»Die Definition von Süß« von Parole Trixi

Parole Trixi Saves Us

Eine Band aus Hamburg will die Leben von Mädchen retten. Doch die retten sich längst selbst.
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Bei Parole Trixi machen mehr Frauen (drei) als Männer (einer) mit. Deswegen gelten die HamburgerInnen als Frauenband. Dazu noch als eine mit kritischen, wenn nicht gar feministischen Texten. Da Parole Trixi hauptsächlich recht brachiale melodiöse Rockmusik produzieren, die sich griffiger Drei-Akkord-Melodien bedient, ging es mit ihrer Etikettierung schnell voran. Parole Trixi sind die deutsch singenden Rrriot-Mädels aus Hamburg. So weit, so lahm, so kurz gegriffen.

Parole Trixie gründeten sich 1998. Nach anfänglichen Uneinigkeiten über die grundsätzliche Ausrichtung der Band, einigen personellen Veränderungen und um ein »e« im Bandnamen verschlankt, gingen Parole Trixi mit der Zeit musikalisch immer härter zur Sache. Während ihr Beitrag zu »Stolz und Vorurteil - A Compilation of Female Gesang, Gitarren und Elektronik« noch unter »melodramatischer Punkrock« rubriziert wurde, kommt mit ihrem vor kurzem erschienenen Debütalbum »Die Definition von Süß« ein harter Brocken Musik daher. Alternative-Avantgarde-Rock mit zeitweiligem Popappeal lässt sich auf diesem überbordenden Epos mit deutschen Texten und wildem Gesang heraushören. Das Ganze ist schwer verdaulich.

Entsprechend zwiespältig fällt die Rezeption des Albums in Deutschland aus. Trotz der bereits beschriebenen Dumpfbackenrechnung Frauen plus laut plus kritische Texte ergibt Rrriot, lobt man höflich den kritischen Anspruch, bemerkt die »Intensität« und fragt sich verlegen, ob das alles nun Konzept oder Spaß sein soll. Lauter Jubel oder vernichtende Kritik lassen sich hingegen nirgendwo finden.

Dabei drängt sich das Urteil »völlig überflüssig« bei der ersten Begutachtung von »Die Definition von Süß« förmlich auf. Es ist beispielsweise arg fragwürdig, in ein Platteninfo zu schreiben: »Parole Trixi sind Girl-Glam-Punk-Power.« Das klingt nach T-Shirt-Slogans der Marke »Zicke«, »Bitch« oder »Müsli«. Wer will denn noch einen Claim ernst nehmen, der seine besten Tage seit etwa vier Jahren hinter sich hat? Das wird durch die deutsch gesungenen Texte auch nicht besser.

Sleater Kinney, Bikini Kill, Le Tigre, Hole, Luscious Jackson - es gab und gibt sie noch, die famosen Frauenformationen, die extrem mitreißende Musik produzieren. Ob die Welt so etwas auch in deutscher Sprache braucht? Sandra Grether, die Sängerin der Band, findet das schon: »Jeden Abend, wenn wir auf die Bühne gehen, leisten wir Pionierarbeit. Mir wäre keine deutsche Band bekannt, die so etwas macht wie wir.«

Das letzte Konzert von Parole Trixi in Berlin war okay besucht und sogar richtig gut. Es war laut, man war mit Spaß bei der Sache, das Publikum bewegte sich und ließ sich bewegen. Aber es bleiben die Ungereimtheiten. Da wäre dieser Text im Platteninfo: »Parole Trixi sind gegen eine Praxis, in der Mädchen/Frauen suggeriert wird, dass sie sich überwiegend leise an unterdrückerische Zuschreibungen und Strukturen anzupassen haben, (...) sind gegen das viel zu selbstverständlich hingenommene Verstummen von Mädchen, sind für Do-it-Yourself-Aktivismus. Parole Trixi wollen Mädchenleben retten.«

Schön. Doch wie verträgt sich das kämpferische Anliegen dieser Info mit einem Songtext wie »Sie erzählen Dir, Du hättest eine Wahl, so meinungsfreie Agenturjobs sind ja gut bezahlt. Und stehst du nicht auf Web-Design, dann lass es Tamponwerbung sein, sonst schleim dich ein bei Young Miss und retuschier Model-Pics. Damit bald alle Frau'n ihren Augen nicht mehr traun, statt die Bilder zu entzaubern, begraben sie sich in den Beauty-Tipps und erwarten nichts«?

Entweder man beschließt, Parole Trixi nicht ernst zu nehmen, oder man muss ihnen attestieren, dass sie mangels einer Strategie überhaupt niemanden retten werden. Es lässt sich schließlich darüber streiten, ob es richtig ist, zu behaupten, Mädchen/ Frauen hätten keine Wahl. Genauso lässt es sich bemängeln, dass nahe gelegt wird, der hübsche Medienvoodoo, der täglich auf junge Frauen eindröhnt, führe unweigerlich dazu, dass diese von unerreichbaren Schönheitsidealen gemartert werden.

Es braucht auch niemand zu postulieren, er wolle Leben retten, wenn er sich dann, per sonischem Format, doch nur an den ausgewählten Kreis derer wendet, die sich eh zu den bereits Geretteten zählen können.

Denn diejenigen, die wirklich Hilfe benötigen, schauen wahrscheinlich am liebsten Viva Chart Attack und Bravo TV. Und dort bekommen sie nicht einen Ton von Parole Trixi ab.

Die strategische Erweiterung der Zielgruppe zeichnet dagegen gerade einen Act wie Le Tigre aus, dem durch zugängliches Packaging eine bessere Verbreitung der Inhalte möglich ist. Es mag sein, dass ein Teil der Fans den Texten keinerlei Aufmerksamkeit schenkt, doch hingehört wird trotzdem, und vielleicht bleibt dann auch etwas hängen. Bingo.

Ähnlich verhält es sich mit der aus Hamburg stammenden Band Stella. Deren letztes Album »Finger On The Trigger For The Years To Come« erlaubte es sich, in feinster 4-to-the-floor- und Breakbeat-Manier, locker-flockig einiges zum Krieg im ehemaligen Jugoslawien und noch mehr generell zur Politik und zur Genderdebatte loszuwerden.

Müssen kritische Texte also nach Chart-Maßstäben tanzbar sein, um besser vermittelt werden zu können? Das auch wieder nicht. Nur: Wer Leben retten will, sollte sich doch ein wenig stärker um die formale Aufbereitung kümmern. Und dafür kann musikalische Zugänglichkeit kaum schaden.

Passagenweise geht das bei Parole Trixi okay. Gitarre, Bass und Schlagzeug klingen zum Teil wirklich großartig. Es gibt schönen Rock, freigespielte Passagen, dichte und zugleich filigrane Arrangements. Der Gesang von Sandra Grether hingegen ist gewöhnungsbedürftig und oktavensprengend. Es muss schließlich eine Menge gesagt werden, und das in einem begrenzten Zeit/ Raum-Kontinuum. Um Parole Trixi zu mögen, braucht man wirklich offene Ohren und ein großes Herz.

Denn die Band hat keine Strategie und will doch einen Zweck erfüllen. Sandra Grether sagt im Interview: »Wir sind eine Band, keine Partei. Unsere Musik ist zu 100 Prozent Selbstzweck. Es wäre schön, wenn viele junge Mädchen mit noch unfertigen Lebensentwürfen unsere Musik hören und dann dazu mobilisiert werden, selber kreativ zu sein. Am schönsten finde ich es, wenn Mädchen ankommen und sagen, sie sind nach einem unserer Konzerte losgegangen und haben sich eine Gitarre gekauft.«

Etwas zu machen ist schließlich immer gut. Vergesst das Platteninfo. Parole Trixi machen Musik. Mehr nicht. Aufregende Musik.

Parole Trixi: Die Definition von Süß. WSFA / Indigo