Streiks der Feuerwehrleute

Es wird sehr heiß

Die Streiks der Feuerwehrleute bringen die britische Regierung in Bedrängnis.

Grüne Göttinnen« nennt die britische Armee liebevoll ihre veralteten Löschfahrzeuge, die jetzt wieder abgestaubt werden mussten, um während des achttägigen Ausstandes der Feuerwehrleute in Großbritannien zumindest ein Minimum an Sicherheit zu gewährleisten. Die modernen roten Löschzüge der Feuerwehr wären der Regierung sicherlich lieber gewesen, aber sie standen gut bewacht hinter den Streikposten der britischen Feuerwehrgewerkschaft FBU. Am Samstag der vergangenen Woche beendeten die Feuerwehrleute ihren ersten Streik. Gleichzeitig kündigten sie für die kommenden Wochen neue Ausstände an. Der nächste achttägige Streik soll bereits am Mittwoch dieser Woche beginnen.

Anders als in den achtziger Jahren haben die Polizeikräfte und die unfreiwilligen Streikbrecher des Militärs der Regierung bereits deutlich gemacht, dass sie nicht mit Gewalt gegen die Streikposten vorgehen wollen, um die Fahrzeuge aus den Garagen der Feuerwachen zu holen. Schon daran zeigt sich, dass die Kraftprobe zwischen den Gewerkschaften und der Labour-Regierung sich nicht entwickeln wird wie der oft zitierte Streik der Minenarbeiter im Jahr 1984, bei dem die Gewerkschaften nach einem Jahr vor der kompromisslosen »eisernen Lady« Margaret Thatcher und der konservativen Regierung kapitulieren mussten. Damals sorgten die Polizei und das Militär dafür, dass Streikbrecher die Kohleminen betreten konnten.

Eines scheint aber auch haute sicher zu sein. Mit ihrer Forderung nach einer vierzigprozentigen Lohnerhöhung werden die Feuerwehrleute nicht durchkommen, die Regierung lehnt sie kategorisch ab. Die Gespräche zwischen der FBU und der Regierung endeten am Freitag der vergangenen Woche ohne Ergebnis. Der Generalsekretär der FBU, Andy Gilchrist, erklärte einen Tag später, die Regierung spiele um ihrer inakzeptablen Gehaltspolitik willen mit Menschenleben. Während des ersten Streiks waren insgesamt sechs Menschen bei Bränden ums Leben gekommen.

Am 22. November hatten die rund 50 000 Mitglieder der FBU ihre Arbeit für acht Tage niedergelegt, nachdem die Lohnverhandlungen mit der Regierung abgebrochen worden waren. Rund 87 Prozent hatten sich für einen Streik ausgesprochen, was bei der drastischen Lohnerhöhung, die Gilchrist den Mitgliedern versprochen hat, nicht wirklich verwundert.

Dabei wäre es kurz zuvor noch fast zu einer Einigung in den Gesprächen zwischen der Gewerkschaft und den Lokalverwaltungen gekommen. Diese hatten ihr erstes Angebot von vier Prozent zurückgezogen und 16 Prozent mehr Lohn zugesagt, unter der Bedingung, dass die Organisation der Feuerwehr grundlegend modernisiert werden müsse. Die FBU war bereit zuzustimmen. Zum Streik kam es dennoch. »Die Minister in Westminster wollten sich nicht schnell genug mit den Vorschlägen befassen und haben deshalb den Arbeitskampf nötig gemacht«, begründete Gilchrist die Entscheidung der FBU. Die Gewerkschaft wirft der Regierung vor, dass sie eine Einigung bewusst scheitern ließ.

Tatsächlich fürchtet die Regierung, dass eine Gehaltserhöhung von 16 Prozent Folgen für die anderen Bereiche des öffentlichen Dienstes haben könnte. Denn nicht nur die Feuerwehrleute sind unzufrieden. Am Dienstag der vergangenen Woche blieben fast 1 000 Schulen in London ganz oder teilweise geschlossen, weil auch die Lehrer streikten. Sie fordern höhere Ortszuschläge, um die enormen Lebenshaltungskosten in der Hauptstadt bestreiten zu können. Ihre Arbeitgeber, die Kommunen, lehnten alle Verhandlungen über höhere Gehälter ab.

Der Arbeitskampf kommt für die Regierung zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Wenn der Finanzminister Gordon Brown am Mittwoch dieser Woche seinen Bericht zum Staatsbudget veröffentlicht, wird er die erwartete Wachstumsrate nach unten korrigieren müssen. Er muss eine deutlich erhöhte Staatsverschuldung akzeptieren und dabei eine Erhöhung direkter Steuern sowie Einschnitte in den bisherigen Ausgabenplan ausschließen.

Bei den Verhandlungen mit der FBU hielt die Regierung deshalb an den vier Prozent fest. Sie entsprechen den 1978 festgelegten Gehaltsrichtlinien für den öffentlichen Sektor. »Jede weitere Erhöhung kann nur durch eine Modernisierung der Feuerwehr und die Flexibilisierung von Arbeitszeiten erreicht werden und ist Verhandlungssache zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften«, erläuterte der stellvertretende Premierminister John Prescott. Teilzeitarbeit heißt auch hier das Zauberwort.

Premierminister Tony Blair hat scheinbar nicht früh genug erkannt, dass die Feuerwehrleute es mit ihren Streikdrohungen ernst meinten. Denn zu Zeiten wirtschaftlicher Rezession und angesichts außenpolitischer Verpflichtungen als Partner der USA legt er es sicherlich nicht darauf an, die traditionelle Klientel der Labour Party zu verärgern.

Im derzeitigen Arbeitskampf geht es den Gewerkschaften allerdings nicht nur um Geld, sondern auch um Macht. In der ersten Legislaturperiode hatte Labour weitgehend ohne die Gewerkschaften regiert. Bis auf einige Arbeitsniederlegungen im Personennahverkehr war das Verhältnis zwischen der Regierung und den Gewerkschaften damals recht harmonisch. Nun scheinen Blair und Brown zu Opfern ihres eigenen wirtschaftlichen Erfolgs geworden zu sein. Da die Arbeitslosenzahlen zu Beginn der zweiten Regierungsperiode im vergangenen Jahr relativ niedrig waren und die Labour Party mit dem Wahlversprechen antrat, den öffentlichen Dienst zu verbessern, sahen die Gewerkschaften ihre Zeit gekommen.

Die umfangreichen Forderungen der FBU sind nicht der Sonderrolle geschuldet, die die Feuerwehrleute angeblich innehaben. Sie riskieren ihr Leben und sind unentbehrlich, aber nicht wichtiger als andere Berufsgruppen des öffentlichen Sektors wie etwa Lehrer oder Krankenpfleger, die zurzeit wesentlich mehr Probleme haben, Arbeitskräfte zu finden. Das wissen auch die Gewerkschaften. Sie sehen in diesem Ausstand vielmehr die Möglichkeit, das Ziel der Regierung, die Löhne im öffentlichen Dienst unter strikter Kontrolle zu halten, grundsätzlich in Frage zu stellen.

Doch langsam wird es eng für die FBU. Da absehbar ist, dass sie mit ihrer Forderung nach einer vierzigprozentigen Lohnerhöhung nicht durchkommt, geht es mittlerweile darum, zumindest eine Blamage zu verhindern. Die Gewerkschaft kündigte bereits an, dass die Feuerwehrleute zum dritten Mal für acht Tage in den Ausstand treten werden, wenn es bis Mitte Dezember nicht zu einer Einigung kommen sollte.

Am nächsten Samstag soll in London demonstriert werden. Fest steht bereits, wie Prescott erklärte, dass die 20 Prozent der Arbeitsplätze, die bei der Feuerwehr frei werden, weil Mitarbeiter in Rente gehen, nicht neu besetzt werden.

Blair besucht währenddessen Militärstützpunkte und lobt die Soldaten für ihre Arbeit. Er kann den Streik aussitzen und es darauf anlegen, die FBU ins Leere laufen zu lassen. Wenn er die Gewerkschaft besiegt, ist ihm allerdings der Vorwurf des Thatcherismus sicher.

Blair, der bisher eng mit dem privaten Sektor zusammenarbeitete, um das Land zu »modernisieren«, wird nach diesem Arbeitskampf über seinen Umgang mit dem öffentlichen Dienst nachdenken müssen. Andernfalls werden ihm die dort Beschäftigten keine Ruhe mehr lassen. Eines hat die Regierung mit ihrer Unnachgiebigkeit bereits jetzt erreicht. Die Gewerkschaften sind sich so einig wie selten und werden über ihr Verhältnis zur Labour Party noch einmal nachgrübeln.