Fertigstellung der Pipline in die Türkei

Allein ins Mittelmeer

Die Ölleitung vom aserbaidschanischen Baku ins türkische Ceyhan wird endlich gebaut. von , taschkent

Fast ein Jahrzehnt der Interessenbekundungen, Planungen und Kostenrechnungen ist vergangen. Am 18. September war es dann soweit: Mit dem Bau der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline (BTC) wurde begonnen. Durch Georgien wird sie die aserbaidschanischen Ölquellen im Kaspischen Meer mit dem Hafen Ceyhan an der türkischen Mittelmeerküste verbinden. Sie ist die erste größere Pipeline, die ein ölreiches zentralasiatisches Land vom russischen Verteilungsnetz unabhängig macht. Zur Feier kamen außer dem aserbaidschanischen Präsidenten Heydar Aliyew auch seine türkischen und georgischen Amtskollegen Ahmad Sezer und Eduard Schewardnadse sowie der US-Energieminister Steven Abraham.

Dass die Pipeline nun gebaut wird, ist ein großer Erfolg für die USA. Sie ist mit mehr als 1 700 Kilometern die längste und teuerste mögliche Röhrenverbindung nach Westen, die USA hatten ihren Bau immer gefördert, weil sie iranisches und russisches Staatsgebiet umgeht. Russland hingegen hatte den Firmen seines Landes Investitionen in die BTC verboten.

Experten zweifeln deshalb, ob das 2,9 Milliarden Dollar teure Projekt mit einer Transportkapazität von einer Million Barrel pro Tag wirtschaftlich rentabel sein wird, auch wenn 70 Prozent der Baukosten internationale Finanzinstitutionen übernehmen, vor allem die Weltbank. Denn Aserbaidschan hat derzeit nur eine Exportkapazität von 800 000 Barrel pro Tag, und ein Teil davon muss vertragsgemäß durch Russland und Georgien zum Schwarzen Meer gepumpt werden.

Aber wenn es um die zentralasiatischen Energiereserven geht, wird hoch gepokert und oft genug geblufft; so behauptet das Betreiberkonsortium der BTC um den britischen Ölkonzern BP, es habe im aserbaidschanischen Teil des Kaspischen Meeres schon so viele Reserven entdeckt, dass die Pipeline auf jeden Fall ausgelastet sein wird.

Nach unabhängigen Einschätzungen muss das Betreiberkonsortium hoffen, dass auch Kasachstan sich entschließen wird, die BTC zu nutzen, weil sie sonst unrentabel bleibt. Zwar wird Kasachstan voraussichtlich nach dem Jahr 2005 zum fünftgrößten Erdölexporteur der Welt aufgestiegen sein. Dennoch muss das Land auch außenpolitische Faktoren in Rechnung stellen. Im Norden lebt dort eine große russische Minderheit, und Kasachstans Außenpolitik orientiert sich dehalb eng am nördlichen Nachbarn.

Außerdem streiten die Anrainerstaaten noch, wie das Kaspische Meer und sein Rohstoffreichtum aufgeteilt werden sollen. Auch hier wird Russland ein entscheidendes Wort mitsprechen und ist deshalb ein wichtiger Partner für Kasachstan, wenn es darum geht, sich gegenüber dem Iran durchzusetzen. Im Mai hat Kasachstan daher mit Russland vereinbart, den größten Teil seines Ölexports nach Norden zu pumpen.

Möglicherweise wird der andere Teil des kasachischen Öls sogar durch Turkmenistan in das iranische Verteilungsnetz gepumpt werden. Das wäre die kürzeste Variante, von der US-Firmen allerdings wegen der Wirtschaftssanktionen gegen den Iran ausgeschlossen wären.

Der französische Ölkonzern Total / Fina / Elf hat im Juli angekündigt, eine Projektstudie in Auftrag zu geben. Und der kasachische Ministerpräsident Tasmagambetov sagte just zwei Tage nach dem Baubeginn der BTC, dass eine durch den Iran verlaufende Pipeline rentabler, die BTC dagegen mehr von »der Politik als der Wirtschaft bestimmt« sei. Das kann zweierlei bedeuten: dass kein kasachisches Öl durch die BTC fließen wird, oder dass der Premier bessere Bedingungen herauszuschlagen sucht.

Der hoch spekulative Charakter des großen Spiels um die zentralasiatischen Energiereserven zeigt sich auch an der fast 1 500 Kilometer langen und voraussichtlich zwei Milliarden Dollar teuren Gaspipeline vom turkmenischen Feld Dovletabad quer durch Afghanistan ins pakistanische Multan.

Das Projekt ist zumindest zweifelhaft. Turkmenistan ist bekannt dafür, dass es die Gasmenge, die es angeblich jährlich exportiert, gerne übertreibt. Seit 1997, als mit großem Hallo seine Pipeline in den Iran eröffnet wurde, wurde deren Kapazität nie ausgenutzt. Auch die Russland vertraglich zugesicherte Menge lieferte das Land in keinem Jahr. Ohne große Investition in die Förderanlagen, da sind sich Experten einig, wird Turkmenistan seine Exportmenge nicht erheblich steigern können. Und solange das Land vom Turkmenbaschi - dem Präsidenten, dem das ganze Land huldigen muss - regiert wird, dürfte es keine günstigen Bedingungen für Auslandsinvestitionen geben.

Durch Afghanistan eine Pipeline zu bauen, scheint ebenso absurd. Wer sollte die Bauarbeiter beschützen und wer die Pipeline, die ein wunderbares Ziel für Anschläge abgäbe? Zudem ist der pakistanische Markt nicht groß genug, um ihren Bau zu rechfertigen. Aber im Nachbarland Indien gibt es großen Bedarf an Erdgas; vielleicht könnte man die Pipeline nach Delhi verlängern? Allein, Indien dürfte sich keinesfalls auf Energielieferungen aus Pakistan verlassen, einem Land, mit dem es seit mehr als 50 Jahren verfeindet ist.

Doch solche Pläne werden von Politikern erörtert, die durchaus ernst zu nehmen sind: etwa vom ehemaligen US-Botschafter in Turkmenistan, Michael Cotter. Und die Planung für den Bau der Pipeline wird entschlossen vorangetrieben, denn Turkmenistan, Afghanistan und Pakistan brauchen das Geld, das sie mit ihr verdienen könnten. Und die Vereinigten Staaten wollen die Pipeline. Die Asian Development Bank, deren größte Kapitalgeber die USA sind, hat Mitte September angekündigt, dass sie »eine führende Rolle« bei der Finanzierung der Pipeline übernehmen wird. Mit dem Bau könne bereits 2004 begonnen werden.

Viele Beobachter hat die Entschlossenheit, mit der die USA seit Mitte der neunziger Jahre versucht haben, die Pipelineprojekte in Zentralasien zu fördern, zu der Annahme verleitet, dass sie das vor allem aus wirtschaftlichen Gründen täten. Aber inzwischen sind sich die meisten Experten einig, dass die bestätigten Funde in der Region deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Oft wird die Zahl von 70 Milliarden Barrel genannt, die um das Kaspische Meer lagern sollen - das wären rund zehn Prozent der bestätigten Reserven der Opec.

Wichtiger als das Interesse der USA, die Abhängigkeit von den Reserven im Nahen Osten zu reduzieren, dürfte die strategische Lage Zentralasiens sein, seine Funktion als Drehscheibe zwischen verschiedenen Regionen und seine Nähe zu Russland und China. Kontrolliert man den Rohstoffexport der einschlägigen Länder, kann man sie einfach unter seinen Einfluss bringen. Und deshalb wird in Zentralasien wohl noch eine ganze Weile hoch gepokert werden.