Annäherung der Bürgerkriegspartein in Sri Lanka

Zwei Schritte vorwärts

In Sri Lanka haben die leeren Statskassen und der ausländische Einfluss die Bürgerkriegsparteien zur Annäherung gedrängt.

Mit den in der vergangenen Woche in Thailand begonnenen Verhandlungen zwischen den Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) und der Regierung Sri Lankas ist das kleine Land im indischen Ozean auf dem Weg zum Frieden ein großes Stück vorangekommen.

»Die LTTE arbeitet nicht mit dem Konzept eines separaten Staates«, erklärte Anton Balasingham von der tamilischen Delegation auf einer Pressekonferenz. »Wir arbeiten mit dem Konzept eines Heimatlandes (homeland) und der Selbstbestimmung. Heimatland bedeutet nicht einen separaten Staat; es bedeutet ein Gebiet, wo Tamilen und Muslime leben. Zu sagen, dass die LTTE für Unabhängigkeit kämpft, hat keine Relevanz.«

Vor kurzem rechnete kaum jemand damit, dass der seit den achtziger Jahren andauernde Konflikt noch zu beenden sei und die LTTE von ihrer Forderung nach einer Etablierung eines unabhängigen Tamilenstaates abrücken könnte. Letztmals wurden vor über sieben Jahren die Gespräche zwischen den Konfliktparteien abgebrochen. Erst nach dem Regierungswechsel im Dezember des Jahres 2001 und dem Wahlsieg der bis dahin oppositionellen United National Party (UNP) unter dem neuen Premierminister Ranil Wickremesinghe kam wieder Hoffnung auf.

Sowohl die Regierung als auch die Rebellen wurden moderater. Hinzu kamen die Entwicklungen nach dem 11. September des vergangenen Jahres und der Druck der USA auf die LTTE im Zusammenhang mit dem von Amerika angeführten »Kampf gegen den internationalen Terrorismus«. Die Tamil Tigers wären bei einer Fortsetzung des Kampfes möglicherweise von den US-Amerikanern bestraft worden.

Andererseits waren es die leeren Staatskassen, die eine Einigung notwendig machten. Die neue Regierung Wickremesinghes hätte sich die Fortführung der Kampfhandlungen nicht leisten können, ohne das Land in den finanziellen Ruin zu treiben.

Unter norwegischer Vermittlung kam im Februar 2002 ein Waffenstillstandsabkommen zustande, seitdem ist weitgehend Ruhe eingekehrt, obwohl während der vergangenen sieben Monate beide Seiten mehrere hundert Mal dagegen verstießen. Es waren meist jedoch kleinere Verletzungen, die keine neuen Kämpfe auslösten.

Mit dem Waffenstillstand waren weit reichende Veränderungen verbunden, die sich auf das Alltagsleben der Bürgerinnen und Bürger auswirkten. Für die tamilische Bevölkerung des Nordostens traten Reiseerleichterungen in Kraft. Die Wirtschaftsblockade gegen einige von den Tamil Tigers kontrollierte Landesteile wurde aufgehoben. Selbst die seit über zehn Jahren unterbrochene Verbindung zwischen den südlichen Landesteilen und der Halbinsel Jaffna wurde vor drei Monaten wieder eröffnet und sorgt seitdem für regen Austausch von Menschen und Waren zwischen Nord und Süd.

Der LTTE wurde erlaubt, Büros auch in den bisher von Regierungstruppen beherrschten nordöstlichen Gebieten zu eröffnen, um dort ihrer politischen Arbeit nachgehen zu können. Und Anfang September fiel noch das Verbot der LTTE, womit eine Bedingung der Tamil Tigers für ihre Teilnahme an den Gesprächen in Thailand erfüllt wurde.

Freilich dürfen die Entwicklungen der letzten Monate nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sri Lanka immer noch am Anfang einer Normalisierung der Verhältnisse steht. Der 20 Jahre währende Bürgerkrieg hat enorme Spuren hinterlassen. Immer noch sind hunderttausende Tamilen Flüchtlinge im eigenen Land, etwa 700 000 leben als Flüchtlinge außerhalb Sri Lankas. Zahlreiche Dörfer und Städte im Nordosten liegen in Schutt und Asche, die Infrastruktur ist zerstört.

Und auch das Vertrauen zwischen den beiden großen Bevölkerungsgruppen der Insel, den Sinhalesen und den Tamilen, ist ramponiert. Viele Jahre werden vergehen, bis sie sich wieder angenähert haben und die vielen Wunden geheilt sind.

Ohne ausländische Nötigung, ohne die prekäre Finanzlage des Staates und die geschickte Vermittlung Norwegens und ohne das internationale Komitee zur Überwachung des Waffenstillstands wären die jüngsten Fortschritte kaum möglich gewesen.

Auf der einen Seite hat die LTTE ihre unnachgiebige Haltung aufgegeben. Es scheint, als missbrauche sie die Verhandlungen nicht als »Übung des Zeitgewinnens«, wie es ein westlicher Diplomat in Colombo jüngst formulierte.

Andererseits ist es Premierminister Wickremesinghe während der vergangenen Monate gelungen, alle inner- und außerparlamentarischen Angriffe abzuwehren. Es gibt genügend Stimmen in der sinhalesischen Mehrheitsbevölkerung, die den Friedensprozess als »Ausverkauf an die Tamilen« verdammen und die Aufhebung des Verbots der LTTE vehement kritisieren.

Ablehnend äußern sich sowohl die amtierende Präsidentin Chandrika Kumaratunga, gegen die sich der Premier bisher durchzusetzen vermochte, als auch sinhalesisch-chauvinistischen Parteien und Organisationen, die nun wieder ihren Unmut auf die Straßen tragen dürften. Die politisch einflussreichen religiösen Führer scheinen in dieser Frage uneins und treten zumindest derzeit nicht mehr »im Block« als Bremser auf. Einige prominente Mönche unterstützen die Anstrengungen des Regierungschefs.

Die Regierung und die LTTE müssen jetzt bald eine langfristige Vereinbarung finden. Klar ist derzeit nur, dass die LTTE schon recht bald die Interimsverwaltung des Nordostens übernehmen soll. So entstünde de facto eine von Colombo gestützte Regionalregierung für die überwiegend von Tamilen besiedelten Landesteile.

Zu berücksichtigen sind dabei vor allem die Forderungen und Ängste kleinerer Bevölkerungsgruppen. So fürchten zum Beispiel die Muslime im Nordosten, sie könnten von der größer werdenden politischen Dominanz der LTTE erdrückt werden.

Die norwegische Regierung, die maßgeblichen Anteil an dem bisher erreichten hat, gab inzwischen bekannt, die Gespräche würden vom 31. Oktober bis zum 3. November in Thailand fortgesetzt werden.