KRS-One ist »Spiritual minded«

Der Erleuchtete

Die vorerst letzte Offenbarung: KRS-One ist nun »Spiritual minded«.

Ist mit KRS-One die letzte Ikone, die der linke Widerstand als »korrekten« HipHop anbeten konnte, konservativem Fundamentalismus anheimgefallen? Die Frage stellt sich, da der New Yorker Rapper, dessen mit Boogie Down Productions eingespielter Hit »Sound of Da Police« hierzulande regelmäßig auf linken Demos und Soliparties gespielt wird, plötzlich von der eigenen spirituellen Erleuchtung faselt und die Bibel anstatt wie bisher die Schriften von Malcolm X empfiehlt.

All die immer schon gerne verwendeten Metaphern, mit denen KRS-One seit gut 15 Jahren linksradikale Positionen einnahm, muss man mit dem Erscheinen seines neuen Albums »Spiritual Minded« plötzlich in ein ganz anderes Weltbild übersetzen. Die Formel des »conscious rap«, für die KRS-One immer paradigmatisch stand, bezieht sich nun nicht mehr auf politisches Bewusstsein, sondern auf spirituellen Durchblick (»Christ Consciousness«). Genauso wird die Verherrlichung von sex & violence im Gangsta-Rap nun nicht mehr wegen der konstatierten Reproduktion von Herrschaftsverhältnissen abgelehnt, sondern schlichtweg aus moralischen Motiven.

Um die eigene Bekehrung nochmals zu untermauern, wurde jedem Song seiner Platte als Verweis eine Bibelstelle angefügt, das Album beginnt mit Gospelchören und dem Song »Lord live within my heart«, und die Gospel-Rapper T-Bone und B.B. Jay, die der christlichen Holy-HipHop-Bewegung nahe stehen, sind Gäste auf einigen Tracks. Oh my god!

Lässt sich mit der Bekehrung von KRS-One gar die Formierung einer ganzen Phalanx christlicher Popmusik ausmachen, die von Xavier Naidoo bis zur Nu-Metal Band P.O.D. reicht? Schlägt also »der Westen« nach dem 11. September mit christlichem Fundamentalismus in der Popkultur zurück ?

»Spiritual Minded« ist von KRS tatsächlich als Reaktion auf den 11. September 2001 konzipiert. Jedoch ist sie dem Verständnis eines weißen christlichen Fundamentalismus diametral entgegengesetzt. In »Tears« etwa heißt es bei KRS-One: »Love your enemies, bless them that curse you (...) this goes for them terrorist too.« Hier wird im Gegensatz zur derzeit allgemein gepflegten Rächerrhetorik ein friedliebendes, vergebendes Bergpredigt-Christentum imaginiert, um gegen die Rede vom »holy war« zu argumentieren. KRS-One interveniert auf dem Terrain eines schwarzen Christentums, um so vom allgemeinen Diskurs abweichende politische Positionen stark zu machen.

Dass sich linke Utopien mitunter in der Tradition christlicher Heilserwartung artikulieren, ist nichts Neues. Aber die Art und Weise, mit der christliche Sinnsprüche als Beschreibung implizit linker Haltungen dienen können, frappiert immer wieder aufs Neue.

KRS-One schreibt im Booklet zu seiner Platte: »I have made it my life's work to be the light in the dark and the heat in the cold, the truth in an ignorant world.« Ein derartiges Erleuchtungsgeschwurbel würde man als Linke und Linker immer noch unterschreiben können, obwohl es sich doch ziemlich von früheren explizit linken Statements des Rappers unterscheidet. So hieß es 1997 auf dem KRS-One-Album »I got next« noch: »The rich will get richer and the poor will get poorer. In the final hour many heads will lose power.« Ob nun mit der »final hour« die Revolution oder die Apokalypse gemeint war, lässt sich nicht eindeutig klären, doch offensichtlich wurde die hier entstandene Ambivalenz mitreflektiert. Produktive Widersprüche hat KRS-One eben schon immer geliebt. So gab er zur Zeit von »I got next« Shows in Kirchen und betonte die »close ties« zwischen Spiritualität und Hip Hop, im selben Jahr bezeichnete er jedoch die Bibel in einem Interview als »the slave master's bible«.

Trotz KRS-Ones nun praktizierter universalistischer und auf Versöhnung ausgerichteter Bibel-Rezeption bleibt sein Vorstoß ins Religiöse eine Gratwanderung. Ganz unproblematisch ist sie nicht. Seine Betonung des Spirituellen etwa geht mit dem Aufruf einher, die Vergnügungen dieser Welt zu verschmähen. Seine eigene Position setzt er als absolut, alle anderen sind »still blind and lost«, reaktionärer Moralismus mischt sich mit Elitenbewusstsein.

Andererseits verzichtet die religiöse Orientierung von KRS-One auf ethnischen Nationalismus und andere Formen von Separatismus oder Identitätspolitik. Damit steht er im Gegensatz zur Anlehnung zahlreicher Rapper wie z.B. Public Enemy an die reaktionäre und antisemitische Nation of Islam.

Auf zahlreichen Websites in den USA ist anlässlich des neuen Albums von KRS-One eine Diskussion darum entbrannt, ob seine Wandlung wirklich ernst gemeint ist. In vielen Beiträgen wird der Verdacht geäußert, dass er lediglich seinen Pantheismus in ein christliches Gewand gepackt habe. Diese Deutung stützt sich vor allem auf den Text in »Know thyself«, in dem Allah, Jesus, Krishna und Buddha als einige der vielen Manifestationen eines einzigen Gottes bezeichnet werden.

Das ist vielen der Gospel-Rap-Fans dann aber wohl doch zu viel Pluralismus, und sie beschimpfen KRS-One wahlweise als Esoteriker bzw. Humanisten. Das Politische an KRS-Ones Hinwendung zum Christentum interessiert die Gospel-Hip-Hopper jedoch nicht.

KRS-One selbst dagegen sehr wohl. In seinem Song »The struggle continues« etwa stellt er die Entstehung von HipHop in eine historische Linie mit dem Protest gegen den Vietnamkrieg und die in den siebziger Jahren praktizierte Einschleusung harter Drogen in die Ghettos. Außerdem wird der rechtmäßige Ablauf der letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlen in Frage gestellt. Doch vor allem lässt er den Song auf spanisch beginnen, was vermuten lässt, dass für KRS-One eine christliche Orientierung auch als Brücke zu den Latinos in den USA dienen könnte.

Man kann sagen, dass er auf »Spiritual Minded« das umkämpfte Terrain der Religion dafür benutzt, in den USA minoritäre, oppositionelle Statements zu lancieren, die die imperialistische Vorherrschaft der USA kritisieren sollen. Anstatt auf essenzialistische Gegenidentitäten zu rekurrieren, wird der politische Gegner auf seinem eigenen ideologischen Boden angegangen.

Wenn das Religiöse schon nicht von außen bekämpft werden kann, so kann es wenigstens benutzt werden. Denkbar wäre deshalb ja auch ein Duett mit der marxistischen Gospelband Make Up, für die linkes Bewusstsein und religiöse Spiritualität kein Widerspruch ist. »Da sound of da police«, das wird trotz dem seit kurzem hell leuchtenden Heiligenschein letztlich klar, ist für KRS-One immer noch vor allem »Da sound of da beast« (Offenbarung 12,3).

KRS-One and The Temple Of Hiphop: »Spiritual Minded« (Koch Records)