»Der Klitschko-Clan« im ZDF

Nein, diese Klitschkos

Das ZDF hat sich die Rechte an den Kämpfen des Hamburger Universum-Boxstalls gesichert und macht jetzt PR mit Niveau.

oxer wissen, dass der letzte Schlag der entscheidende sein kann. Und auch Filmemacher wissen, dass das Ende von großer Bedeutung ist. Die Schlussszene des ZDF-Vierteilers »Der Klitschko-Clan« über den Hamburger Boxstall Universum ist einer dieser entscheidenden letzten Schläge.

Die Szene geht so:

Eine Frau ruft aus der Küche ihrem im Wohnzimmer sitzenden Mann zu: »Dieter, mach' doch mal den Fernseher an. Ich will den Wladimir kämpfen sehen.« Der Mann drückt auf die Fernbedienung, man hört im Hintergrund die gesungenen Nummern der Telefonsexclips. Der Mann ruft in die Küche: »Da läuft doch nur Mist.« »Nee, Dieter«, antwortet die Frau, »Boxen läuft doch jetzt im Zweiten.«

Das ZDF sendete in den letzten Wochen, unterstützt von großem PR-Aufwand, die Dokumentation »Der Klitschko-Clan«, produziert von Michael Harder. Gezeigt werden sollte, wie es im Alltag von Profiboxern zugeht, wenn sie im Gym trainieren, wenn sie Familienprobleme haben, Geburtstag feiern oder eine Niederlage verarbeiten.

Ein spannendes Filmprojekt, sollte man meinen, und etliche Szenen dieser Dokumentation überzeugen ja auch. Wenn etwa der Film den WBO-Halbschwergewichts-Weltmeister Dariusz Michalczewski zeigt, wie er sich darüber aufregt, dass jemand die Sauna abgestellt hat, in die er sich nach dem Training hocken wollte.

Oder wenn das Leiden der Freundin des Mittelgewichtlers Bert Schenk, eines ehemaligen WBO-Weltmeisters, während eines Kampfes zu sehen ist. Hätte Schenk ihn verloren, seine Karriere, sein Beruf, seine Lebensziele wären zertrümmert worden. Schenk lag deutlich hinten, die Freundin wusste, was das heißt. Doch ihr Freund gewann letztlich durch einen Leberhaken, der Gegner ging K.o.

Das sind Szenen, die sich erhofft, wer eine Box-Dokumentation sieht. Es sind große Szenen.

Selbst dass der Autor Michael Harder oft dem Reiz der Nähe erliegt, die ihm gewährt wurde, ist mitunter unangenehm anzusehen, aber irgendwie doch verständlich. Er zeigt etwa den vergeblich am Flughafen auf seine Söhne wartenden Michalczewski - er lebt in Scheidung, und die Kinder sind bei seiner Frau -, und wie traurig sich der Boxer vom Flughafen zurückziehen muss. Das ist ein Moment großer Privatheit, der auch dann nicht an die Öffentlichkeit gezerrt werden sollte, wenn der Porträtierte sein Einverständnis gegeben hat. Aber, wie gesagt, es ist verständlich, dass ein Filmemacher stolz auf derart exklusives, weil eigentlich privates Material ist und es herzeigt.

Soviel zu den Vorzügen dieser Box-Dokumentation.

Dass sie in bester amerikanischer Dokfilm-Tradition die Protagonisten unter die Dusche verfolgt, wäre vielleicht noch zu loben, käme die Darstellung der Boxer als sympathische Zeitgenossen nicht nur und ausschließlich solchen Profis zu, die beim Boxstall Universum in Hamburg unter Vertrag stehen. Der ist nämlich Vertragspartner des ZDF, und daher darf das ZDF neuerdings exklusiv die Kämpfe Dariusz Michalczewskis und der Klitschko-Brüder zeigen, und deshalb gab es überhaupt diese Dokumentation.

Der Südafrikaner François Botha, der in einem WBO-Titelkampf gegen den Universum-Boxer Wladimir Klitschko unterliegt, wird nur in verzerrter Kampfpose, meist von unten kommend, gezeigt. Die Original-Kampfbilder, wie gesagt: in ZDF-Besitz, wurden verfremdet, und ein hässlich-animalisch ausschauender Botha kommt seinem Kampfnamen »weißer Büffel« recht nahe.

Als der Universum-Boxer Balu Sauer gegen einen anderen Schwergewichtler unterliegt, sieht man die Bilder, man erkennt, wie Sauer vergeblich motiviert werden soll, man hört im Nachhinein die Selbstzweifel des Trainers Michael Timm, weil er den Kampf nicht früher beendet hat. Bloß: An keiner Stelle erfährt der Zuschauer, dass Sauer von Timo Hoffmann verprügelt wurde. Der steht auf der Payroll des größten Konkurrenten von Universum, des Kölner Sauerland-Boxstalls.

Sauerland, der mit Henry Maske, mit Axel Schulz und zwischendurch auch mit Graciano Rocchigiani reich wurde und damals mit RTL verbändelt war, ist mittlerweile vertraglich an die ARD gebunden. Ein Grund für die Nichtbeachtung in einer ZDF-Doku.

Diese Anbindung einer sich als unabhängiges journalistisches Produkt gerierenden Dokumentation an die PR-Offensive des Senders bringt es nicht nur mit sich, dass die Konkurrenz nicht erwähnt wird. Sie hat auch zur Folge, dass die Boxer des Universum-Boxstalls überhöht werden.

Über Michalczewski heißt es im Off-Ton, pathetisch von Christian Brückner vorgetragen: »Vier weitere Siege werden ihn unsterblich machen. Zur Boxlegende wie Muhammad Ali und Max Schmeling.« Das ist natürlich Mumpitz, denn Legendenproduktion findet nicht mit der Statistik statt. Von Michalczewski und seines Managements Bemühungen, mal einen Kampf gegen den zurzeit vermutlich bedeutendsten Boxer, Roy Jones Jr., zu erheischen, erfährt man in allen vier Teilen nichts. Michalczewski, der gewiss ein Klasseboxer ist, vielleicht der zur Zeit beste oder zweitbeste Halbschwergewichtler der Welt, tut man keinen Gefallen, wenn man von ihm als Muhammad Ali spricht.

Was das ZDF aus der vierteiligen Dokumentation gemacht hat, an die sich zur Zeit ein Hype um ein Fitnesss-Buch der boxenden und promovierten Brüder, das als Vierteiler auch im stern zu lesen ist, anschließt, ist nichts anderes als eine der unzähligen unter dem Reportage-Etikett firmierenden Halbstünder auf RTL 2 oder ProSieben, die immer mit so lustigen Titeln wie »Titten, Turbos, Temperamente« daherkommen.

Das Handwerk der Filmdokumentation wurde in den Dienst der Sender-PR genommen, und es wird so getan, als habe das noch etwas mit Journalismus zu tun.

Die absurde Schlussszene mit dem Gespräch der Eheleute - es handelt sich um das Hausmeisterehepaar im Boxstall Universum - drückt dann den Zweck des angeblichen Dokumentarfilms ähnlich prägnant aus, wie ein K.o.-Schlag den Zweck eines Boxkampfes.

»Nee, Dieter, Boxen läuft doch jetzt im Zweiten.« Damit ist wirklich alles gesagt.