Sierra Leone nach dem Wahlsieg von Kabbah

War dun dun

Präsident Kabbah hat die Wahlen in Sierra Leone gewonnen, er ist aber weiterhin auf UN-Truppen angewiesen.

Ein Jahrzehnt lang wurde Sierra Leone, das arme, aber diamantenreiche westafrikanische Land, von einem brutalen Bürgerkrieg verwüstet. Mittlerweile jedoch scheint die Bevölkerung das Schlimmste überstanden zu haben. Der Waffenruhe und dem Friedensabkommen vom vergangenen Jahr folgte das offizielle Ende des Krieges im Januar, nachdem über 45 000 Rebellen entwaffnet worden waren.

In der vorletzten Woche fanden in Sierra Leone Wahlen statt, die nach Aussagen internationaler Beobachter fair verliefen. »Es gab eine Anzahl logistischer Mängel, aber diese sind, soweit ich es beobachten konnte, auf ein Defizit an Ressourcen zurückzuführen und nicht auf politische Manipulation«, erklärte Johan Van Hecke, der Chef der EU-Wahlbeobachter, der BBC. Der amtierende Präsident Ahmad Tejan Kabbah gewann mehr als 70 Prozent der Stimmen und vermied mit diesem bequemen Vorsprung einen zweiten Wahlgang. Sein stärkster Rivale Ernest Koroma kam über 22 Prozent, während für den Rebellenführer der RUFP, Paolo Bangura, lediglich 1,7 Prozent stimmten.

Ein Schlamassel - das ist die passende Beschreibung der Politik in Sierra Leone. Nachdem im Jahr 1961 die Unabhängigkeit erreicht wurde, putschte insgesamt sechsmal das Militär, dreimal gab es Versuche, zu einer zivilen Regierung zurückzukehren. 1996 fanden zum ersten Mal Wahlen statt, zu denen mehrere Parteien antraten. Kabbah wurde Präsident, um ein Jahr später von Johnny Paul Koroma verdrängt zu werden. Dank einer militärischen Intervention Nigerias in den Bürgerkrieg kehrte Kabbah 1998 ins Amt zurück.

Indessen war die Revolutionäre Vereinigte Front (Ruf), die seit Anfang der neunziger Jahre die Regierung bekämpfte, 1997 und 1999 kurz davor, die Hauptstadt zu erobern. Der Ruf wird eine extreme Grausamkeit nachgesagt, ihre Mitglieder hackten ihren Feinden und auch zahlreichen Zivilisten Hände und Füße ab oder verstümmelten sie im Gesicht.

Stark war die Ruf nur, solange sie sich aus dem Diamantenhandel finanzieren konnte; doch schließlich waren die von ihren Mitgliedern begangenen Gräueltaten ein wichtiger Grund dafür, dass die Diamantenhändler ein Abkommen schlossen, den Handel mit allen Parteien des Konflikts zu stoppen.

Die Ruf ist zu einer politischen Bewegung geworden, seitdem sie den Buchstaben P, der für »Partei« steht, in ihren Namen einfügte. Ihr Führer Foday Sankoh sitzt im Gefängnis und erwartet wegen Kriegsverbrechen einen Prozess vor einem speziellen UN-Gericht. Anhänger der Ruf hoffen noch immer auf seine Freilassung, obwohl sie mehr als unwahrscheinlich ist, und ernannten Sankohs früheren Generalsekretär Bangura vorläufig zum Präsidentschaftskandidaten der RUFP.

Bei den Wahlen am 14. Mai kämpften neun Parteien um Sitze im Parlament. Doch schnell stellte sich heraus, dass es nur zwei Kandidaten mit Aussichten auf das Präsidentenamt gab, den amtierenden Präsidenten Kabbah von der Sierra Leone Volkspartei (SLPP) und Ernest Koroma, den Kandidaten des All Peoples Congress (APC), der Sierra Leone zwischen 1970 und 1980 als Einparteienstaat regiert hatte. Der frühere Militärdiktator Johnny Paul Koroma (nicht verwandt mit Ernest) und seine Friedens- und Freiheitspartei (PLP) scheinen gut mit den Polizei- und Streitkräften auszukommen, er landete auf dem dritten Platz.

Fast ohne Störung ging der Wahltag vorüber. 2,3 Millionen registrierte Wähler gaben ihre Stimme in mehr als 5 000 Wahllokalen ab. Schon Stunden vorher bildeten sich Schlangen vor den Wahllokalen, obwohl diese erst um sieben Uhr öffneten. Ohne Vorfälle warteten die Wähler in der prallen Sonne. In Schlüsselbereichen des Staates Beschäftigte durften bereits vier Tage zuvor ihre Stimme abgeben, um ihren Dienst beim Militär, bei der National Electoral Commission, der Feuerwehr oder der Polizei am Wahltag leisten zu können.

Am 11. Mai kam es in Freetown zu heftigen Auseinandersetzungen, als die Anhänger der regierenden SLPP nach einer Kundgebung versuchten, zum Hauptsitz der RUFP zu marschieren. Die Büros der RUFP wurden zerstört und geplündert, elf Menschen wurden verletzt. Die Kämpfe konnten erst beendet werden, als Truppen der United Nations Mission in Sierra Leone (Unamsil) Warnschüsse abfeuerten. Wer für die Eskalation des Konflikts verantwortlich war, konnte bislang nicht geklärt werden. Beobachter bestätigen dennoch, dass diese Wahlen die ersten seit 1961 waren, die weitgehend friedlich verliefen.

Der 70jährige Kabbah hatte einen deutlichen Vorteil in diesem Wahlkampf. Er präsentierte sich als Friedensstifter, und in gewisser Weise ist er es auch, denn er brachte die britischen Truppen ins Land, die ihrerseits die Unamsil beim peace keeping unterstützen. Diesem Vorteil hatten die anderen Kandidaten nur wenig entgegenzusetzen. »War dun dun« - »Der Krieg ist vorbei« - war Kabbahs Wahlslogan, doch ohne die ausländische Intervention wäre er zur Beendigung des Krieges nicht in der Lage gewesen. Sein Rivale Ernest Koroma versuchte, daraus einen Vorteil zu schlagen, indem er vor der Abhängigkeit von ausländischem Militär und fremder ökonomischer Hilfe warnte. Dennoch scheinen viele Menschen in Sierra Leone für die neuen Beziehungen zu ihrer früheren Kolonialmacht Großbritannien dankbar zu sein.

Derzeit gibt es 17 500 Unamsil-Mitglieder in Sierra Leone, die das Land nicht so schnell verlassen dürften. Obwohl die Kosten mehr als 700 Million Dollar pro Jahr betragen, gibt die UN vor, aus ihren Erfahrungen in der Zentralafrikanischen Republik und Angola gelernt zu haben. In diesen Ländern zog sich die UN nach den Wahlen schnell zurück, und der Bürgerkrieg entflammte alsbald von neuem.

Selbst die Gegner der RUFP hegten die Hoffnung, dass die früheren Rebellen wenigstens einige Sitze im Parlament erhalten würden. Denn Parteien, die ins System integriert sind, haben seltener die Neigung, zu den Waffen zu greifen. Doch die Wahlergebnisse zeigen, dass die RUFP keinen ihrer Repräsentanten ins Parlament schicken kann.