Kämpfe zwischen Maoisten und Regierungstruppen

Die Kreise werden kleiner

Die Eskalation der Kämpfe zwischen Regierungstruppen und der maoistischen Guerilla hat in Nepal zu einer politischen Krise geführt.

Getreu der maoistischen Lehre, von den Dörfern aus die Städte einzukreisen, begann die Kommunistische Partei Nepals vor mehr als fünf Jahren ihre militante Kampagne in West- und Mittelnepal. Mittlerweile sorgt die Guerilla in dem zuvor nur als Trekkingparadies und Standort des Mount Everest bekannten Königreichs nicht nur für Schlagzeilen in der ganzen Welt. Der bewaffnete Aufstand bedroht die Regierung um Premierminister Sher Bahadur Deuba ernsthaft und die militärische Eskalation gefährdet die parlamentarische Demokratie.

Die Hoffnungen auf ein Ende der blutigen Auseinandersetzungen zwischen den aufständischen Maoisten und dem nepalesischen Staat, die es nach dem Amtsantritt Deubas und dem Beginn eines Dialogs gab, wurden Ende des letzten Jahres wieder enttäuscht, als die Maoisten die Verhandlungen abbrachen und die Anschläge gegen staatliche Einrichtungen wieder aufnahmen. Die nepalesische Armee hat nach eigenen Angaben in den letzten sechs Monaten mehr als 1 500 Rebellen getötet, seit ihrem Beginn haben die bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen Schätzungen zufolge mindestens 5 000 Menschenleben auf beiden Seiten gefordert.

Die Regierung reagierte auf die maoistische Offensive mit der Verhängung des landesweiten Ausnahmezustandes. Kritik an den staatlichen Maßnahmen, insbesondere aus Kreisen der Presse, wird nicht geduldet, die Versammlungsfreiheit und andere Grundrechte sind außer Kraft gesetzt und die Armee ist mobilisiert. Die Aufnahme neuer Verhandlungen mit den Rebellen schließt Deuba kategorisch aus.

Stattdessen bat er Anfang Mai während eines Besuchs in den USA den Präsidenten George W. Bush um weitere militärische Unterstützung im »Kampf gegen den Terrorismus«. Bush hatte schon vor einiger Zeit Nepal zu einem der kritischen Länder am Rande der von ihm ausgemachten »Achse des Bösen« erklärt und seinen Außenminister Colin Powell nach Nepal entsandt. Im ersten Besuch eines US-amerikanischen Außenministers sah die Regierung Deuba denn auch einen großen Erfolg. Die USA boten ihre Unterstützung und Beratung bei der »Bekämpfung des Terrorismus« an.

Im eigenen Land ist Deubas Politik dagegen umstritten. Gegen seinen Plan, den Ausnahmezustand zu verlängern, protestierten Ende Mai nicht nur oppositionelle Abgeordnete, sondern auch Mitglieder seiner Nepalesischen Kongresspartei. Als Deuba daraufhin die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen beantragte, schloss seine Partei ihn aus. Am Donnerstag vergangener Woche klagten 56 Mitglieder der Kongresspartei vor dem Obersten Gericht gegen seine Entscheidung. Es sei »nicht richtig, das Parlament aufzulösen und vorzeitige Wahlen unter einem Ausnahmezustand abzuhalten«, erklärte ihr Sprecher Shankar Pasad Pandey.

König Gyanendra hat den Ausnahmezustand per Dekret um zunächst drei Monate verlängert. In einem Fernsehinterview zum ersten Jahrestag seiner Thronbesteigung (Jungle World, 26/01) äußerte der König sich jedoch recht konziliant und schloss Verhandlungen mit den Maoisten nicht aus. Gyanendra, der als konstitutioneller Monarch vor allem die Rolle einer nationalen Inegrationsfigur spielen soll, gab sich sogar kritisch: »Die Enttäuschung und das Misstrauen der Öffentlichkeit wachsen, wenn die Grundbedürfnisse der Bevölkerung nicht befriedigt werden und die Staatsführung sich indifferent gegenüber den Wünschen der Menschen zeigt.«

Der Hintergrund des Aufstands und der militärischen Auseinandersetzungen sind die vielfältigen sozio-ökonomischen und politischen Probleme. Auch zwölf Jahre nach der Demokratisierung durch die Anti-Panchayat-Bewegung herrschen gesellschaftliche Ungleichheiten, hohe Arbeitslosigkeit, die Unterdrückung von Kastenlosen und Armen sowie eine bis in höchste Regierungskreise reichende Korruption und Vetternwirtschaft.

Die nepalesischen Maoisten werden gelenkt von einer Gruppe linker Intellektueller, die sich die Anliegen der verarmten und benachteiligten Massen zu Eigen gemacht haben. Ihr ideologischer Kopf, der promovierte Architekt Baburam Bhattarai, glaubt, dass die Maoisten nicht das Problem, sondern die Lösung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme seien, unter denen die gesamte nepalesische Gesellschaft leide. Er will die Monarchie durch eine »Volksdemokratie« ersetzen.

Die Bewegung hatte während der letzten Jahre einen großen Zulauf gerade von jungen Nepalesen aus den armen ländlichen Gebieten zu verzeichnen, weil die schwierige wirtschaftliche Lage ihnen oft keine andere Wahl mehr lässt. Wegen ihrer immer brutaleren Vorgehensweise dürften sich die Maoisten jüngst jedoch einiges an Sympathien bei der Bevölkerung, für die sie vorgeben zu arbeiten, verscherzt haben. So wird die Guerilla beschuldigt, Zivilisten zu töten, die sie der Zusammenarbeit mit der Regierung verdächtigt. In der vergangenen Woche wurden nach einer solchen Aktion der nepalesischen Tageszeitung Kantipur zufolge im Bezirk Banke zur Vergeltung zwei Guerilleros von Dorfbewohnern getötet.

Mittlerweile hat der Konflikt auch schwere wirtschaftliche Schäden verursacht, vor allem in der für das Land so wichtigen Tourismusindustrie. Mit dem Ausbleiben der Ausländer ist die wichtigste Einnahmequelle fast völlig versiegt. Zwar ist es bisher nicht zu Anschlägen auf Touristen gekommen. Angesichts der wachsenden Intensität der Auseinandersetzungen dürfte es aber nur eine Frage der Zeit sein, dass auch ausländische Besucher von dem bewaffneten Konflikt betroffen werden.

Langfristig scheinen nur die weitere Demokratisierung sowie eine wirtschaftliche Entwicklung, die auch den verarmten Bevölkerungsteilen zugute kommt, Lösungsmöglichkeiten zu bieten. Die maoistischen Guerillaaktivitäten haben Nepal nun ins Blickfeld der US-Regierung gerückt. Deren bisherige Äußerungen, die den Konflikt allein als Problem des »Terrorismus« definieren, signalisieren jedoch wenig Verständnis für die historischen und gesellschaftlichen Ursachen der Auseinandersetzungen.