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Da ist sie. Die lange erwartete und gefürchtete Luft polaren Ursprungs. Gestern nacht brach sie über die Stadt herein. Erst der Nieselregen, dann die Kälte. Endlich hat Berlin sein angestammtes Wetter wieder. Juhu! Herbst! Es ist die Zeit, in der alle vernünftigen Menschen ins Reisebüro gehen und einen Flug buchen. Sehr beliebt sind in diesem Jahr Italien, Griechenland sowie alle warmen Orte, die man für 250 Euro anfliegen kann und in denen gerade kein Bürgerkrieg tobt. Mallorca ist out, kein Wunder nach der dritten Flutwelle.

Beliebt ist eigenartigerweise auch Kanada, obwohl es dort kalt und langweilig ist. Im Jahr 2000 wurde zum ersten Mal in der Geschichte des Landes Tränengas eingesetzt. Was haben die Kanadier vorher gemacht? Gold geschürft? Wer nach Kanada reist, ist ja kein Herbstflüchtling. Vielleicht fängt er nur ein neues Leben an. Fern von der europäischen Krisenregion. Im Gold schwimmend wie Dagobert in seinen Talern. Aber Vorsicht: Es gibt dort auch Grizzlybären. Sie suchen sich übrigens in dieser Zeit ein Plätzchen für den Winterschlaf. Wir würden auch gerne zum CvD sagen: »Ich geh jetzt, weck mich im März.«

Aber was bleibt uns anderes übrig? Wir, die Zurückgebliebenen, müssen uns langsam an die neue Jahreszeit gewöhnen. Und sie hat auch ihre guten Seiten. Die einen können wieder Tag und Nacht Videos schauen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, weil draußen schönes Wetter ist. Bei anderen sind Kerzen en Vogue, Laternen, Zimttee (baah!), Lebkuchen (iiih!) und lange Abende beim Vorlesen (gähn!).

Die Kneipen werden leer, keiner bewegt sich mehr auf den Straßen, die Kälte zieht ins Gebein - nein, nein, kann das wirklich sein? Verdammter Herbst, lass uns in Frieden! Wir wollen dich nicht, geh weg, du bist scheiße! Wir wollen im Görlitzer Park sitzen und grillen! Wir wollen Straßenmusiker hören, die »It's Now Or Never« spielen, während wir einen Capucchino in der Sonne schlürfen. Verstanden? Also verzieh dich wieder! Zurück zum Nordpol mit dir! Die Eisbären warten schon.