Wahlkampf: Die Union hat ihr »Kompetenzteam« vorgestellt

Stoibers Schatten

Die Union hat ihr »Kompetenzteam« vorgestellt, mit dem sie in die Bundestagswahl ziehen will. Das Personal stammt aus einer vergangenen Zeit.

Wolfgang Schäuble ist offensichtlich einiges aus dem Ruder gelaufen. Noch vor wenigen Monaten schien sich der ehemalige Parteivorsitzende und große Stratege der CDU sicher, dass man bei der bevorstehenden Wahl höchstens einen Achtungserfolg erzielen könne, da es in der Geschichte der Bundesrepublik bislang nur einmal vorgekommen ist, dass eine Regierung abgewählt wurde, nämlich 1998. Zudem galt es als höchst unwahrscheinlich, dass Gerhard Schröder bereits nach einer Legislaturperiode das Kanzleramt wieder würde verlassen müssen.

Daher konnte Schäuble am Anfang des Jahres bedenkenlos der Nominierung Edmund Stoibers zum Kanzlerkandidaten zustimmen, denn mit dieser Kür waren die Führungsansprüche der CSU zunächst erfüllt. Im Jahr 2006 hätte man dann Roland Koch als Kanzlerkandidaten ins Rennen geschickt, mit dem auch die CSU gut hätte leben können und der für eine »werteorientierte« Politik und zugleich für eine »personelle Erneuerung« der CDU gestanden hätte. Somit wäre die CDU, gerade angesichts der nach einem Machtverlust zu erwartenden innerparteilichen Kämpfe in der SPD, erneut in der Lage gewesen, für mehrere Legislaturperioden die Regierung zu übernehmen.

Doch nun scheint es anders zu kommen. Momentan liegt die Union in den Umfragen wider Erwarten weit vorn, und wenn nicht der Kanzler in den angekündigten Fernsehduellen einen Umschwung herbeiführt, dann sieht es zappenduster aus für die SPD, aber auch für Schäubles Traum.

Dabei ist Stoiber keinesfalls der Grund für die gute Ausgangsposition der Union. Denn nicht nur die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Friedrich Merz, machen vor den Fernsehkameras eine schlechte Figur, auch Stoiber ist in den großen Politshows am Abend gescheitert. Er ist außerhalb der bayerischen Bierzelte ganz offensichtlich unpopulär, denn trotz aller Versuche, es zu übertünchen, spüren viele, wie wenig »weltoffen« und »modern« er ist.

Darum haben ihn seine Wahlkampfstrategen vorerst aus der Schusslinie genommen. Sie stellten ihm ein »Kompetenzteam« zur Seite, das zwar, wie die Parteiführung immer wieder betont, kein »Schattenkabinett« sei, tatsächlich aber als solches wahrgenommen wird. Zu diesem »Team« soll neben Merkel, die nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Ambitionen hege, den Fraktionsvorsitz zu übernehmen, und Friedrich Merz, der ins Finanzressort wechseln soll, auch der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) gehören. Er soll Bundesinnenminister werden und kündigte deswegen in der vorigen Woche schon mal an, im Falle eines Wahlsieges das rot-grüne Zuwanderungsgesetz rückgängig zu machen.

Ebenfalls dabei ist der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU), der in seiner Amtszeit den Abbau des öffentlichen Gesundheitssystems betrieb. Er soll sein damaliges Ressort erneut übernehmen und zudem für die Renten verantwortlich zeichnen. Der brandenburgische Innenminister und ehemalige Bundeswehrgeneral Jörg Schönbohm (CDU) könnte als Verteidigungsminister Deutschlands Militäreinsätze dirigieren.

Die CDU-Abgeordnete Katherina Reiche stehe als Umweltministerin auf der Stoiber-Liste, berichtete die in diesen Fragen stets gut unterrichtete Bild, und die Vorsitzende der Jungen Union, Hildegard Müller (CDU), soll für die Entwicklungshilfe zuständig werden. Schäuble schließlich, der zunächst noch als Finanzminister gehandelt wurde, sei nun für die Sicherheits- und Europapolitik vorgesehen. Da die FDP in einer möglichen Koalitionsregierung den Außenminister stellen dürfte, könnte Schäuble damit entschädigt werden, dass er der zukünftige Bundestagspräsident wird, mutmaßte Bild. Offiziell bestätigt hat das die CDU/CSU allerdings noch nicht.

Schließlich präsentierten Merkel und Stoiber ihren großen Coup. Lothar Späth soll, vorerst natürlich nur im »Kompetenzteam«, die Wirtschaftspolitik der Union skizzieren. Zwar reagierte die FDP, die ja in den 16 Jahren der Regierung Helmut Kohls auf das Wirtschaftsressort abonniert war, nicht eben begeistert, für alle anderen aber hatte die Unionsführung einen Treffer gelandet. Denn der 64jährige Lothar Späth, der Anfang der neunziger Jahre als Ministerpräsident von Baden-Württemberg zurücktreten musste, da ihm eine Affäre um Privatreisen auf Firmenkosten anhing, gilt in der öffentlichen Wahrnehmung als Siegertyp.

»Das Cleverle«, wie ihn Bild nicht müde wird zu nennen, wurde noch im Jahr seines Rücktritts 1991 Vorsitzender der Geschäftsführung der Jenaer Traditionsfirma Jenoptik und schaffte mithilfe drastischer Sanierungsmaßnahmen und Entlassungen die »erfolgreiche Eingliederung eines DDR-Kombinats in die Marktwirtschaft« (Der Spiegel). Das macht ihn, meint Stoiber, zum »personifizierten Aufschwung«. Außerdem stehe der »Multimacher« und »Vordenker« ganz und gar für »den Osten«.

Und doch macht diese Personalentscheidung vor allem die personellen Probleme der CDU deutlich. Späth, Seehofer und Schäuble sind alte Männer, die Hardliner Beckstein und Schönbohm sollen trotz fortgeschrittenen Alters als neue Kräfte durchgehen, und Merz hat sich in den zwei Jahren als Fraktionsvorsitzender nicht profilieren können und lässt sich nun offenbar umstandslos von Angela Merkel verdrängen. Die beiden anderen Frauen, Müller und Reiche, sind weitgehend unbekannt, und auch die baden-württembergische Bildungsministerin Annette Schavan, die die Süddeutsche Zeitung in der vorigen Woche als zukünftige Bildungsministerin handelte, hat sich überregional noch keinen Namen gemacht.

Doch weder um ein eine personelle Erneuerung geht es Stoiber und seinen Wahlkampfhelfern, noch um eine inhaltliche. Die Zusammenstellung des »Kompetenzteams« kann nur signalisieren, dass Helmut Kohl alles richtig gemacht hat. Mit derartigem Personal lässt sich vielleicht diese Wahl gewinnen, jedoch dürfte es kaum lange bestehen. Denn Deutschland muss »modernisiert« werden, so lesen es die Deutschen täglich in der Presse. Aber mit einem Kabinett der alten Herren wird dies kaum gelingen können. So ist für einen deutschen Pim Fortuyn oder Silvio Berlusconi also auch nach einem möglichen Sieg Stoibers noch alles offen. Für Roland Koch jedoch, Schäubles Liebling, wäre erst einmal alles verbaut.