Deutsche Handelsbeziehungen mit dem Iran und dem Irak

Die Despoten locken

Mit der wirtschaftlichen Expansion in den Iran und den Irak stellt sich Deutschland gegen die USA.

Trotz oder gerade wegen der Debatte über einen Angriff auf den Irak und scharfen Tönen der USA gegenüber dem Iran sieht die deutsche Wirtschaft in beiden Ländern große Chancen. Von einem Rückzug kann keine Rede sein, im Gegenteil. Die Bundesregierung unterstützt engere Wirtschaftskontakte.

Nachdem im Handel mit beiden ölreichen Ländern bereits in den vergangenen Jahren ein starker Anstieg zu verzeichnen war, wird sowohl im Iran als auch im Irak die Chance gesehen, an frühere Milliardengeschäfte anzuknüpfen. Und die Bundesregierung will diese Wirtschaftskontakte auch politisch unterstützen. Dafür setzt sie sichtbare Zeichen. Der Bundeswirtschaftsminister Werner Müller unterzeichnete am vorletzten Wochenende in Teheran ein neues Investitionsschutzabkommen. Müller war mit einer 40köpfigen Wirtschaftsdelegation in den Iran gereist.

»Die politische Flankierung ist gerade angesichts der US-Kritik an Teheran sehr wichtig«, betonte Jochen Münker, Nahost-Spezialist bei der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Kritische Nachfragen der US-Regierung, die einen Boykott des Iran fordert, werden mit dem Hinweis beantwortet, die deutsche Iran-Politik bewege sich im Rahmen der EU-Absprachen. Tatsächlich machen Frankreich und Italien bereits seit Jahren Milliardengeschäfte im Iran.

»Deutsche Unternehmen, die seit langem im Iran-Geschäft tätig sind, lassen sich von Debatten über 'Schurkenstaaten' ohnehin nicht mehr abschrecken«, meint Werner Schoeltzke, der Vorsitzende des Nah- und Mittelost-Vereins (Numov). Im Gegenteil erwartet er als Folge des nun vereinbarten Investitionsschutzabkommens einen starken Anstieg der bisher noch sehr geringen deutschen Direktinvestitionen. »Dabei dürfte es sich in einem ersten Schritt zunächst um Beteiligungen an iranischen Firmen handeln.«

Bundeswirtschaftsminister Müller sprach davon, dass dem Ministerium bereits 19 Anträge auf Deckung von Investitionen in Höhe von 225 Millionen Euro vorlägen. Der iranische Markt wird deshalb als so interessant angesehen, weil die Regierung in Teheran wegen des anhaltend hohen Ölpreises erhebliche Summen in den Ausbau der Infrastruktur stecken kann. Deutsche Firmen erhoffen sich vor allem in der Petrochemie, dem Anlagen- und Maschinenbau sowie dem Konsumgüterbereich große Aufträge. Entsprechend groß und hochrangig war die Wirtschaftsdelegation, die Müller nach Teheran begleitete.

Der Trend lässt sich auch an der Exportstatistik ablesen. So nahmen die Einfuhren aus Deutschland seit dem Jahr 1999 kontinuierlich zu und stiegen in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 17 Prozent auf 830 Millionen Euro. Aber auch die Geschäfte mit dem Irak wollen deutsche Firmen nicht abschreiben, obwohl hier sogar mit einem Krieg gerechnet werden muss. Die deutschen Ausfuhren stiegen in den ersten drei Monaten dieses Jahres jedenfalls um 46,6 Prozent auf 104 Millionen Euro.

Zwar ist die allgemeine Erwartung, dass wegen der Angriffsdrohungen der USA die deutschen Exporte in der zweiten Jahreshälfte erstmals seit zwei Jahren wieder zurückgehen werden. Sowohl im Wirtschaftsministerium als auch bei der DIHK wird damit gerechnet, dass Exporteure sich um die Bezahlung gelieferter Waren im Kriegsfall sorgen könnten. Doch nimmt man die zahlreichen Informationsveranstaltungen der IHK und des Nah- und Mittelostvereins als Maßstab, ist das Interesse am Land mit den zweitgrößten Ölreserven der Welt weiter groß. An der Internationalen Messe in Bagdad im November wollen trotz aller Kriegsdebatten wieder etliche deutsche Firmen teilnehmen. Im Vorjahr waren es mehr als 30.

Dabei wird in einem Newsletter, der auf der Website der Deutsch-Arabischen Gesellschaft verbreitet wird, davon ausgegangen, dass die USA den Irak »noch in diesem November« angreifen werden, um ihn »zu amerikafreundlichem Verhalten zu zwingen«.

Die Bundesregierung gewährt auch beim Irak-Geschäft ihre politische Unterstützung, wenn auch viel dezenter als im Falle des Iran. Schließlich hatte US-Botschafter Daniel Coats wegen Gerhard Schröders »Nein« zur Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak schon bei Kanzleramtschef Frank Walter Steinmeier vorgesprochen. Wegen der Verschärfung der Lage wird nun kein Wirtschaftsstaatssekretär zur Messe in Bagdad entsandt.

Doch die Kontakte ganz abbrechen will die Bundesregierung nicht. So unterstützt das Wirtschaftsministerium die Teilnahme deutscher Firmen an der Messe im Rahmen der Auslandsmesseförderung. Vertreter des Ministeriums und des Auswärtigen Amtes treten zudem weiterhin bei Informationsveranstaltungen der Wirtschaft auf.

Müller beurteilt die Lieferchancen für die deutsche Industrie nach der im Mai erfolgten Änderung der UN-Sanktionen als »gut«, »insbesondere in solchen für die irakische Wirtschaft gegenwärtig wichtigen Erzeugnisgruppen wie Baumaschinen, Stahlerzeugnisse, Kraftfahrzeuge, Landmaschinen und Medizintechnik«.

Der Vorstand des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) erklärt, mit den neuen Regeln seien für die deutsche Wirtschaft »90 Prozent der Ausfuhrverträge unproblematisch«, und aus dem Auswärtigen Amt kommt die frohe Botschaft, deutsche Unternehmen genössen »Präferenzen bei den Entscheidungsträgern der irakischen Wirtschaft«.

Ein Krieg der USA gegen den Irak würde den deutschen Unternehmen einen Strich durch die Rechnung machen. Deshalb ergreift die Wirtschaftslobby in diesen Tagen die Initiative. So veranstaltet der Nah- und Mittelostverein am Mittwoch in Frankfurt ein Seminar »on business opportunities in Iraq«.

Im Vorstand des 1934 gegründeten Vereins versammeln sich Vertreter großer deutscher Banken und Konzerne, von der Deutschen Bank, der Bayrischen Hypo- und Vereinsbank über die Thyssen Krupp AG, Siemens und Bertelsmann bis zur Deutschen Bahn. Die Politik stellt als Ehrenvorstandsmitglied den »Helden von Mogadischu«, Hans-Jürgen Wischnewski, und als Vorstandsmitglied die ehemalige SPD-Finanzexpertin Ingrid Matthäus-Maier, jetzt in der Geschäftsführung der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Bereits am 25. September werden sich Vertreter der Politik und der Wirtschaft ein weiteres Mal zur Diskussion über die Geschäftsaussichten mit Husseins Regime versammeln. Der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ludolf von Wartenberg, lädt zum »6. Gesprächskreis Irak« ins Berliner Haus der Deutschen Wirtschaft ein. Bei dem Treffen, das im Rahmen der »Nordafrika Mittelost Initiative der deutschen Wirtschaft« stattfindet, werden der Pressemitteilung des BDI zufolge der deutsche Geschäftsträger in Bagdad sowie hochrangige Vertreter des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums »den Unternehmen zur Beantwortung gezielter Fragen zur Verfügung stehen«.