Der Querdenker

Wer nicht im Berliner Stadtbezirk FriedrichshainKreuzberg wohnt, hat es gut. Denn er oder sie muss nicht den Wahlkampf von Hans-Christian Ströbele ertragen. Ströbele hat ein Problem. Er wurde von den Grünen nicht mehr auf einen sicheren Listenplatz gesetzt und benötigt deshalb die Mehrheit der Erststimmen seines Wahlkreises, um weiterhin sein Ego als Politiker im Bundestag befriedigen zu können. Deswegen rennen nun dauernd Ströbeles Fans durch seinen Wahlkreis, mit Schildern, die vom »Querdenkenker« künden, man bekommt Briefe von Ströbele nach Hause geschickt, und außerdem rennt er auch noch persönlich durch die Gegend, um Wähler zu rekrutieren, als ginge es um die Aufstellung der Heilsarmee.

Der schlimmste aller seiner Werbecoups aber ist ein Plakat des legendären Cartoonisten Gerhard Seyfried. Er wird gerne »linkes Urgestein« genannt oder »Eigenbrötler« oder was man sich sonst noch so an Bezeichnungen für Leute ausgedacht hat, die schon 54 sind und immer noch für die Kifferzeitung Hanf zeichnen. Auf seinem Plakat sieht man Ströbele als Guru, den letzten Aufrechten mit Heiligenschein in einer Welt voller Korruption. Das Plakat ist schlimm, angeblich soll es irgendwie ironisch sein. Allein: Ironie lässt sich hier wirklich nicht erkennen.

Nun wäre das alles nicht gänzlich unerträglich, der Ströbele nicht, der Seyfried nicht und das Plakat auch nicht. Hätte Seyfried nicht in einem Interview mit der taz von sich gegeben: »Seit dem Mauerfall hat sich hier vieles verändert. Seitdem ist Kreuzberg zugeschissen worden mit Autos und es ist nicht eine Ampel dazugekommen. Und der Dreck nervt. Außerdem ist es sehr Monokulti hier, der ganze Kiez ist rein türkisch. Ich fühle mich hier nicht mehr zu Hause.«

Natürlich fällt es schwer, diesen Stumpfsinn Seyfrieds dem Gutmenschen Ströbele anzulasten. Aber der eine Querdenker hat sich den anderen ja nicht umsonst ausgesucht. Nun bleibt die Frage, ob die Rede vom Monokulti zum Querdenken gehört. Wohl eher nicht. Aber das Plakat Seyfrieds ist jetzt schon Kult, wenn auch Kult des Idiotischen, jedenfalls reden alle darüber. Deshalb wird man wegen ein paar xenophoben Äußerungen doch nicht eine gut gehende Kampagne ändern wollen. Das Plakat bleibt hängen.