Linke in Griechenland unter Druck

Zeit der Spekulationen

Der griechische Staat will eine Verbindung zwischen linken Aktivisten und der Terrorgruppe 17. November nachweisen. Viele reagieren darauf mit der Verleugnung ihrer politischen Vergangenheit.

Während sich die griechischen Ermittler damit brüsten können, die letzte linke Stadtguerillagruppe Europas ausgehoben zu haben, hat die griechische Linke nichts Besseres zu tun, als ihre Glaubwürdigkeit weiter zu beseitigen. Eingeschüchtert dadurch, dass einige der Mitglieder des 17. November aus den eigenen Reihen kommen und bereitwillig aussagen, beeilen sich viele, im Einklang mit der Regierung den Terrorismus zu verdammen. Im besten Fall wird die Einhaltung der Grund- und Strafprozessrechte der Gefangenen gefordert. »Die Linke ist dabei, ihre eigenen Kinder aufzufressen«, schreibt der Strafrechtler Giannis Panoussis.

Ein Beispiel dafür ist der Fall des Druckers Theologos Psaradelis. Er gestand nach seiner Festnahme Anfang August, 1985 an einem Bankraub teilgenommen zu haben. Er behauptet allerdings, nicht gewusst zu haben, dass seine Mittäter die Beute für den 17. November benutzen wollten. Er habe geplant, 1 500 Euro für die Herausgabe eines trotzkistischen Buches zu verwenden. Savvas Xeros, der Ende Juni festgenommen wurde, als eine Bombe vorzeitig in seinen Händen explodierte (Jungle World, 33/02), bestätigte Psaradelis' Aussage.

Gleichzeitig wies er den Verdacht kategorisch zurück, dass Psaradelis in weitere Taten des 17. November verwickelt gewesen sei. Obwohl er wegen seiner Kämpfe gegen die Militärjunta lange Zeit im Gefängnis gesessen hat und jahrelang ein bekannter Syndikalist der trotzkistischen Gruppierung OKDE war, lehnte es die Gruppe ab, ihn zu unterstützen. Sie will in der Öffentlichkeit nicht mit »Terroristen« in Verbindung gebracht werden.

Die KP und andere ML-Linke halten hingegen an ihren Verschwörungstheorien fest. Was zu tragikomischen Situationen führen kann, wie im Fall des angeblichen Mitglieds des 17. November, Sotiris Kondilis, der durch die Aussagen von Xeros belastet wird. Unangenehm für die Kommunisten ist, dass er mehrmals auf der Liste der KP-Abspaltung NAR an Kommunal-, Parlaments- und Europaparlamentswahlen teilnahm. Nach seiner Festnahme wurde er nun von seinen ehemaligen Genossen als Agent der USA bezeichnet. Da spielt es dann keine Rolle, dass auch Angehörige des Geheimdienstes wie der CIA-Mitarbeiter Richard Welch oder der britische Militärattache Steven Saunders von der Gruppe ermordet wurden.

Neben solchen kruden Vorstellungen gibt es aber auch selbstkritische Stimmen, die beklagen, dass der 17. November nur als Ersatz für die fehlende Oppositionskraft der Linken gedient habe. Der linke Komponist Mikis Theodorakis schreibt in einem Artikel in der linksliberalen Tageszeitung Eleftherotypia, die Linke habe die historische Chance versäumt, während der Militärdiktatur effektiven Widerstand zu leisten. Die Existenz des 17. November sei das Ergebnis dieser politischen Lücke gewesen. »Uns fehlte nicht nur der Mut, Verantwortung zu übernehmen, sondern viele haben damals auch zu den ersten Attentaten des 17. November applaudiert, als hätten sie den Zorn der radikalen Patrioten über die Verschonung der Junta-Folterer ausgedrückt«.

Ministerpräsident Kostas Simitis will nun Teile der Linken für sich gewinnen. Ende Juli erklärte er der griechischen Bevölkerung: »Das soziale Umfeld der Linken hat in diesem Land viele Kämpfe geführt und kann ein großes Angebot vorweisen. Man weiß, dass die Gewalt hierzulande verschiedene Wurzeln hat.« Der überwältigende Erfolg der Zeugenschutzmaßnahmen und der Kronzeugenregelung sowie die Marginalität radikaler linker Ansichten lassen die sozialdemokratische Pasok-Regierung gönnerhaft erscheinen.

Gleichzeitig versuchen die Staatsschützer, alle Stadtguerilla-Gruppen der achtziger und neunziger Jahre auszuheben und ihnen Kontakte zur antiautoritären Szene nachzuweisen. Bekannte Aktivisten haben Vorladungen zu einem »freundlichen Verhör« bekommen, wie die Polizei es nennt. Diese Verhöre haben keinen offiziellen Charakter, die Verdächtigen haben nicht die Rechte von Zeugen oder Angeklagten. In den Zeitungen kursieren zudem die Namen von Anarchisten, und die Ermittler hoffen, durch die Aussagen der Verhafteten das missing link zwischen dem 17. November, anderen Guerillagruppen und der anarchistischen Szene zu finden.

Die bedeutendste Stadtguerilla war der Revolutionäre Volkskampf (Ela). Die Gruppe wurde 1975 nach dem Ende der Militärjunta gegründet und löste sich 1995 selbst auf; in den ersten Jahren setzte sie zahlreiche US-amerikanische Autos in Brand und aus Solidarität mit den Gefangenen der RAF wurde in den späten siebziger Jahren eine Reihe von deutschen Firmen angegriffen. Ein Gründungsmitglied der Gruppe, Christos Kassimis, kam im Herbst 1977 bei dem Versuch ums Leben, die AEG-Zentrale in Berlin in die Luft zu sprengen.

Eine Abspaltung jener Gruppe, der »Juni 78«, übernahm im Jahr 1978 die Verantwortung für die Hinrichtung des ehemaligen Junta-Folterers Petros Babalis und erhielt dafür viel Zustimmung in der Bevölkerung. In der meistens gut informierten Zeitung To Vima wurde nun behauptet, der Angriff auf drei israelische Ziele im Jahr 1982 in Athen und die Zusammenarbeit mit der Volksfront zur Befreiung Palästinas bei einem Sprengstoffattentat auf die saudi-arabische Botschaft im Jahre 1983 lasse auf eine Infiltration durch Geheimdienstagenten schließen. Aus den Archiven der Stasi gehe andererseits hervor, dass die Organisation zur gleichen Zeit engen Kontakt zur so genannten Carlos-Gruppe aufgenommen habe. Allerdings habe sich ihr Beitrag auf die Beobachtung der Ziele und Vorbereitungsaktionen beschränkt.

Xeros, der in seiner 67seitigen Aussage erwähnte, dass Christos Tsoutsouvis ihn für die Ela habe anwerben wollen, gab damit den Gerüchten über die Verbindung zwischen dem 17. November und anderen bewaffneten Gruppen neue Nahrung. Tsoutsouvis war ein Mitglied der Gruppe »Antistaatlicher Kampf«, einer der zehn Gruppierungen, die aus der Ela entstanden sein sollen. Er starb 1985 bei einem Schusswechsel, nachdem er drei Polizisten getötet hatte.

Der noch gesuchte Bienenzüchter Dimitris Koufodinas soll früher ebenfalls ein Mitglied der Gruppe gewesen sein. Bereits in der Vergangenheit wurden verschiedene Anarchisten beschuldigt, Mitglieder der Ela gewesen zu sein. Bisher waren diese Anschuldigungen vor Gericht allerdings nicht haltbar.

Inzwischen wird allerdings auch versucht, eine ideologisch-philosophische Verbindung zwischen dem bewaffneten Kampf der Guerilleros und den Anarchisten herzustellen. So glaubt die Zeitung To Vima, dass die Entstehung des Guerillakampfes auf die Debatte zwischen Marx und Bakunin in der 1. Internationalen zurückgeführt werden kann.

Die Tageszeitung Ta Nea macht sogar den spanischen Anarchisten Buenaventura Durutti für die Entstehung der Terrorgruppen verantwortlich. Als Beleg für diese These muss herhalten, dass Dimtris Giotopoulos, der Vater des angeblichen Masterminds des 17. November, Alekos Giotopoulos, im spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat. Die Tatsache, dass er damals auf der Seite der trotzkistischen Poum stand, soll beweisen, dass beide Strömungen auch später zusammen kämpften.