Angriff der Kuschelzombies

»Sekunden später stürzte sich G. auf ihn und drückte ihm mit den Daumen beide Augäpfel aus. G. ließ die Augäpfel fallen, sprang nackt vom Balkon auf die Straße und irrte blutüberströmt durch die Dunkelheit, bis er einem Taxifahrer auffiel.« So steht's im Spiegel in einem Artikel mit der Überschrift »Blutende Augen«.

Um was genau geht es? Um den Augäpfel-Sniper von Heilbronn? Um die Beschreibung einer Szene aus »Minority Report«? Weit gefehlt. G. hatte vielmehr die synthetische Droge Pico zu sich genommen, die als eine Form von Ecstasy gilt. Er war dann gut drauf, so wie es sich beim Konsum von Ecstasy gehört, rastete vier Tage später aber aus und machte sich an den Augen seines Freundes, eines 69jährigen Rentners, zu schaffen.

Nun wird in typischer Spiegel-Manier mal wieder von einem Einzelfall aufs Ganze geschlossen. Ecstasy macht, so die Schlussfolgerung des Artikels, böse, gemein und gefährlich. Dabei habe G., so wird es beschrieben, immerhin nicht nur Ecstasy, sondern auch Cannabis konsumiert, obwohl Mischkonsum bekanntlich manchmal zu eigenartigen Effekten führt. Außerdem ist nicht klar, ob die Droge verschnitten war, was ebenfalls niemals gut ist.

Aber das interessiert erstmal nicht, um die Mikroproblematiken beim Drogenkonsum will man sich lieber nicht kümmern. Lieber wird wieder einmal versucht, Ecstasy schlicht und einfach als noch gefährlicher zu brandmarken, als es bisher bekannt war. Nach den letzten Meldungen, Ecstasy sorge für dauerhafte Gehirnschäden, geht es jetzt eben um die »blutenden Augen«, wird die Droge als Aggressionsauslöser dämonisiert. Beknackter geht es eigentlich kaum noch.

Schließlich werden hier Ecstasy die Eigenschaften zugesprochen, die es bislang bei übermäßigem Alkoholkonsum zu beobachten gab. Die Probleme, die es mit der Volksdroge Nummer eins gibt, sollen also schlichtweg auf die kriminalisierte Spaßdroge Nummer eins projiziert werden. Verstrahlte E-Raver mit dauerhaftem Kuscheldrang und liebenswert geweiteten Pupillen als augäpfeldrückende Zombies darzustellen, ist so, als wolle man einem Kiffer notorischen Bewegungsdrang, Kontaktfreude und ein energisches Durchsetzungsvermögen andichten.