Antiterrorgesetze

Verdächtig sind alle

Von den neuen Antiterrorgesetzen in Spanien sind selbst Gewerkschaftsmitglieder betroffen.

Wenige Tage nach seiner angeblichen Verhaftung war die Überraschung groß. Fernando Pérez López, der im August im Zuge einer Aktion gegen angebliche Grapo-Mitglieder in Madrid festgenommen worden war, entpuppte sich eine Woche nach seiner Inhaftierung als Spitzel der Guardia civil.

Die Sache flog auf, als die Anwälte kurz nach seiner Festnahme den Richter Guillermo Ruiz Polanco nach einer Besuchserlaubnis fragten. Doch dieser erklärte, es sei ihm kein Gefangener namens Pérez Lopéz bekannt. Aber in der Presse, im Fernsehen und im Radio tauchte er als angebliches Mitglied der Grapo auf. Die Versuche der Anwälte, ihn zu sehen, waren vergebens. Fernando Pérez Lopéz existierte einfach nicht.

Das Schwarze Kreuz, eine anarchistische Gefangenenhilfsorganisation, erklärte in einem Kommuniqué, dass der angebliche Fernando Pérez López im Sommer 1997 von Barcelona nach Madrid gekommen sei. Schnell habe er sich für die Organisation Schwarzes Kreuz interessiert, in die er dann auch eintrat.

Sein Prestige in der linksradikalen Szene wuchs nach einem Zwischenfall im Jahr 2000. Im Zuge einer Solidaritätskampagne für Mumia Abu-Jamal wurde kurzfristig eine Filiale von Burger King in Madrid besetzt. Bei der Räumung wehrte sich Fernando Pérez gegen die Polizei, die ihn verprügelte. Diesen Zwischenfall hält das Schwarze Kreuz heute für eine theatralische Inszenierung.

Danach arbeitete der Spitzel mit der syndikalistischen Gewerkschaft CNT, den Mujeres Libres und vor allem mit der Afapp (Assoziation der Angehörigen und Freunde politischer Gefangener) zusammen, der er sich ebenfalls anschloss.

Seine »Verhaftung« geschah während einer gemeinsamen Aktion der spanischen, französischen und italienischen Behörden gegen mutmaßliche Mitglieder der 1975 gegründeten Revolutionären Antifaschistischen Gruppen 1. Oktober (Grapo). Im Juli wurden dabei 19 Personen verhaftet, zahlreiche Wohnungen und Räume politischer Vereinigungen durchsucht.

Doch nur fünf der 14 Verhafteten scheinen nach Angaben der Behörden der Grapo anzugehören. Und nur bei zweien von ihnen, erklärte der spanische Innenminister Angel Acebes, der zum rechten Flügel der Volkspartei (PP) gehört, fand sich eine Pistole; und einer der beiden war der Spitzel. Weitere Waffen, Sprengstoff oder sonstiges belastendes Material wurde nicht gefunden.

Die Grapo versteht sich als eine für alle Antifaschisten offene Organisation. Obwohl die Mehrheit ihrer Mitglieder immer aus der kommunistischen Bewegung kam, fanden sich in ihren Reihen auch Anarchisten, Autonome oder andere Antifaschisten. In den letzten Jahren gingen ihre Aktivitäten merklich zurück und beschränkten sich fast ausschließlich auf kleinere Geldbeschaffungsaktionen oder Sprengstoffattentate, um Arbeiterkämpfe und soziale Forderungen zu unterstützen.

Aber die Polizeiaktion richtete sich nicht allein gegen die Grapo. Denn bei den restlichen neun Verhafteten handelt es um vermutliche Aktivisten der PCE(r) (Kommunistische Partei Spaniens [rekonstruiert]). Einige bestreiten, überhaupt einer Organisation anzugehören. Andere haben bereits 20 Jahre im Gefängnis verbracht.

Der PCE(r) hatte einen juristisch nicht eindeutig definierten Status, doch seit 1975 wurden zahlreiche Mitglieder und Sympathisanten der Organisation verhaftet. Erst in diesem Jahr wurde die Partei in einem Gerichtsurteil zum ersten Mal für illegal erklärt, obwohl die Justiz immerhin noch zwischen ihr und der Grapo differenzierte. Der spanischen Regierung und den meisten Medien hingegen gelten beide Organisationen als »terroristisch«. »Französische Polizei und Guardia Civil setzen die neue Grapo-Spitze außer Gefecht«, titelte El Pais. Dass die Identität beider Gruppen niemals bewiesen werden konnte, stört dabei nicht.

Die Verhaftungen folgen einer ganzen Reihe von Gesetzesverschärfungen, die die spanische Regierung seit einiger Zeit erlassen hat. Zunächst änderten die Behörden den Namen der alten franquistischen Gesetze der »Repression gegen Banditentum, Kommunismus und Verschwörung« in »Antiterroristisches Gesetz«, das sich prinzipiell gegen jede bewaffnete Organisation richtet.

Danach schufen sie die juristische Figur der »Apologie des Terrorismus«, die den Aktionsradius der Repression gegenüber jenen erweiterte, die unter Umständen Gewalt gegen den Staat öffentlich verteidigen. »Wir machen die Terroristen fertig, und alle, die sie unterstützen, und alle, die die Absicht hegen, das zu tun, und alle, die mit ihnen sympathisieren, und später sehen wir weiter«, hatte der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar damals angekündigt.

Diese Definition des Terrorismus ist so weit gefasst, dass die Justiz »je nach Belieben und Notwendigkeit« Namen hinzufügen kann. Auf diese Art und Weise kann sie nicht nur störende politische Parteien wie den PCE(r) kriminalisieren, sondern auch Aktivisten von Solidaritätskomitees und linken Organisationen als Mitglieder, Kollaborateure und Sympathisanten verfolgen und verurteilen.

Die Definition des Terrorismus, die die Regierung bestimmt, wurde mit der Zeit noch ausgeweitet. So versicherte der Vizepräsident der spanischen Regierung, Mariano Rajoy, Ende Juli während eines Seminars über »Terrorismus und Kommunikation« an der Universität von Santander, dass die Gewalt auf den Straßen sich verringert habe, »seit sie als terroristisches Verbrechen betrachtet wird«.

Daher ist es auch nicht erstaunlich, dass sich selbst Arbeiterkomitees und Gewerkschaftsmitglieder immer häufiger in der Presse dem Vorwurf des Terrorismus ausgesetzt sehen. So wurden die Aktivitäten der Streikposten der Transportarbeiter auf den Balearen im Sommer als »gewerkschaftlicher Terrorismus« bezeichnet und der Pilotenstreik bei Iberia als »Standesterrorismus«.

Aber die spanische Regierung will nicht nur jeden unliebsamen Widerstand im Innern brechen, sondern auch die internationale Solidaritätsbewegung unterbinden. In enger Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden ging sie im Sommer auch gegen vermeintliche Unterstützer im Ausland vor. Im Juli wurde Claudio C. im Bahnhof von Vicenza als Mitglied der italienischen Sektion der Internationalen Roten Hilfe (IRH) verhaftet.

Zur gleichen Zeit führte die politische Polizei Italiens, die Digos, eine Razzia in sieben Wohnungen und Lokalen von Mitgliedern der Afapp bzw. der IRH in Vicenza und Padua durch. Sie wurde am folgenden Tag auf Wohnungen und Lokale in zahlreichen anderen italienischen Städten ausgeweitet.

Dem spanischen Beispiel folgend, versuchten die italienische Polizei und die Presse, die Repression gegen die italienischen Gruppen als »Kampf gegen den Terrorismus« zu legitimieren. Die Taktik, den Widerstand mit einem bestimmten Bild zu präsentieren, das die Rechtfertigung seiner Unterdrückung erleichtern soll, ist auch in Italien nicht neu.

Es reicht aus, sich daran zu erinnern, wie in Genua ein »Schwarzer Block« geschaffen wurde, um das harte Vorgehen der Polizei gegen die globalisierungskritische Bewegung zu rechtfertigen.