Veröffentlichung einer Liste von Profiteuren des Berliner Bankenskandals

Verteile und herrsche

Mit der Veröffentlichung einer Liste von Profiteuren bedrängt die Initiative Berliner Bankenskandal die an der Hauptstadtpleite Schuldigen. Die Methode ist umstritten.

Über den Berliner Finanzskandal wird heiß diskutiert. Für den Politikprofessor Peter Grottian könnte die Sache schlechter laufen. »Immerhin« habe die »Beton-SPD« ihre Politik des »Brett drauf, Nagel rein, Schnauze halten« neuerdings geändert und lenke an manchen Punkten ein. Trotzdem sei es nach wie vor »zu wenig«, was die Politik unternehme.

Deshalb griff Grottians spontan gegründete Initiative Berliner Bankenskandal zu einem ungewöhnlichen Mittel, um auf die strafrechtliche Verfolgung der für die Pleite Verantwortlichen hinzuwirken. Der Zusammenschluss von Professoren, Gewerkschaftern und Attac-Mitgliedern publizierte eine Namensliste von 150 bekannten Immobilienfondsanlegern, um sie zur Aufgabe ihrer Sonderkonditionen bei der Berliner Bankgesellschaft zu bewegen. Denn diese gingen zu Lasten des ohnehin hoch verschuldeten Berliner Haushaltes und der Berliner Bürger.

In der Anlegerliste, die auf der Homepage der Initiative abrufbar ist, finden sich Prominente wie der ehemalige Berliner Fraktionsvorsitzende der CDU, Klaus Landowsky, die ehemalige Chefredakteurin der taz, Georgia Tornow, die Fußballerbrüder Kovac vom FC Bayern München sowie Horst-Eberhard Richter, der Psychoanalytiker und Vorsitzende der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges.

Die Ansichten über das Vorgehen der Initiative sind geteilt. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller warf Grottian kürzlich in einem Streitgespräch im Tagesspiegel »Verantwortungslosigkeit« vor. Dagegen meldete sein Amtskollege bei der CDU, Frank Steffel, aus dem Urlaub in Mallorca, er sei mit der »Bürgerinitiative« »völlig einig«.

Grottian, dem der Präsident der Freien Universität, Peter Gaehtgens, mit einer strafrechtlichen Verfolgung drohte, ist davon überzeugt, diese Aktion sei seine »Dienstpflicht« gewesen. Ohne das »provozierende Vehikel« der »schwarzen Liste« wäre das Thema überhaupt nicht mehr auf die politische Tagesordnung gekommen. »Wären wir mit braven Forderungen in irgendeiner Pressemeldung gekommen, hätten die doch gesagt: Die frühstücken wir ab!«

Aufgerüttelt durch den Proteststurm gegen die verantwortungslose »Blankoscheck«-Politik des Berliner Senats, sah sich inzwischen auch die Berliner SPD dazu veranlasst, Druck auf die rund 70 000 Anleger der Immobilienfonds auszuüben. Jedoch nicht ohne den gleichzeitigen Vorwurf an die Initiative, die Liste kriminalisiere die Genannten und lenke von den eigentlichen Problemen ab.

Tatsächlich zielt die Initiative mit der Namensliste weitgehend an jener »kriminellen Kerntruppe« vorbei, wie sie der Vorsitzende des Banken-Untersuchungsausschusses, Klaus-Uwe Benneter (SPD), kürzlich nannte, die das Land Berlin in Schwierigkeiten brachte. 1994 war die Bankgesellschaft Berlin (BGB) unter der rot-grünen Koalition gegründet worden und hatte im Hauptstadtrausch völlig übertriebene Investitionen in der Baubranche getätigt. Diese waren mit Immobilienfonds zu besonders günstigen Konditionen finanziert worden, von denen ein Teil - zu noch besseren Konditionen - ausschließlich Prominenten vorbehalten blieb.

Auf der Website der Initiative heißt es: »Durch ein System krimineller Immobiliendienstleistungsgeschäfte der Bankgesellschaft ist ein von der Politik gestütztes System der privaten Bereicherung de luxe auf Kosten des Landes Berlin entstanden. Die angeblich alternativlose 'Risikoabschirmung' von 21,66 Milliarden Euro ist dabei nur die Krönung. Die Politik hat diesen 'Blankoscheck' für Korruption, Misswirtschaft und Bereicherung verfassungswidrig zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger ausgestellt.« Allein im nächsten Jahr muss das Land Berlin 300 Millionen Euro an Verlusten der Bankgesellschaft ausgleichen.

Die Konstruktion der Bankgesellschaft sei von Anbeginn ein Fehler gewesen, meint der SPD-Sprecher im Untersuchungsausschuss, Frank Zimmermann: »Das Problem, dass der Staat für die Risikogeschäfte der privaten Teilbanken haftet, ist nicht gesehen worden.« Was nichts anderes heißt, als dass die frühere politische Führung des Landes versagt hat. »Es muss jetzt genau herausgearbeitet werden, wer dafür verantwortlich war«, sagt Zimmermann. Dies gelte für die Bankmanager, aber auch für die verantwortlichen Politiker in den Aufsichtsräten.

Immerhin finden sich einige von ihnen auf der veröffentlichten Liste. Das beste Beispiel ist Klaus Landowsky, seinerzeit nicht nur CDU-Funktionär, sondern auch Vorstand der BGB-Tochter Berlin Hyp, die es verhindern konnte, dass die Konzernspitze jemals ihre kreative Buchhaltung einsah.

»Im Interesse der Allgemeinheit« fordert nun auch Zimmermann im Hinblick auf die Verträge der Fondsanleger »eine Anpassung an marktübliche Konditionen«. Die Bankgesellschaft solle Kontakte zu den Kunden aufnehmen und mit ihnen über eine Veränderung ihrer Anlageverträge verhandeln. »Ich gehe nicht davon aus, dass eine solche Neuverhandlung mit den Anlegern die entscheidenden Entlastungen bringen würde«, schränkte Zimmermann seine Erwartungen allerdings gleich wieder ein. Noch pessimistischer äußerte sich der Finanzexperte der PDS-Fraktion, Karl Wechselberg. Er wies darauf hin, dass die Anteilseigner »rechtsgültige Verträge in den Händen halten«.

Auch Grottian vermutet einen schwierigen institutionellen Prozess. Es könne nicht ausschließlich mit problematischen strafrechtlichen Drohungen gegen die Anleger vorgegangen werden. Vielmehr müssten »umfassende Kommunikationsprozesse angekurbelt werden, die den Anlegern konkrete Möglichkeiten aufzeigen«. An einer Schließung der Bankgesellschaft sei niemand interessiert.

Für September kündigte Grottian die Veröffentlichung eines umfassenden Paketes mit Lösungsvorschlägen an. Außerdem wolle man auch die »Schweine-Verträge« der Versicherungen angreifen, die die verantwortlichen Politiker und Banker deckten. Hier werde man den betreffenden Konzernen freistellen, ob sie solche Verträge lösen oder aber - mit der abermaligen Veröffentlichung von Namenslisten durch die Initiative - ihre Reputation riskieren wollen. Ohnehin planen Grottian und seine Mitstreiter weitere Listen, die Berliner und süddeutsche Profiteure namhaft machen sollen. Allerdings will man auch diejenigen Anteilseigner erwähnen, die nachgeben und die Ziele der Initiative unterstützen.

Für Anfang September ist eine »Love Parade unter dem Motto: Wir lieben unsere Banker« geplant, die zu den Villen der Hauptverantwortlichen in den Grunewald führen soll. Auch in ihrer Existenz bedrohte Kitas und andere von Kürzungen betroffene Institutionen sollen mitmachen. »Das soll bloß keine Frust-Demo werden!«, wünscht sich Grottian.

www.berliner-bankenskandal.de