NGO in Johannesburg

Eine bunte Profitruppe

Zehntausende VertreterInnen der so genannten Zivilgesellschaft haben sich auf den Weg nach Johannesburg gemacht. Sie suchen den »Geist von Rio«, der nach dem ersten UN-Weltgipfel im Jahr 1992 von vielen UmweltschützerInnen beschworen wurde. Damals wurde gar vom Aufbruch in eine »neue Weltordnung« geredet. Heute wissen wir, dass sie der alten verdächtig ähnlich ist und dass nur wenige ÖkologInnen über das kapitalistische Wirtschaftssystem hinausdenken.

Die politische Bilanz ist ernüchternd, darin sind sich selbst chronisch positiv eingestellte Realo-Umweltverbände einig. Aus dem bunten Haufen der NGO ist inzwischen eine Profitruppe geworden. »Wir sind jetzt erfahrener und können den Verhandlungsprozess direkt beeinflussen«, meint Martin Rocholl, der Vorsitzende des Umweltverbandes Friends of the Earth (FOE).

Vielen NGO geht es längst nicht mehr nur darum, den Protest zu organisieren. Die Umweltlobby sitzt am Verhandlungstisch oder steht zumindest einsatzbereit im Hinterzimmer. Das bringt auch Vorteile für die Regierungen. Sie können jederzeit testen, an welchen Punkten mit Kritik zu rechnen ist. Als »Fieberthermometer« will sich jedoch weder FOE noch eine andere Umweltschutzgruppe missbrauchen lassen.

Also lieber gar nicht hinfahren? Zum Boykott rief in Deutschland unter anderem die Bundeskoordination Internationalismus (Buko) auf. »Fahrt nicht hin! Macht was Schönes«, so ihr Rat, »lasst euch nicht von den Regierungen und Unternehmen instrumentalisieren!« Die Gefahr der Legitimation der offiziellen Pleite durch die bloße Präsenz der NGO sei nicht von der Hand zu weisen, gibt Pascal Husting zu, der in Johannesburg für Greenpeace am Verhandlungstisch sitzt. »Wir haben bisher in keinem Punkt das erreicht, was wir wollten.«

Bleibt noch der Gegengipfel, um die Bilanz der UmweltaktivistInnen aufzubessern. Doch am Tagungsort des Global NGO Forum im Industrieviertel Nasrec, mehr als 30 Kilometer vom offiziellen Tagungsort entfernt, sprächen Kollegen von einer Friedhofstimmung, stellt Husting fest. Es seien kaum Aktivisten dort, immer mehr wollten stattdessen ins offizielle Kongresszentrum.

Dort haben die großen NGO wie Greenpeace und Oxfam ihren festen Platz, ihnen hat die Uno einen Raum zur Verfügung gestellt.«Wir wollen den politischen Prozess so nah wie möglich verfolgen«, beschreibt Husting das tägliche Geschäft dort. Konkret bedeutet das, der zuletzt herausgegebenen Textversion hinterherzulaufen, die einzelnen Kapitel Punkt für Punkt zu verfolgen und möglichst viel Einfluss auf die Delegationsteilnehmer auszuüben.

Im Kongresszentrum arbeitet eine spezialisierte Profitruppe, äußerlich hat man sich den offiziellen Funktionären angepasst. Die entsprechende Kleidung ist auch unter Umweltlobbyisten obligatorisch, um, so Pascal Husting, »nicht aufzufallen und als gleichberechtigte Partner akzeptiert zu werden«. Ob diese Strategie der reinen Verhandlung die richtige war, will Husting jedoch erst nach der Konferenz diskutieren. Noch sei ein positiver Verlauf der Verhandlungen möglich. »Wenn nicht, müssen wir uns tatsächlich fragen, ob wir diesen Prozess durch unsere Präsenz letztlich nicht rechtfertigen.«