DGB-Aktion für verfolgte Gewerkschafter

Mayday für Kollegen

Der DGB entdeckt die internationale Solidarität wieder und setzt sich für verfolgte Gewerkschafter in der ganzen Welt ein.

Wer in diesen Wochen als Tourist in Nürnberg dem Germanischen Nationalmuseum einen Besuch abstattet, dürfte sich die Augen reiben. Neben der sich ans Museum anschließenden »Straße der Menschenrechte«, hoch oben auf dem Dach des Hauses des Deutschen Gewerkschaftsbundes und auf zwei weiteren Gebäuden liest man in hohen roten Leuchtbuchstaben drei Namen: Dan Byung-Ho, Taye Woldesmiate und Tekin Yildiz. Sollten die Werbeschilder eines Sushi-Bar-Besitzers zu groß geraten sein? Oder handelt es sich um Reklame für asiatische High-Tech-Firmen?

Weder noch. Es sind die Namen von drei in ihren Ländern verfolgten Gewerkschaftern. Mayday nennt sich diese Aktion der IG Metall und der Menschenrechtsorganisation amnesty international. Der internationale Notruf im Funksprechverkehr wird hier zum Hilferuf für verfolgte, inhaftierte, gefolterte oder von der Todesstrafe bedrohte Gewerkschafter. Über 600 Fälle solcher Menschenrechtsverletzungen sind dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) bekannt, allein im vergangenen Jahr wurden mehr als 200 Gewerkschafter ermordet.

Stellvertretend für alle Opfer stehen die derzeit in Nürnberg zitierten Namen. Hat die Aktion im Fall eines der Gewerkschafter Erfolg, werden die Buchstaben abgenommen und durch den Namen eines anderen Verfolgten ersetzt. Als Beispiele für die vielen Länder, in denen Gewerkschaftsmitglieder starken Repressionen ausgesetzt sind oder ihr Einsatz für humane Arbeitsbedingungen schlichtweg verhindert wird, stehen momentan die Türkei, Südkorea und Äthiopien.

Tekin Yildiz ist Vorsitzender der Tüm Yargi-Sen, der türkischen Gewerkschaft der Beschäftigten im Justizsystem. Vor allem sein Bericht über die neuen Hochsicherheitsgefängnisse, so genannte Typ-F-Gefängnisse, hat zu seiner Verurteilung geführt, obwohl das Justizministerium offiziell der Auftraggeber des Berichts war. Seit dem März 2001 steht Yildiz vor Gericht. Im September 2001 wurden er und weitere Mitglieder seiner Gewerkschaft zu fast vier Jahren Haft verurteilt, und ihre politische Arbeit wurde durch permanente Schikane unmöglich gemacht. Die Urteilsbegründung lautete: »Unterstützung einer illegalen Organisation«.

Dan Byung-Ho, der Präsident der Metallarbeitergewerkschaft sowie des Koreanischen Gewerkschaftsbundes wurde 1996 insgesamt viermal verhaftet. Im März dieses Jahres ist er in Seoul wieder zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Man wirft ihm die Anzettelung eines »illegalen Streiks«, der Demonstration am 1. Mai, vor. Streik gilt in Südkorea als »Behinderung des Geschäfts« und wird grundsätzlich bestraft.

Der Präsident des Äthiopischen Lehrerverbandes (ETA) hingegen gilt für seine Regierung als »Terrorist«. Taye Woldesmiate, in den USA als Politologe ausgebildet, war bis 1993, als er entlassen wurde, Dozent an der Universität Addis Abeba. 1996 hat man ihn wegen »bewaffneter Verschwörung« und »Mitgliedschaft in einer geheimen Organisation« zu 15 Jahren Haft verurteilt. Er wurde in Isolationshaft gesteckt und in einer Dunkelzelle an Händen und Füßen gefesselt. 1998 erhielt Taye Woldesmiate den Menschenrechtspreis des internationalen Dachverbandes der Lehrergewerkschaften. Erfreulicherweise haben in seinem Fall die internationale Solidarität und die finanzielle Unterstützung durch amnesty international bereits zum Erfolg geführt. Woldesmiate ist im März aus der Haft entlassen worden.

Die Initiative zu der gemeinsamen Aktion kam nach Aussage des ersten Bevollmächtigten der IG Metall Nürnberg, Gerd Lobodda, von der Gewerkschaft. Sowohl der Blick aus seinem Büro im DGB-Haus auf die »Straße der Menschenrechte« als auch eine Veranstaltung von amnesty international zur Frage, wie Gewerkschaftern durch internationale Solidarität geholfen werden könne, veranlassten ihn, für verfolgte und bedrohte Kollegen in der Welt einzutreten. Der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel, und der damals noch amtierende Nürnberger Oberbürgermeister Ludwig Scholz (CSU) unterstützten die Idee.

Man wolle mit Informationen und mit Kunst im öffentlichen Raum den Menschen die Anliegen und Probleme von Gewerkschaften in der Dritten Welt oder in diktatorischen Verhältnissen näher bringen, sagt Lobodda. Bei der ersten Irritation durch die leuchtenden Lettern des Mayday-Projekts soll es nicht bleiben. Demnächst wird in der Nähe des Gewerkschaftshauses ein Bild-Terminal errichtet, an dem sich jeder über die Aktion informieren kann und die Möglichkeit hat, selbst E-Mails zu senden. Als zweites wesentliches Anliegen bezeichnet Lobodda die »moralische Unterstützung von außen«. Den Verfolgten solle vermittelt werden, dass sich »Menschen um sie kümmern«.

Natürlich erweist sich ein Appell an die Herrschenden des jeweiligen Landes als effizienter, wenn er von namhaften Firmen bekräftigt wird. So haben sich seit Beginn des Projekts bereits 20 Firmen bereit erklärt, Patenschaften zu übernehmen. Amnesty international und der Vorstand der IG Metall treffen gemeinsam die Entscheidung, welche Personen momentan besonderer Betreuung bedürfen.

Neben dem Sponsoring, etwa um juristischen Beistand für die verfolgten Gewerkschafter zu finanzieren, unterstützen die der IG Metall nahe stehenden Betriebe ihre Kollegen vor allem, indem sie Druck ausüben auf jene, »die Verletzungen von Gewerkschaftsrechten zulassen«, wie Zwickel zum Auftakt der Aktion Mitte Mai in Nürnberg sagte. So plant inzwischen ein Betrieb, der die Patenschaft für Tekin Yildiz übernommen hat, sich beim türkischen Konsul für den Gewerkschafter einzusetzen.

Am vergangenen Donnerstag fuhr eine Abordnung der IG Metall und des Turbinenherstellers Alstom Power zur koreanischen Botschaft in Berlin, um einen Protestbrief von Klaus Zwickel an den südkoreanischen Präsidenten, Kim Dae-Jung, zu überbringen. »Wir verurteilen alle gemeinsam die repressiven antigewerkschaftlichen Gesetze und die repressive Politik«, betonte Zwickel in seinem Schreiben. »Deshalb fordern wir, dass Sie den demokratischen Prozess sowie die Arbeitnehmerrechte fördern und einhalten, sofort alles in Ihrer Macht Stehende tun, um den Präsidenten der KCTU, Dan Byong-Ho, freizulassen, sofort alles in Ihrer Macht Stehende tun, um die Freilassung der anderen inhaftierten Gewerkschafter zu erwirken.« Gemeinsam mit Kollegen aus Berlin kam es vor der südkoreanischen Botschaft zu einer Protestkundgebung.

Ein wesentliches Ziel der Mayday-Aktion sei es, sagt Lobodda, die »internationale Solidarität lebendig werden zu lassen«. Tatsächlich stellt diese Solidarität vor dem Hintergrund der Globalisierung durchaus eine große Herausforderung für die Gewerkschaft in Deutschland dar. Sollen Kampagnen wie Mayday nicht eine reine PR-Aktion für den angeschlagenen DGB sein, müssen auch die deutschen Gewerkschaften ihre Aufgaben mehr als bisher als internationale Aufgaben begreifen.