Regierung will mit den Tamil Tigers verhandeln

Unfriedliche Mönche

Im Juni will Sri Lankas Regierung mit den Tamil Tigers in Bangkok verhandeln.

Etwa 1 000 buddhistische Mönche in ihren safranfarbenen Roben sitzen Mitte Mai meditierend vor dem Gebäude der Stadtverwaltung in Colombo. Die friedlich anmutende Veranstaltung wirkt auf den ersten Blick wie eine religiöse Feier. Aber die Mönche, viele von ihnen mit kahl geschorenen Köpfen, wollen ihren Protest gegen das Waffenstillstandsabkommen kundtun, das seit Februar zwischen der Regierung Sri Lankas und den Rebellen der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) besteht.

Nur zwei Tage später versammeln sich im 200 Kilometer weiter nördlich gelegenen Anuradhapura einige hundert Menschen vor der Statue König Duttugemunus in Sri Lankas alter Königsstadt. Darunter wieder zahlreiche buddhistische Mönche und sinhalesische Politiker, die in der Nationaltracht erschienen sind. Die Atmosphäre ist aggressiv. An diesem historischen Ort soll der sinhalesische König schon im zweiten vorchristlichen Jahrhundert den tamilischen König Ellalan vernichtend geschlagen und anschließend die ganze Insel unter sinhalesischer Herrschaft geeint haben.

Und auch die flammenden Reden, die gerade gehalten werden, beschäftigen sich einmal mehr mit dem sinhalesisch-tamilischen Verhältnis, das schon seit langem gestört ist. Elle Gunawansa, ein einflussreicher buddhistischer Mönch, beschwört seine Zuhörer mit nationalistischem Pathos: »Die Regierung von Premier Wickremesinghe spielt mit verdeckten Karten. Wir sind gegen Zugeständnisse an Tamilen. Die Verhandlungen, die die Regierung mit den Tamil Tigers im Juni aufnehmen will, sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Teilung des Landes.«

Wenn auch die beiden Protestaktionen nicht unbedingt für die Mehrheit der Bevölkerung sprechen, so zeigen sie doch, wie sich langsam eine Opposition bildet, um die Pläne des Premiers zu durchkreuzen. Seit Februar schweigen hier die Waffen in einem Bürgerkrieg, für dessen Beendigung Fachleute kaum noch eine Chance sahen. Mindestens 80 000 Menschenleben haben die Auseinandersetzungen zwischen den Regierungstruppen und den separatistischen Rebellen der LTTE gefordert, Hunderttausende wurden zu Flüchtlingen gemacht. Immense Verteidigungsausgaben von jährlich über einer Milliarde US-Dollar, eine zerstörte Infrastruktur, rückläufige Investitionen und die wiederkehrenden Krisen der Tourismusindustrie haben dem Land schweren Schaden zugefügt.

Erstmals seit der Unabhängigkeitserklärung von 1948 verzeichnete die Wirtschaft von Sri Lanka im vergangenen Jahr kein Wachstum, sondern sie schrumpfte um etwa eineinhalb Prozent. Die Fortsetzung des Kampfes gegen die LTTE auf gleichem Niveau hätte sich keine Regierung leisten können. So gab es nach den Parlamentswahlen im Dezember und dem Wahlsieg der bisher oppositionellen United National Party (UNP) unter dem neuen Premierminister Ranil Wickremesinghe erste Annäherungsversuche zwischen den verfeindeten Parteien.

Sie wurden befördert durch starken Druck vor allem der USA auf die tamilischen Separatisten, die im Zusammenhang mit dem von den USA angeführten »Kampf gegen den internationalen Terrorismus« zum Einlenken aufgefordert wurden. Ein zwischen der Regierung und der LTTE Ende 2001 vereinbarter Waffenstillstand ging im Februar in ein von Norwegen vermitteltes und von den USA, der EU und Indien unterstütztes »Memorandum of Understanding« über.

Das Abkommen, dessen Einhaltung seit Ende März von skandinavischen Beobachtern überwacht wird, hat weit gehende Reiseerleichterungen vor allem für die tamilische Bevölkerung gebracht. Die Wirtschaftsblockade der Regierung gegen weite Teile der von den LTTE kontrollierten Regionen im Norden der Insel wurde fast vollständig aufgehoben. Selbst die seit über zehn Jahren geschlossene Landverbindung zwischen den südlichen Landesteilen und der Halbinsel Jaffna ist im April wieder geöffnet worden. Den Tamil Tigers wurde von der neuen Regierung sogar erlaubt, in den bisher von den Streitkräften kontrollierten nordöstlichen Gebieten Büros zu eröffnen, um dort ihrer politischen Arbeit nachgehen zu können.

Freilich dürfen die Entwicklungen der letzten Wochen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Schwierigste noch bevorsteht. Es muss eine langfristige Lösung für den Konflikt gefunden werden, und das ist nur möglich, wenn es mit alternativen Angeboten gelingt, die LTTE von ihrer Forderung nach einem eigenständigen Tamilenstaat abzubringen. Nachgedacht wird in diesem Zusammenhang darüber, ob die LTTE ohne Wahlen und für eine nicht genau bestimmte Zeit eine Interimsregierung im überwiegend von Tamilen besiedelten Nordosten der Insel stellen sollte.

Während die Mehrheit der srilankischen Bevölkerung nach 20 Jahren Bürgerkrieg weiterhin den »Hauch von Frieden« genießt, geht der ganze Prozess vielen Tamilen nicht schnell genug. Sie glauben, die Regierung spiele wieder einmal auf Zeit und sei nicht wirklich am Frieden interessiert. Kritisch gestimmte Tamilen warnen davor, der LTTE die Regierungsgeschäfte im Nordosten zu übertragen. »Wenn das geschieht, wird auch noch der letzte Rest von Meinungsfreiheit fallen. Die LTTE ist eine totalitäre Organisation«, behauptet die von Tamilen gegründete Organisation University Teachers for Human Rights, die den Tamil Tigers weiterhin vorwirft, Kindersoldaten zu rekrutieren.

Unter den sinhalesischen Nationalisten mehren sich Stimmen, die etwa in Colombo oder Anuradhapura die Mehrheitsbevölkerung zum Widerstand gegen den »Ausverkauf des Landes an die Tamilen« auffordern und vor der im Juni in Bangkok geplanten Aufnahme politischer Verhandlungen zwischen der LTTE und der Regierung warnen. Sie behaupten, die LTTE diktiere der Regierung ihre Bedingungen für einen Frieden; es könne nicht angehen, dass »Terroristen« die Vorgaben machten und sich die Regierung auf alles einlasse. Die Nationalisten setzen sich dafür ein, dass die Regierung das Verbot der LTTE nicht aufhebt, sie fordern die endgültige militärische Zerschlagung der tamilischen Guerilla.

Doch die neue Regierung hat eingesehen, dass ein militärischer Sieg nicht möglich ist. »Wir müssen nach einer politischen Lösung innerhalb eines geeinten Sri Lanka suchen«, lautet folgerichtig die Devise. Deshalb soll auch noch vor der Aufnahme direkter Gespräche in Bangkok das Verbot der LTTE aufgehoben werden, schon deshalb, weil die Tamil Tigers sonst mit einem Boykott drohen.