Zypern blockieren wird.

Große Teile der türkisch-zyprischen Gesellschaft wiederum sehen im EU-Beitritt den einzigen Ausweg aus ihrer politischen wie wirtschaftlichen Misere. Allerdings erwarten sie, dass die griechische Seite in ihnen gleichberechtigte Partner und nicht länger ein lästiges Hindernis für den EU-Beitritt sieht.

So diskutieren Vertreter der türkischen und griechischen Zyprioten - gleichzeitig zu den offiziellen Verhandlungen - in der von den UN kontrollierten Pufferzone von Nikosia am Runden Tisch über die Probleme der angestrebten Wiedervereinigung. Wie können möglichst viele ehemalige Flüchtlinge in ihre Herkunftsdörfer zurückkehren, ohne dass es zu einer neuen Umsiedlungswelle kommt? Was geschieht mit den Siedlern aus der Türkei, die mittlerweile die Mehrheit im Norden der Insel bilden? Wie ist Verständigung möglich, wenn die wenigsten die Sprache des jeweils anderen sprechen? Und wie kann die Angst türkischer Zyprioten vor Unterdrückung ausgeräumt werden, ohne dass die von ihnen geforderte Militärpräsenz Ankaras von den Griechen als Bedrohung empfunden wird?

Am Runden Tisch ist allen klar, dass eine wirkliche Annäherung nur als Prozess über mehrere Generationen und ohne nationalistische Reflexe auf beiden Seiten denkbar ist.