Effizientete Abschiebung nach Jugoslawien

Jet nach Belgrad

Die Abschiebung jugoslawischer Staatsangehöriger soll jetzt noch einfacher werden. Am 1. November tritt ein neues Rücknahmeabkommen zwischen Deutschland und Jugoslawien in Kraft.

An jedem zweiten Mittwoch spielt sich am Düsseldorfer Flughafen das gleiche Schauspiel ab. Rund hundert Menschen werden dort gegen ihren Willen in Flugzeuge verfrachtet und nach Belgrad abgeschoben. Bald schon sollen es deutlich mehr Menschen sein, zumindest wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht. Am 16. September unterzeichneten Innenminister Otto Schily (SPD) und sein jugoslawischer Amtskollege Zoran Zivkovic ein neues Abkommen, das die Abschiebung jugoslawischer Staatsangehöriger aus Deutschland vereinfachen soll. Das Bundesinnenministerium bezeichnet das Abkommen zur »Rückübernahme ausreisepflichtiger Personen« mit der Bundesrepublik Jugoslawien als einen »wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der illegalen Migration aus der Balkanregion«.

Nach Schätzungen des Berliner Flüchtlingsrates sind derzeit rund 103 000 Menschen »ausreisepflichtig«, die vor den Kriegen auf dem Balkan aus der BR Jugoslawien nach Deutschland geflüchtet sind. Die meisten von ihnen leben bereits seit zehn Jahren hier. Ihre Kinder wurden in Deutschland geboren und gehen hier zur Schule. Dennoch sind sie seit zehn Jahren lediglich geduldet. Ein sicherer Aufenthaltsstatus wird ihnen verwehrt.

Von der Abschiebung akut bedroht sind an die 70 000 Menschen aus Serbien und Montenegro. Rund 80 Prozent von ihnen sind Roma. Seit April versuchen deshalb 500 Roma-Familien, mit einer Protestkarawane, die schon in mehreren deutschen Großstädten Halt machte, auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Sie protestieren gegen ihre drohende Abschiebung und fordern ein Bleiberecht in Deutschland, da sie in der BR Jugoslawien stark diskriminiert werden.

»Wir haben nichts zu verlieren«, beschreibt Dzoni Sichelschmidt, Sprecher des Centre of Integration, Affirmation and Emancipation of the Roma in Germany, die Situation der Roma-Flüchtlinge. Seit Ende August setzen sie ihren Protest mit einer Dauerdemonstration in Form eines Camps in Düsseldorf fort. Die Lage dort beschreibt Sichelschmidt als katastrophal, da wegen des schlechten Wetters viele Menschen krank und erschöpft seien. »Die Leute haben Angst, nach Hause zu gehen, weil sie abgeschoben werden könnten«, so Sichelschmidt. Denn trotz der Proteste hat sich bisher auf politischer Ebene nichts zugunsten der Roma geändert.

»Unsere Forderungen sind Abschiebestopp, Bleiberecht für alle Roma, die mehr als fünf Jahre in Deutschland leben, für die anderen eine dreijährige Chance«, so Sichelschmidt. Doch noch nicht einmal diejenigen Roma, die seit vielen Jahren in Deutschland leben, könnten mit einem dauerhaften Bleiberecht rechnen, beklagt der Flüchtlingsrat Berlin. Denn um von den so genannten Altfallregelungen zu profitieren, müssten sie ein zweijähriges Beschäftigungsverhältnis nachweisen - für die meisten Betroffenen ein unmögliches Unterfangen, denn häufig wird ihnen die dazu nötige Arbeitserlaubnis verweigert.

Besonders hart sind die Abschiebepläne der Bundesregierung vor allem wegen der andauernden Unterdrückung der Roma in Jugoslawien. »Selbst der Lagebericht des Auswärtigen Amtes konstatiert für Serbien und Montenegro, dass die Pflege der Kultur, die Freizügigkeit, der Zugang zu Bildung, die freie Berufswahl und andere Rechte zwar nicht per Gesetz, aber doch de facto eingeschränkt sind. Das ist nichts anderes als die diplomatisch zurückhaltende Beschreibung extremer Diskriminierung, die eine Existenzsicherung unmöglich macht«, erklärte die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl schon im Juli.

In dieser Situation vermögen indes die deutschen Behörden keine Hinderungsgründe für Abschiebungen zu erkennen. Da wundert es kaum, dass die Innenministerkonferenz im Juni ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht selbst für Minderheiten aus dem Kosovo ausschloss und auf eine baldige Rückführung der Flüchtlinge drängte. Anders als im Falle der Roma aus Serbien und Montenegro ist eine Abschiebung dieser Menschen jedoch derzeit noch nicht generell möglich, da sie der Zustimmung der UN-Mission für das Kosovo (Unmik) bedarf. Die Unmik kann nach eigener Aussage jedoch derzeit die Sicherheit von Minderheiten im Kosovo nicht garantieren.

»Ohne Lobby, ohne Selbstbewusstsein war und ist es immer noch leicht, diese Menschen auszugrenzen, zu verfolgen und ihnen ein Recht auf ein freies Leben zu nehmen«, sagt Sichelschmidt. Dafür gibt es auch hier genügend Beispiele. So sah sich das Protestcamp in Düsseldorf rassistischen Anfeindungen von den Medien, der Stadtverwaltung und von Bürgern ausgesetzt. In einem Flugblatt fordert eine »Initiative gegen das Romalager in Flingern« die »sofortige Räumung des Platzes, da es durch die Angehörigen dieser mobilen ethnischen Minderheit zu gravierenden Störungen der öffentlichen Sicherheit« komme. Derartige Ressentiments finden sich auch in den Pressemitteilungen des Innenministers, in denen Bürgerkriegsflüchtlinge als »rechtswidrig aus Jugoslawien eingereiste Personen« bezeichnet werden.

Wie solche »unerwünschten Personen« schnell und effizient abgeschoben werden können, ist in dem neuen Rückübernahmeabkommen geregelt, freilich nach »modernen Rückübernahmestandards der EU«, wie Otto Schily stolz erklärt. So soll etwa der Verwaltungsaufwand nun erheblich reduziert werden. Bald schon reicht es zur »Rückübernahme« aus, wenn den Behörden ein Dokument vorliegt, mit dem die jugoslawische Staatsangehörigkeit nachgewiesen werden kann. Bisher galten die Regeln des ersten deutsch-jugoslawischen Rückübernahmeabkommens von 1996, wonach zunächst eine Anfrage zur Bestätigung der Staatsangehörigkeit an die jugoslawischen Behörden gestellt werden musste. Erst nach deren Einwilligung konnte die deutsche Seite die Abschiebung einleiten.

Neu in der Vereinbarung ist auch die Rückübernahmepflicht für Drittstaatenangehörige und Staatenlose, die via Jugoslawien nach Deutschland eingereist sind. Innenminister Schily lobte die Unterzeichnung des Abkommens als »Zeichen der Annäherung der jugoslawischen Regierung an Europa«.

Das neue Verfahren tritt am 1. November vorläufig in Kraft. Die Roma geben die Hoffnung jedoch nicht auf. So hatte Claudia Roth, die Bundesvorsitzende der Grünen, ihnen noch vor der Wahl versprochen, mit einer Delegation in die BR Jugoslawien zu reisen, um eine eigene Einschätzung der Lage vorzunehmen. Ob eine solche Mission zu einer dauerhaften Bleiberechtsregelung für die Roma führt, ist jedoch angesichts der Erfahrungen mit der rot-grünen Migrationspolitik mehr als fraglich. Ein grünes Fraktionsmitglied sieht denn auch einen Gegensatz zur Anerkennung bosnischer Flüchtlinge, die immerhin »einen wirtschaftlichen Nutzen« besessen hätten, wie eine Kampagne süddeutscher Unternehmen zum Schutz ihrer bosnischen Angestellten bewiesen habe.

Auf eine solche Lobby können die Roma in Düsseldorf nicht zählen. Dennoch gibt sich Sichelschmidt als deren Sprecher selbstbewusst: »Abschieben oder verjagen lassen wir uns nicht. Wenn es keinen Ausweg mehr gibt, werden wir Deutschland als freie Menschen kollektiv zu Fuß verlassen.«