Berliner Demonstration für Solidarität mit Israel

Party ohne Habermas

Der Morgen danach beginnt standesgemäß: »Du, das mit dem Habermas-Text hab ich gestern echt nicht mehr geschafft«, entschuldigt sich eine hip gekleidete Frau bei ihrem Gesprächspartner. »Nach einer halben Seite bin ich eingeschlafen.« Die junge Frau wischt sich den Rest Schlaf aus den Augen, nachdem sie ihre Designer-Sonnenbrille abgenommen hat.

Sonntagmorgen, halb zwölf, ist schließlich ganz schön früh zum Demonstrieren - vor allem, wenn man das halbe Wochenende, Tag und Nacht, mit antideutschen Diskussionen über die beste Strategie zur Unterstützung Israels zugebracht hat.

Kein Wunder, dass sich die rund 250 Demonstrationsteilnehmer, die sich vor dem Auswärtigen Amt in der neuen Mitte Berlins, vis à vis dem Platz des ehemaligen und künftigen Stadtschlosses, zusammengefunden haben, erst einmal mit dem guten Kaffee aus der Cafeteria des verhassten Joseph Fischer eindecken, bevor es ans Demonstrieren und Flagge zeigen geht. Aber dann heißt es: »Kein Vergessen! Solidarität mit Israel! Gegen Antisemitismus, Nationalismus und Antiamerikanismus«.

Die Demonstration ist der Abschluss des antideutschen Kongresses, den das Berliner Bündnis gegen IG Farben am vergangenen Wochenende in der Berliner Humboldt-Universität organisiert hatte.

Dabei ging es nicht nur um die Fragen, warum deutsche Linke empfindlich reagieren, »wenn ihr Antizionismus als Antisemitismus entlarvt wird«, warum Linke ausgerechnet dann Toleranz forderen, »wenn Taliban angegriffen werden« und warum »ihre Völkerfreundschaft nicht ins Wanken gerät, wenn die palästinensische Nationalbewegung unverhohlen zum Töten von Schwulen und Juden aufruft«.

Eine Rolle spielte auch die Frage der praktischen Umsetzung einer Solidarität mit Israel. Diskutiert wurde eine Spendenkampagne zur Unterstützung der Israel Defense Forces (IDF). Das Achtziger-Revival einmal anders - statt »Waffen für El Salvador« nun »Waffen für Israel«! Passt dazu die bange Kongress-Frage, ob es »verschüttete Verbindungen zwischen Zionismus und Kommunismus gibt«?

Auf der Demo selbst geht es, zumindest verbal, direkter zu: »IDF in Ramallah, das ist die Antifa!« und »Von New York bis Paris, alle lieben Bomber Harris!« skandieren einzelne Demonstranten, israelische oder US-amerikanische Fahnen schwenkend. Die historische Premiere - zum ersten Mal demonstrieren deutsche Linke öffentlich für die USA - wäre dabei fast vom warmen Sonnenschein überstrahlt worden, hätte nicht ein Redner auf den bevorstehenden Bush-Besuch in der Hauptstadt hingewiesen. Man müsse überlegen, wie man demobilisierend auf den »unheimlichen Aufmarsch rechts- und linksradikaler Globalisierungsgegner und Antisemiten« einwirken könne.

Der Beifall der sonst eher ruhigen Demonstranten, unter ihnen die Journalistin Beate Klarsfeld, klingt entschlossen. Und am Rande hat eine übernächtigt aussehende Frau mit bauchfreiem Top einen Spruch dazu am Start: »Koks 'n Cola statt Koran!« Die Party hat gerade erst begonnen, mit oder ohne Habermas.