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Schon wieder. »Hier spricht Abonnentin X aus Y. Die letzte Ausgabe ist erst am ...« Nicht doch. »Schickt ihr jemanden zum Autonomen Kulturfest in ...?« Oh nein. »Für ein Referat über Islamisten in Indonesien bräuchte ich dringend ...« Es reicht.

Wer nicht mit nach Frankreich gefahren ist und nun gelegentlich in den verlassenen Räumen der Redaktion vorbeischaut, um die Post hochzubringen, die Faxe und Mails zu sortieren, die Aboverwaltung zu beliefern, ordentlich buchzuhalten oder die Geburtstagsausgabe vorzubereiten, kann dem Telefonterror nicht entgehen. »Der letzte Artikel zur CDU war ja wohl sowas von skandalös, dass ihr euch nicht schämt ...«

Normalerweise sitzen hier zwischen zehn und 15 Redakteure und sprechen freundlich, aber bestimmt in ebenso viele Telefonhörer. Der Terror wird so gleichmäßig verteilt, man nickt sich zu, verdreht die Augen, die anderen ahnen, was da vor sich geht, eine Schicksalsgemeinschaft entsteht. Alleine aber machen sie dich ein. »Ihr müsst unbedingt unsere Presseerklärung zu dieser Umweltsauerei in Kärnten abdrucken, wenn nicht, dann ...«

Was dann? Ave Cäsar, die Hiergebliebenen grüßen dich. Wir hatten uns das alles nämlich ganz anders vorgestellt. Da fahren die Kollegen in ein Schullandheim mitten im tropischen Regenwald Europas, während hier richtig schönes Wetter ist. Gelegentlich schaut man mal im Büro vorbei, trinkt einen Kaffee, ruft in der Bretagne an, erreicht aber niemanden, weil die Handys bei Sturm keinen Empfang haben, zuckt lächelnd die Schultern und fährt dann ins Freibad.

Stattdessen ein »Sommerorkan - acht Tote in Berlin« (Berliner Kurier), Telefonterror (»Zu eurem Grenzcamp-Dossier muss ich unbedingt noch was nachreichen ...«), die Love Parade und gut gelaunte Kollegen in der Bretagne (»Mach's kurz, wir wollen gerade ins Wasser«).

Was soll's, der Wind dreht sich irgendwann immer, und hier hat man nachts wenigstens ein Zimmer für sich. Theoretisch zumindest.