26.06.2002
Neonazis erhalten von der Stadt ein Haus

Heim in den Bunker

In Zittau überlassen die CDU und einige Stadträte der PDS einem neonazistischen Verein ein Haus aus städtischem Eigentum.

Es kommt nicht häufig vor, dass Antifa-Initiativen gemeinsam mit der SPD, freien Trägern und dem Verfassungsschutz an einem Strang ziehen. Im sächsischen Zittau existierte diese seltsame Allianz bis zum Donnerstag der vergangenen Woche. Das gemeinsame Ziel wurde dennoch nicht erreicht. Denn an diesem Tag stimmte der Zittauer Stadtrat auf Antrag der CDU dafür, dem Neonaziverein Nationaler Jugendblock e.V. (NJB) wieder ein städtisches Zuhause zu geben. Der Antrag wurde mit den Stimmen der CDU und einiger Stadträte der Freien Wähler und der PDS angenommen. Nur die SPD und der Oberbürgermeister Arnd Voigt waren dagegen.

Für die nächsten zwölf Jahre - so lange soll der vom Stadtrat beschlossene Erbbaupachtvertrag zwischen der Stadt und dem NJB gelten - darf die Neonazi-Organisation das leicht baufällige Haus in der Südstraße 8 nutzen. Der NJB, der beste Kontakte zur NPD pflegt, residierte zwischen 1992 und 2001 schon einmal in dem Haus, das auch »Führungsbunker der Oberlausitz« genannt wird. Bis im Sommer des vergangenen Jahres der damalige Bürgermeister von Zittau, Jürgen Kloos (CDU) überraschend den Mietvertrag für die Südstraße 8 kündigte.

Vor dem Rauswurf hatte der eingetragene Verein in der Südstraße regelmäßig Naziskinkonzerte mit mehreren hundert Besuchern veranstaltet und Neonazi-Aufmärsche wie den »Holger-Müller-Gedenkmarsch« organisiert, der auch in diesem Jahr Anfang Juli stattfinden soll.

Alle Versuche, mittels Sozialarbeit Einfluss auf die Entwicklung des NJB zu nehmen, scheiterten. Zwei Sozialarbeiter gaben entnervt auf. Lediglich ein Angestellter der Arbeiterwohlfahrt hält nun einsam die Kontakte zur rechten Klientel, doch über seine Konzepte will er mit den Medien nicht sprechen.

Die Neonazis reagierten auf die Kündigung des Mietvertrags mit der unverhüllten Drohung, dass nun »die Kontrollmöglichkeit über einzelne Mitglieder und Sympathisanten« entfalle, weshalb man »keinerlei Verantwortung für das Handeln einzelner Personen« übernehmen könne.

Kurz darauf schlugen findige Kommunalpolitiker einen Erbbaupachtvertrag als »Lösung« vor, dessen Laufzeit bei 33 Jahren liegen sollte. Sie erhielten dafür bei einer Stadtratsabstimmung im Oktober 2001 Zustimmung von fast allen Seiten: vom jetzigen Bürgermeister Arnd Voigt (Freie Wähler) und seiner Fraktion, von den PDS-Stadträten und von der CDU. Lediglich die fünf Stadträte der SPD mochten sich dem nationalen Konsens nicht unterordnen.

Die Situation eskalierte, nachdem das Landratsamt den Beschluss der Kommunalpolitiker wegen Formfehlern aufhob, diese sich im März aber weigerten, den Erbbaupachtvertrag rückgängig zu machen.

Im gleichen Monat zog der NJB in ein privates Ausweichquartier um, eine baufällige Gründerzeitvilla in der Lessingstraße. Somit fanden die Neonazis einen Platz im besten Wohnviertel der Stadt, nur wenige Häuser vom CDU-Bürgerbüro entfernt und direkt gegenüber der in der Reichspogromnacht 1938 vollständig zerstörten Synagoge, an die heute nur noch eine Steinplatte erinnert. Die neuen Nachbarn zeigten sich wenig begeistert von dem »nicht zu ertragenden Fremdkörper« in ihrer Nachbarschaft, beklagten »Mietverluste« und fürchteten »Gefahren für Leib und Leben«.

Eine »Eigeninitiative Lessingsstraße« wurde gegründet. Ihr Aufruf, die Problemkinder dahin abzuschieben, woher sie kamen, nämlich in das Haus Südstraße 8, unterschrieben rund 600 Bürger. Damit ging die Forderung einher, »sich nicht intolerant von außen beeinflussen zu lassen, sondern die Courage zu haben, Zittauer Kinder von Zittauer Bürgern nicht auszugrenzen«. Sollten die Stadträte keinen Vertrag mit dem NJB für die Südstraße 8 abschließen wollen, werde man dem NJB das Haus in der Südstraße eben selber kaufen.

Hilfe kam auch von der katholischen Kirchengemeinde Mariä Heimsuchung, deren Pfarrer Michael Dittrich in einem Beitrag für die Sächsische Zeitung eine Verschwörung witterte: »Die Einzigen, die in dem Fall Rückgrat zeigen, sind die Stadträte, die an ihrem Beschluss zum Erbbau-Pachtvertrag festhalten, und die Anwohner der Lessingstraße. Alle anderen beugen sich dem Diktat des Spiegel, der die Lawine losgetreten hat. Das Sächsische Innenministerium wird dabei genauso zur Marionette wie ein ratloses Landratsamt, zwei ängstliche Oberbürgermeister und eine Lokalredaktion, die leider sogar noch in mieser Weise Stimmung macht.«

Zu den »miesen Stimmungsmachern« zählte offenbar auch der Sächsische Verfassungsschutz, dessen Präsident sich eigens auf den Weg nach Zittau machte und anschließend in einem Schreiben an den Oberbürgermeister noch einmal darlegte, was nach zehn Jahren rechter Dominanz in Zittau eigentlich Allgemeinwissen sein könnte. Dass nämlich der NJB »eine der wichtigsten rechtsextremistischen Organisationen in Ostsachsen« ist, dessen Veranstaltungen von Gesinnungsgenossen aus ganz Deutschland besucht werden.

Wenn der Verein weiterhin seine als »national befreite Zone« bezeichneten Räumlichkeiten nach eigenem Gutdünken nutzen könne, warnte Sachsens oberster Verfassungsschützer, werde »sich die rechtsextremistische Szene in Ostsachsen weiter verfestigen, überregional verknüpfen und weiteren Zulauf bekommen«. Doch auch der Hinweis, beim NJB handele es sich nicht um »sozial benachteiligte Jugendliche«, sondern um eine »Gruppe von weitgehend gefestigten Rechtsextremisten in der Altersgruppe um 25 Jahre«, prallte an den Stadtpolitikern ab.

Dafür klingt die Ankündigung des CDU-Fraktionvorsitzenden Andreas Johne, der Landkreis und die Stadtverwaltung müssten nun »verstärkte Anstrengungen unternehmen, um die Jugendarbeit im NJB zu intensivieren«, angesichts der Erfahrungen des letzten Jahrzehnts wie eine Drohung.