Scheitert das Zuwanderungsgesetz?

Noch ein Erfolg

Dass die historische Mission der SPD und der Grünen neben der Militarisierung der Außenpolitik auch die Zerschlagung des Sozialstaats umfasst, ist selten so offensichtlich geworden wie in diesen Tagen. Die Wahlkampfphrasen von sozialer Gerechtigkeit und Solidarität haben zwar noch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden, in der Praxis ist davon jedoch erwartungsgemäß nichts übrig geblieben.

Und jetzt steht auch noch das rot-grüne Reformprojekt der vergangenen Legislaturperiode vor dem Ende. Das Zuwanderungsgesetz, so berichtet es die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf gut informierte Kreise, wird aller Voraussicht nach vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) scheitern. Nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern aus formalen.

Im Bundesrat stimmte Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) zwar für das Gesetz, sein Stellvertreter Jörg Schönbohm (CDU) lehnte es jedoch ab. Der damalige Bundesratspräsident Klaus Wowereit (SPD) wertete das Votum Brandenburgs dennoch als Zustimmung und verschaffte so dem Gesetzesentwurf die erforderliche Mehrheit. Für die CDU/CSU war das ein klarer Verstoß gegen die Verfassung. Sechs von der Union regierte Länder legten deshalb eine Normenkontrollklage in Karlsruhe ein, anscheinend mit Erfolg.

Nun ist es um das Zuwanderungsgesetz an sich nicht sonderlich schade. Die wenigen Verbesserungen, etwa die Anerkennung nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung, werden aufgewogen von den zahlreichen Verschärfungen, darunter vor allem die Einführung von Internierungslagern für Asylbewerber. »Die soziale Entrechtung wird weitergeschrieben«, so kommentierte Pro Asyl das Gesetz. Und der Bayerische Flüchtlingsrat forderte: »Besser kein Zuwanderungsgesetz als dieses!«

Trotzdem verheißt das mögliche Scheitern des Gesetzes nichts Gutes. Denn die Bundesregierung wird angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat noch mehr Zugeständnisse an die Union machen müssen, will sie es retten. Die CDU und die CSU haben bereits Forderungen gestellt, zum Beispiel, dass Einwanderer und bereits in Deutschland lebende Migranten kostenpflichtige Deutschkurse besuchen müssen.

Flüchtlingsorganisationen befürchten nun, dass es auch in anderen Bereichen deutliche Verschlechterungen geben könnte, etwa beim Familiennachzug. Auch die Anerkennung nicht staatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung könnte wieder zur Disposition stehen. »Die Perspektive ist kaum positiv«, sagte Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. »Die Stimmung gegenüber Flüchtlingen ist so schlecht, schlechter geht es nicht.«

Roland Koch (CDU) hingegen geht es besser denn je. Wenn nach der Entscheidung des BVG die Zuwanderungsfrage »erneut offen ist, dann ist das selbstverständlich auch ein Thema des Wahlkampfs« im kommenden Jahr in Hessen, freut sich der hessische Ministerpräsident. Migranten und Flüchtlinge bleiben im Visier, auch das ist letztlich ein Erfolg des rot-grünen Reformprojekts.