Sozialdemokraten gewinnen Wahl

Like a Hurricane

Die sozialdemokratische Revolutionspartei hat bei den Wahlen in der Dominikanischen Republik gesiegt.

Beinahe die Hälfte der 4,6 Millionen Stimmberechtigten in der Dominikanischen Republik hat es am Donnerstag vergangener Woche vorgezogen, sich nicht den Zeigefinger schmutzig zu machen. Viele genossen den arbeitsfreien Tag und blieben der Abstimmung über den Senat, das Abgeordnetenhaus und die Bürgermeisterposten fern.

Um zu verhindern, dass sich an der Wahl Mehrfachwähler beteiligen, die den »Volkswillen« verfälschen könnten, hatte man allen, die ihren Stimmzettel in die Kartonurne warfen, einen Finger eingefärbt. Die bisher veröffentlichten Teilergebnisse bescheinigen der sozialdemokratischen Revolutionspartei (PRD) einen nur von Optimisten in dieser Höhe erwarteten Sieg.

Als »einen alles niederreißenden Hurrikan« bezeichnete eine Abendzeitung angesichts der im Juni beginnenden Sturmperiode den wahrscheinlichen Wahlausgang. Staatspräsident und Regierungschef Hipólito Mejía, der seit zwei Jahren sein Amt innehat, wird sich künftig auf eine noch größere Mehrheit im Senat stützen können. Von den 32 Senatoren werden vermutlich 29 auf sein Kommando hören. Auch im Abgeordnetenhaus dürfte der Sozialdemokrat nunmehr über eine absolute Mehrheit verfügen. Im Senat hatte der PRD bisher mit 80 Prozent die absolute Mehrheit der Sitze. Im Abgeordnetenhaus waren 83 von 150 Mandatsträgern »Blancos« (Weiße), wie sie im Volksmund nach der Parteifarbe genannt werden. Weiß, mit nur wenigen farblichen Einsprengseln, wird nun die politische Landkarte in der Republik aussehen, die 8,5 Millionen Einwohner hat.

Die rechtskonservative Sozialchristliche Reformpartei (PRSC) von Joaquín Balaguer hingegen konnte zwei Provinzen rot einfärben. Und sollte es bei bei den Auszählungen nicht in der Schlussphase noch zu Überraschungen kommen, wird die Hauptstadt Santo Domingo von den Trägern der lilafarbenen Fahnen des ehemals linken, mittlerweile aber neoliberalen Partido de la Liberación Dominicana (PLD) regiert werden. PLD wie PRSC hatten als Oppositionsparteien eher ein Schattendasein geführt.

Vor der Wahl hatte die Zentrale Wahlkommission noch gemeint, in Stundenfrist zumindest die Ergebnisse der Senats- und Bürgermeisterwahlen verkünden zu können. Ein kühnes Versprechen, denn auch 48 Stunden nach der Schließung der Wahllokale sind immer noch nicht alle Ergebnisse bekannt. In Santo Domingo und der zweitgrößten Stadt des Landes, Santiago de los Caballeros, kam es zu Problemen zwischen den Wahlbeobachtern der einzelnen Parteien. Beide Städte werden von der PLD für sich reklamiert. Penible Nachzählungen, Einsprüche, Widersprüche und manchmal auch Handgreiflichkeiten zwischen den von den Parteien delegierten Wahlbeobachtern erschwerten die Ermittlung der Ergebnisse.

Während in den ländlichen Provinzen bereits mit der Auswertung der Abgeordnetenhauswahl begonnen wurde, waren in Santo Domingo erst gut 50 Prozent der Stimmen für das Oberhaus ausgezählt worden. Warum, fragte ein Sprecher des neoliberalen PLD, dauere just in der Hauptstadt, wo die Wege bis zum Datenzentrum der Wahlbehörde kürzer seien, die Bekanntgabe der Ergebnisse so lange? Die Parteimitglieder verstanden den unausgesprochenen Manipulationsvorwurf.

Am Freitagabend kam es in der Umgebung der PLD-Parteizentrale, die im Zentrum Santo Domingos liegt, zu Gewaltausbrüchen. Mitglieder der Violetten glaubten, dass die Verzögerungen bei der Auszählung mit dem Versuch zu tun hatten, sie um den Sieg in den beiden Großstädten zu betrügen. »Vaterland oder sterben«, grölten Vermummte mit heroischer Geste vor brennenden Barrikaden.

Doch der PLD ist tatsächlich der Verlierer der Wahlen. Von vier Senatoren dürfte der Partei nur noch einer bleiben. Und dass sie wahrscheinlich den künftigen Bürgermeister der Hauptstadt stellen wird und so die Gelegenheit bekommt, die Müllabfuhr endlich zu verbessern, dürfte die bittere Wahlniederlage nicht versüßen.

Vor dem Urnengang hatte die straff geführte Kaderpartei siegessicher verkündet, Staatschef Mejía, ein 61 Jahre alter Agronom, könne bald wieder Maniokwurzeln auf seiner Finca pflanzen. Das bleibt Mejía erspart. Schwer hat es dagegen Jaime David Mirabal von der PLD getroffen, der von 1996 bis 2000 das Amt des Vizepräsidenten bekleidete. Er werde sich aus der Politik zurückziehen, hatte er verkündet, wenn seine Heimatprovinz in die Hände der Weißen von der PRD falle. Sie ist gefallen.

Dabei sah die Ausgangslage für Staatschef Hipólito Mejía nicht besonders rosig aus. Die weltweite Wirtschaftskrise und sinkende Touristenzahlen hatten dem populistischen Präsidenten einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation in den bevölkerungsstarken Vierteln, den Bastionen der »Weißen«, misslang.

Das Wirtschaftswachstum, einst das höchste in Lateinamerika, schrumpfte von 7,3 auf 2,7 Prozent. »Verdiente Parteimitglieder«, die zwar auf den Gehaltslisten, jedoch nicht in den Behörden an ihrem Arbeitsplatz auftauchten, blähten den Staatsapparat auf. Alle rechneten mit erheblichen Stimmenverlusten für die Weißen. Aber anscheinend hat sich die Politik Mejías ausgezahlt, der in den letzten Wochen Trinkwasserpumpstationen, asphaltierte Straßen, Krankenstationen und Neubausiedlungen pressewirksam ihrer Bestimmung übergeben hatte.

Die neue Mehrheit im Senat und im Abgeordnetenhaus wird dem PRD bei der angestrebten Verfassungsänderung helfen. Seit der Reaktionär Joaquín Balaguer 1994 durch ausländischen Druck gezwungen wurde, sein Amt nach zwei Jahren zur Verfügung zu stellen und Neuwahlen auszuschreiben, ist in der Dominikanischen Republik die Amtszeit des Staatspräsidenten auf eine Amtsperiode begrenzt. Die Präsidenten- und die Parlamentswahlen mussten damals entkoppelt werden. Jetzt dürfte der Weg frei sein, die Verfassung so zu ändern, dass eine Wiederwahl des Staatspräsidenten zulässig ist. Präsident Mejía, der unliebsamen Berichterstattern schon mal die Steuerfahndung auf den Hals hetzt, dürfte dann erneut kandidieren.

An der politischen Realität wird sich dadurch wenig ändern. Dies wurde noch einmal während der Wahl deutlich. Während sich Frauen am Vormittag und Männer am Nachmittag stundenlang anstellen mussten, um ihre Stimme abzugeben, wurde dem ehemaligen Präsidenten Joaquín Balaguer, der die politischen Geschicke des Landes seit rund 60 Jahren beeinflusst, eine Sonderurne ins Haus gebracht. Der »alte Fuchs«, wie ihn Freunde und Feinde nennen, ist seit Jahrzehnten erblindet und hat seit Jahren nicht mehr sein Haus verlassen. Allerdings zieht er nach wie vor die Fäden. Als vor zwei Jahren Hipólito Mejía von seiner Finca in den Präsidentenpalast umziehen wollte, aber an der 50-Prozent-Klausel im ersten Wahlgang knapp scheiterte, verzichtete Balaguer auf einen zweiten Wahlgang. Mejía durfte sich die Schärpe des Staatspräsidenten umlegen lassen. Seitdem erörtert Hipólito Mejía seine politischen Initiativen zuvor mit Balaguer.