Wahlerfolg der Rechten

Zum Sieg geschossen

Nach dem Erfolg der rechtspopulistischen Lijst Pim Fortuyn bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden herrscht Verunsicherung bei den Linken.

Was eine Kugel nicht alles ausrichten kann«, kommentierte Hans van Mierlo von der linksliberalen Partei Democraten '66 (D 66) das Ergebnis der Parlamentswahlen in den Niederlanden am Mittwoch vergangener Woche. Die Parteien, die dem linken politischen Spektrum zugeordnet werden, verloren nach den tödlichen Schüssen, die am 6. Mai auf den Spitzenkandidaten und Namensgeber der Lijst Pim Fortuyn (LPF) abgegeben wurden, 25 Sitze. Die parlamentarische Linke hat damit das schlechteste Ergebnis seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs erzielt.

Der größte Verlierer ist die sozialdemokratische Partij van de Arbeid (PvdA). Sie büßte die Hälfte ihrer Sitze ein und kann nur noch 23 Abgeordnete ins Parlament nach Den Haag entsenden. Der Spitzenkandidat der PvdA, Ad Melkert, konstatierte: »Wir haben eine ordentliche Tracht Prügel vom Wähler erhalten.« Aber man habe den politischen Willen, die Sozialdemokratie wieder nach oben zu führen, erklärte er. Allerdings ohne ihn. Er zog die politischen Konsequenzen aus der Niederlage und trat zurück.

Die rechtsliberale Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) konnte nicht vom Ruck nach Rechts profitieren. Sie ist mit 24 Sitzen nur noch die drittstärkste Fraktion. Ihr Parteivorsitzender Hans Dijkstal trat ebenfalls von seinen politischen Ämtern zurück. Er machte Platz für Gerrit Zalm, der in der abgewählten Koalition das Amt des Finanzministers bekleidete.

Große Freude herrschte hingegen beim Christen-Democratisch Appel (CDA). Auf der Wahlparty in Den Haag jubelte die Anhängerschaft über die erzielten 43 Sitze. »Das ist unglaublich, 35 Sitze wären schon schön gewesen«, meinte Joop Wijn vom CDA. Der Parteivorsitzende der nun stärksten Partei im Parlament, Jan Peter Balkenende, mahnte jedoch, die große Verantwortung, die nun auf der Partei laste, nicht zu unterschätzen. Denn im Parlament sitzt mit der LPF eine neue, politisch schwer einzuschätzende Kraft. Mit rechtspopulistischen Sprüchen hatte deren Gründer Pim Fortuyn versucht, die Ängste in der Bevölkerung vor allem vor Migranten zu schüren. Die Niederlande seien »voll«, es dürften keine Flüchtlinge mehr ins Land kommen, erklärte er. Auch die Wartelisten im Gesundheitssektor und die seiner Meinung nach aufgeblähte Bürokratie wollte er bekämpfen. (Jungle World, 20/02)

Nach dem Tod ihres Spitzenkandidaten wuchs die Anziehungskraft der Partei. Landesweit wurde sie zweitstärkste Kraft und erhielt 26 Sitze. Lucien Langeveld aus dem Rotterdamer Stadtteil Katendrecht, wo die Hälfte aller abgegebenen Stimmen der LPF zugute kam, meinte: »Als die LPF noch nicht existierte, hatten wir immer dieses politische Gebrabbel. Viel sagen, nichts tun. Pim hat das geändert. Ich habe mit seiner Hilfe wieder begriffen, worum es geht. Sogar mein Sohn begreift das.« Darum habe er die LPF gewählt.

Das gute Ergebnis für die Partei steht im kausalen Zusammenhang mit dem Tod des Spitzenkandidaten. Harry Bleeker von den D 66 meinte gar, »das Volk hat für unseren lieben Gott gestimmt und gegen Allah.« Die nationale Empörung über das Attentat entlud sich vor allem auf die parlamentarische und radikale Linke. »Wer links stimmt, ist ein Mörder«, sangen LPF-Anhänger beim Begräbnis des ehemaligen Soziologieprofessors.

Die antilinke Stimmung und der Rechtsrutsch bei den Wahlen haben die radikale Linke in den Niederlanden verunsichert. Zwar wurde am 11. Mai auf einem Treffen verschiedener linker Gruppen in Amsterdam davor gewarnt, sich durch die momentane »Anti-Links-Welle« einschüchtern zu lassen, jedoch fänden »keine Aktionen oder Demonstrationen statt«, berichtet Jan Tas von der Leidener Migranteninitiative De Fabel van de Illegaal. Selbst als am Samstag in Harderwijk, 70 Kilometer östlich von Amsterdam, eine Demonstration der neonazistischen Nederlandse Volks Unie (NVU) unter dem Motto »Für ein Verbot linksradikaler Aktionsgruppen« stattfand, fanden sich kaum Gegendemonstranten ein. Der Staat müsse die Partei endlich verbieten, heißt es lapidar in einer Presseerklärung der Antifaschistische Actie (AFA). Die Gruppe sah von Gegenaktionen ab, um sich nicht zur »Gewissensberuhigung für den Staat« missbrauchen zu lassen.

Weniger politischen Handlungsspielraum haben dagegen die so genannten illegalen Migranten. Die veränderte politische Lage stellt für sie ein großes Problem dar. »Mehrere Illegale sagten bereits vor der Wahl, dass sie auf ihre bedrohliche Situation aufmerksam machen müssten, sonst sei es zu spät«, erklärt Tas. Viele Kommentatoren rechnen mit einer Mitte-Rechts-Koalition aus Christdemokraten, Rechtsliberalen und der Lijst Fortuyn, da sie auf eine stabile Mehrheit von 93 Sitzen der insgesamt 150 bauen könnte. Aber auch eine große Koalition aus CDA, VVD und PvdA oder eine Mitte-Links-Koalition sind möglich.

Die LPF hat bereits angekündigt, für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung zu stehen. »Die CDA hat vom Erfolg Fortuyns profitiert«, meinte Mat Herben, seit dem vergangenen Donnerstag der Vorsitzende der LPF. Weiter sagte er, die CDA habe nun die »Ehrenschuld« gegenüber der Bevölkerung, die LPF mitregieren zu lassen.

Die CDA reagierte zurückhaltend auf die Avancen der LPF. »Die LPF will kein zusätzliches Geld in den Gesundheitssektor und in die Schulen stecken, das kann ich so nicht akzeptieren, ebenso wenig wie ihre Auffassungen über andere Religionen«, sagte ihr Parteivorsitzender. Die Bildung der Koalition müsse schnell erfolgen, jedoch dürfe man nicht vergessen, dass die Rechtspopulisten keine politische Erfahrung besäßen und obendrein nicht deutlich sei, wofür die Partei stehe. Die Partei existiere vor allem, weil sie die Unzufriedenheit mit den etablierten Politikern einige, umschrieb der LPF-Politiker Ferry Hoogendijk den Konsens in der Partei.

Der neue Vorsitzende hat nun die schwere Aufgabe, die bunt zusammengewürfelte Gruppe zu disziplinieren. Verschiedene Politiker, die für die LPF ins Parlament einziehen sollen, stehen in einem recht zweifelhaften Ruf. John Dost, bis vor kurzem stellvertretender Vorsitzender, wird Steuerhinterziehung vorgeworfen, Cor Eberhard soll, wie die Wochenzeitung De Groene Amsterdammer berichtet, in den Handel mit Internetpornos verstrickt sein, und Peter Langendam, der kurzzeitig Vorsitzender der LPF war, musste zurücktreten, weil er behauptet hatte, die etablierten Politiker seien mitschuldig am Mord an Fortuyn.

Trotz eines widersprüchlichen Programms und der Tatsache, dass es der Partei an Erfahrung mangelt, gaben viele Wähler der LPF ihre Stimme. Der Amsterdamer Politologe Cees van der Eijk glaubt, dass Meinungsforscher und Journalisten lange Zeit die falschen Fragen gestellt hätten. »Alle beobachteten nur, was die Wähler aus dem vorhandenen Politikangebot auswählen würden, vergaßen dabei jedoch zu prüfen, ob das Angebot ausreichend ist.« Mit der LPF sei nun eine neue Wahlmöglichkeit genutzt worden.

Ob die Partei Fortuyns tatsächlich als eine politische Alternative anzusehen ist, bezweifelt De Groene Amsterdammer: »Es ist unwahr zu behaupten, Fortuyn habe die politische Debatte wieder interessant gemacht. Dafür fehlte es einfach an Inhalten.«