Richtungsstreit in der Union

Familienkrach

Als Edmund Stoiber seinen Anhängern am Wahlabend zurief: »Wir haben die Wahl gewonnen«, war es nach seiner Anrede Sabine Christiansens als »Frau Merkel« das Lustigste, was er in diesem Jahr von sich gegeben hat. Denn die Union hatte die Wahl verloren und obendrein ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei Bundestagswahlen erzielt.

Seitdem ist die viel beschworene Einheit dahin. Die Welt am Sonntag warnte schon vor einer »Spaltung der Union«. Denn zwischen der national-konservativen Strömung, die vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) angeführt wird, und der liberalen Strömung um die Parteivorsitzende Angela Merkel (CDU) und den saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) tobt ein heftiger Streit um die zukünftige politische Strategie der Konservativen.

Merkel und Müller gingen in der vorigen Woche in die Offensive. Merkel empfahl sich als zukünftige Kanzlerkandidatin, indem sie auf die mangelnde Akzeptanz der Union unter den Frauen hinwies. 40 Prozent der Männer hätten die CDU oder die CSU gewählt, aber nur 37 Prozent der Frauen. »Diese drei Prozent fehlen uns, denn mit ihnen hätten wir die Wahl gewonnen«, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Was läge also näher, als bei der nächsten Wahl eine Frau ins Rennen ums Kanzleramt zu schicken?

Auch Müller machte kräftig Werbung für sich. In einem Thesenpapier fordert er eine Art Säkularisierung der Union. Man müsse sich den städtischen Milieus und den neuen Ländern weiter öffnen. Seine Widersacher konnten da nicht ruhig bleiben. Der Vorsitzende der brandenburgischen CDU, Jörg Schönbohm, warnte die Union davor, das »konservative Tafelsilber« zu verschleudern.

Doch durch die Niederlage Stoibers, für die auch dessen reaktionäre Ansichten in der Frauen- und Familienpolitik verantwortlich gemacht werden, könnten die liberalen Kräfte in der Union Auftrieb erhalten, Roland Kochs Chancen auf eine Kanzlerkandidatur im Jahr 2006 dagegen sinken.

Das wäre nicht das Schlechteste. Denn mit Koch drohte ein Rückfall in jene Zeit, da die Union versuchte, mit rassistischen und nationalistischen Sprüchen Wahlen zu gewinnen. Koch gelang das 1999 in Hessen mit seiner Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, als Kanzlerkandidat würde er es wieder versuchen.

Dieses Mal sollte man also »Angie« die Daumen drücken. Schließlich ist es ein Genuss zu beobachten, wie sich die Union den städtischen Millieus öffnet und sich dafür ausgerechnet den Grünen andienen muss. Diese Strafe haben sie verdient, die Christdemokraten.